Die herrschende Inflation ist in der Breite angekommen. Kommende Tarifrunden aber werden keine Lohn-Preis-Spirale auslösen, sagen Christian Baus und Jürgen Denne von Franz Martz und Söhne Private Treuhand. Kritisch sehen sie Geldanlagen in Kryptowährungen.

Herr Baus, Herr Denne, wie beurteilen Sie die derzeitige Inflation?
Baus: Die Inflation derzeit wird noch etwas steigen und dann mittelfristig wieder auf ein Niveau zurückkehren, das höher liegt als das von der EZB angestrebte Ziel von zwei Prozent. Die Inflation entsteht mittlerweile nicht nur durch Lebensmittel- und Energiepreise, sondern sie ist in der Breite angekommen. Es wird in den kommenden Tarifrunden Lohnerhöhungen geben, aber nach unserem Dafürhalten wird dadurch keine selbsterhaltende Lohn-Preis-Spirale entstehen. Die Lohnerhöhungen haben einen Effekt, jedoch keinen anhaltenden. Die Treiber der Inflation sind nicht nur die Nachfrage, sondern auch das Angebot. Wir wissen von der noch immer anhaltenden Halbleiterkrise und der Logistikkrise, sprich, es gibt zwar genügend Chips, aber sie sind nicht da, wo sie hingehören. Dies wird jedoch ebenfalls nachlassen, da neue Lieferanten gesucht werden oder im Entstehen sind.
Denne: Verkennen darf man ebenfalls nicht den Basiseffekt, weil die Preise von Jahr zu Jahr verglichen werden. Wenn ich heute einen Ölpreis von 100 Dollar pro Barrel habe und im nächsten Jahr ebenfalls 100 Dollar zahlen muss, zahle ich nicht mehr. Gerade bei Öl werden im Augenblick Knappheitspreise gehandelt, obwohl es keine Knappheit an Öl gibt. Dennoch sind die Preise hoch. Dies liegt am Krieg in der Ukraine.
Ist das überhaupt eine Inflation wie im volkswirtschaftlichen Lehrbuch? Sie sagen selbst, es ist eine Krise von Angebot und Nachfrage gleichzeitig. Nutzen hier Zinsschritte der EZB etwas?
Baus: Üblicherweise, das stimmt, ist die Inflation nachfragegesteuert – die Nachfrage ist höher als das Angebot. Der klassische Weg, die Nachfrage zu verringern, ist es, die Zinsen zu erhöhen, um die Inflation zu bekämpfen. Die US-Amerikaner beispielsweise haben mittlerweile 5,2 Billionen US-Dollar mehr Liquidität angesammelt als 2019, vor Corona. Dieses Geld konnte nicht ausgegeben werden. Jetzt kann man es, die Nachfrage schießt hoch, also ist dort eine Zinserhöhung richtig. Steigende Zinsen aber produzieren nichts. Für die angebotsbegründete Inflation nutzen Zinsschritte nichts. Man kann jedoch versuchen, mittels Zinsen die Nachfrage auf das erreichbare Angebotsniveau zu senken. Insofern: Ja, eine Zinsentscheidung der EZB kann gegen die Inflation auch hier nützlich sein.
Denne: Aber man muss festhalten: In Europa oder Deutschland ist die Konsumlaune, also die Nachfrage, bereits im Keller. Eine weitere Steigerung der Zinsen hat mit Sicherheit dann nicht den gewünschten Effekt, im Gegenteil: Wenn die Zinsen weiter steigen, hat dies sogar einen bremsenden Effekt für die Wirtschaft und die hochverschuldeten europäischen Staaten zum Beispiel in Südeuropa. Diese müssen auch weiterhin in der Lage sein, ihre Schulden zu bedienen. Die EZB hat also bereits den gewünschten Effekt der geringeren Nachfrage erreicht durch ihre Zinsschritte. Klar ist: Was die Wirtschaft in den vergangenen beiden Jahren am Leben erhalten hat, war der Konsum.
Was bedeutet dies für Ihr Geschäft?
Baus: Es ist weder gut noch schlecht. Wir sind bislang durch alle Phasen gut durchgekommen und es wäre falsch, einen Vermögensverwalter danach zu beurteilen, ob die Plus-Zahl am Jahresende möglichst groß ist. Es ist auch eine Frage dessen, was der Markt hergibt, ob er nun in einer Boom-Phase oder einer Rezession ist. Ich sprach kürzlich mit einem Kunden, der 100 Prozent Aktien in seinem Portfolio hat. Er liegt bei einer Rendite von minus 2,1 Prozent. Natürlich ist es nicht schön, weil ein Minus davorsteht. Aber besser als die Zahlen, die der DAX uns in den vergangenen Wochen oft präsentiert hat. Wir sind dafür da, unsere Kunden gut durch schwierige Zeiten zu begleiten, und werden umso wichtiger, je heftiger der Sturm ist, der draußen tobt. Auch ist die Gemengelage derzeit so, dass ich nach wie vor niemandem davon abraten würde, in Aktien zu investieren. Denn wegen der Inflation garantieren Anleihen und Sparguthaben einen Kaufkraftverlust von aktuell circa sechs Prozent.
Denne: Gleichzeitig ist die Ausgangslage anspruchsvoll. Die Nachfrage nach unserer Dienstleistung ist aktueller denn je. Rückgänge an den Kapitalmärkten bedeuten natürlich Rückgänge beim Anlagevermögen der Kunden. Zwei bis fünf Prozent Minus an verwaltetem Vermögen reduzieren den Ertrag. Dies ist aber nichts, was uns Sorgen bereitet. Denn aus Erfahrung wissen wir, dass nach Verlustphasen auch wieder Gewinnphasen kommen.
Das bedeutet, dass auch das Treuhandunternehmen weiterwächst, trotz schwieriger Gemengelage?
Denne: Wir wachsen weiter, ja, und wir sind kontinuierlich in den vergangenen Jahren gewachsen. Unsere Kunden sind über die gesamte Republik verstreut, aber der Schwerpunkt befindet sich im Südwesten, im Saarland, der Pfalz, im Rhein-Neckar-Bereich.
Wachsen bedeutet auch, mehr Menschen einzustellen. Wie wählen Sie diese aus, was ist ihnen bei angehenden Kolleginnen und Kollegen wichtig?

Baus: Es geht bei uns nicht darum ein Produkt zu verkaufen, sondern Vermögen zu betreuen und Kunden zu beraten, sprich um die fachliche Lösungskompetenz. Was wir brauchen, sind Menschen, die sich eine Lösung für die konkrete Situation des Kunden selbst erarbeiten können. Im Vordergrund stehen nicht der Verkauf, sondern die Wünsche des Kunden. Also brauchen wir Menschen, die zuhören und die die Kompetenz mitbringen, das Gehörte im Wealth Management umzusetzen. Das sind meist gestandene Kollegen, gern auch etwas älter, die das Bank- und Finanzgeschäft mit den Kaufmannstugenden beherrschen.
Denne: Fachkräfte hier zu finden wird daher auch immer schwieriger. Sinnvoll wären natürlich auch jüngere Kollegen, aber hier finden wir oftmals nicht das, was wir suchen. Daher wären für uns auch ältere Kolleginnen und Kollegen interessant, die ihre letzten Berufsjahre bei uns verbringen möchten, um später an jüngere Kolleginnen oder Kollegen, ihre Kunden zu übergeben mit der Gewissheit diese in besten Händen zu wissen.
Was macht Franz Martz und Söhne anders als andere Vermögensverwalter?
Baus: So große Unterschiede zu Mitbewerbern gibt es meiner Meinung nach nicht. Was den Testern, die uns bewertet haben, offenbar gut gefallen hat, war der persönliche Ansatz: Im Erstgespräch haben wir die Situation des Kunden gut aufgenommen und eine Lösung präsentiert, die genau auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten war. Was ein Kunde bei einem Vermögensverwalter wie uns erwartet, sind mehr Individualität und das Hineindenken in die Situation des Kunden.
Denne: Dies setzt Zuhören voraus. Im Erstgespräch ist es unsere Aufgabe, die Situation genau zu erfassen. Es ist unser Job dies zu tun und Grundlage später eine individuelle Lösung zu präsentieren. Und diesen Job machen wir gerne.
Wie läuft ein Erstgespräch ab?
Denne: Es gibt unterschiedliche Arten, wie Anleger zu uns finden und so unterschiedlich holen wir diese ab. Bei potenziellen Kunden, die wir selbst aktiv geworben haben oder die aufgrund von Werbung oder von Empfehlungen zu uns kommen, ist der Einstieg ins Gespräch ein anderer als bei Menschen, die aus eigener Initiative den Kontakt zu uns aufgenommen haben. So oder so, das Erstgespräch läuft nicht nach einem standardisierten Fragebogen ab. Natürlich haben wir auch Fragen im Kopf, die wir immer stellen: die Erfahrungen des Kunden, die Risikoneigung des Kunden, die finanzielle Tragfähigkeit als Ausgangslage für die Anlagestrategie, die wir dann präsentieren können.
Baus: Mein Erstgespräch beginnt meistens mit der Frage: „Welche Fragen haben Sie?" Auf diese Weise nähern wir uns der Situation. Meist kommen dann mehr oder weniger spezifische Fragen und Anliegen. Ich spreche dann gerne nicht nur über Chancen, sondern auch über Risiken und erkläre die Wichtigkeit von langfristigem Anlegen, um das Risiko langfristig im Griff zu haben. Qualität liegt in unserer Verantwortung, Zeit muss der Kunde mitbringen. Er sollte verstehen, dass er nur das Geld anlegt, das er nicht morgen schon wieder benötigt, und er sollte verstehen, bei Rückschlägen nicht hektisch zu werden.
Halten Sie Kryptowährungen im Augenblick für eine relevante Geldanlage? Werden Sie nachgefragt?
Denne: Im Musterdepot als auch in den Vermögensverwaltungdepots sind wir nicht investiert. Bei zwei, drei Kunden, die dies ausdrücklich wünschten, gibt es eine Investition außerhalb der Vermögensverwaltung. Mir persönlich sind Kryptowährungen zu spekulativ und zu volatil. Auch gibt es in diesem Segment reichlich schwarze Schafe, siehe One Coin, sodass Vertrauen in diese unregulierten Anlagen bei mir nicht aufkommt.
Baus: Das „Herstellen" einer Kryptowährung, das „Mining", verschlingt Unmengen an Energie und die „Geldmenge" ist endlich. Daher kann sie nicht funktionieren. Ähnliches haben wir gesehen mit der Währungsdeckung in Gold, die man mittlerweile aufgegeben hat. Da der Staat außerdem keinen Zugriff darauf hat, könnte er das „Mining" verbieten, sobald die Kryptowährung erfolgreicher wird.
Werden mittlerweile verstärkt Anlagen mit ESG-Kriterien (umweltgerecht, sozial gerecht, in Firmen mit hohen ethischen Standards, Anm. d. Red.) nachgefragt?
Baus: Noch sind diese ESG-Kriterien sehr undurchsichtig. Aber wir überlegen uns gerade, wie wir ein nachhaltiges Angebot schnüren können. Die Nachfrage steigt etwas, ja. Doch in meinen Augen ist es schwierig, wenn eine der größten ESG-Agenturen Tesla gegen den Ölmulti Exxon als nachhaltigste Firma austauscht. Das Problem hierbei ist, dass es häufig unterschiedliche Auffassungen auch innerhalb der Finanzwelt darüber gibt, was überhaupt als nachhaltig gilt. Zudem muss man sehen, dass sogenannte Impact-Investitionen, also Investitionen mit der Absicht, einen deutlichen sozialen oder ökologischen Wandel hervorzurufen, in nicht-ESG-konformen Unternehmen schon mit kleinen Summen eine große Wirkung hervorrufen können. Üblicherweise wird das Geld jedoch in ESG-konforme Unternehmen geleitet, die ohnehin schon nachhaltig wirtschaften. Der Einfluss auf die Umwelt ist hier sicherlich geringer als im zuvor genannten Fall.

Der Ansporn für jene Firmen ist dabei, sich ESG-konform zu verhalten, um an Investitionen zu kommen.
Baus: Sicherlich, sofern Geld ein knappes Gut ist, was es im Augenblick nicht ist. Was ich damit sagen möchte: Sie sehen, über die Steuerungsmechanismen des Geldes hin zu Unternehmen, die ESG-konform oder eben nicht arbeiten, muss weiter diskutiert werden. Dass Menschen zusätzlich zur Rendite gern ein gutes Gewissen hegen, kann ich verstehen.
Denne: Aber am Ende des Tages wird es so sein, dass viele Investoren nicht bereit sind, für schwammige Kriterien Rendite oder Performance zu opfern. Bei der Analyse einer Aktie schauen wir unter anderem auch, wie gut das Management eines Unternehmens ist, in das investiert werden soll. Ein gutes Management agiert mit langfristigem Blick so, dass dem Unternehmen kein Schaden entsteht. In China beispielsweise ist dahingehend viel in Bewegung, denn man hat dort gemerkt, welch immense Kosten Umweltzerstörung mit sich bringt.
Baus: Deshalb glaube ich auch, dass Ökonomie und Ökologie keine Gegensätze sind: Wer verantwortlich handelt, auch im Unternehmen, sieht heute schon, welche Folgen sein Handeln in der Zukunft hat. Handele ich nachhaltig im Management, sind meine Folgekosten auf lange Sicht geringer.