Sind E-Autos wirklich umweltfreundlicher als Verbrenner? Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat die aktuelle Studienlage analysiert – und kommt in ihrem durchaus konstruktiv-kritischen Bericht zu einem eindeutigen Urteil.
Nüchtern betrachtet stehen die Aussichten für die Elektromobilität gut: Die Preise von E-Autos sinken, ihre Reichweiten steigen, und der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix nimmt zu. In Deutschland schlägt sich diese Entwicklung aber noch nicht in einem deutlichen Kaufansturm nieder. Einer der Gründe dürften diverse Vorurteile sein, die sich hartnäckig halten. Ein beliebtes Argument: E-Autos seien nicht nachhaltiger als Verbrenner, da die Batterie-Herstellung enorme Mengen an Energie und Rohstoffen verschlinge. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe hat diese und andere Aussagen einem Faktencheck unterzogen. In einer aktuellen Studie fassen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den aktuellen Forschungsstand zusammen und geben zugleich einen Ausblick auf die Zukunft.
Kein ökologischer Freibrief
Bei der Frage „Ist die Umweltbilanz von E-Pkw besser als bei konventionellen Pkw?“ sprechen die Forschenden das Hauptproblem der Elektroautos an: „Je nach Energiequelle, Energieeffizienz der Produktion und der Batteriegröße fallen zwischen 60 und 130 Prozent höhere Treibhausgasemissionen an als bei der Herstellung von Benzin- oder Dieselfahrzeugen“, heißt es in dem Dokument. Aber: Im Laufe ihrer Nutzung verursachen die Stromer deutlich weniger Treibhausgase, da sie – anders als Verbrenner – nicht fortwährend Abgase in die Luft pusten. Die aktuelle Studienlage gehe davon aus, dass ein heute angeschafftes E-Auto über seine gesamte Lebensdauer 40 bis 50 Prozent weniger Emissionen ausstößt als ein vergleichbarer Verbrenner – bezogen auf einen Mittelklasse-Pkw.

Damit positioniert sich das ISI zwar vorsichtiger als andere Vergleichsstudien – die Universität der Bundeswehr kam 2022 zu dem Ergebnis, dass bis zu 89 Prozent weniger Emissionen ausgestoßen werden. Der Grundtenor ist aber der gleiche: Die Umweltbilanz von E-Autos werde in Zukunft noch deutlich besser, da der Anteil erneuerbarer Energien steigt. „Wird überwiegend (…) erneuerbarer Strom zum Laden verwendet – und in Deutschland haben derzeit knapp 50 Prozent der E-Fahrzeugnutzer eine eigene PV-Anlage – fällt die Treibhausgasbilanz noch deutlich positiver aus“, schreibt das ISI.
Einen ökologischen Freibrief erhalten Elektroautos dadurch aber nicht. „Wird ein schweres, wenig effizientes E-Fahrzeug mit großer Batteriekapazität und geringer jährlicher Fahrleistung bilanziert, welches generell nur mit dem derzeitigen deutschen Strommix lädt, so ist die Treibhausgasbilanz kaum besser gegenüber einem entsprechenden konventionellen Fahrzeug“, bemerkt die Studie. Vage bleibt sie bei der Frage, ob die Rohstoffe für die weltweite E-Auto-Produktion ausreichen – die Forschung muss sich in diesem Punkt vor allem auf Prognosen stützen. So seien Bodenschätze wie Lithium, Nickel oder Mangan zwar „grundsätzlich weltweit verfügbar“, die Vorkommen lägen jedoch meist außerhalb Europas, wodurch es zu neuen geopolitischen Abhängigkeiten kommen könnte.
Andererseits verweist die Studie darauf, dass viele Hersteller bereits auf Materialien wie Kobalt verzichten. Auch sei mit einem Hochlauf des Batterie-Recyclings zu rechnen. Bis zum Jahr 2035 könnten bis zu 30 Prozent des Bedarfs an Lithium, Nickel und Kobalt für die Batteriezellenproduktion durch recycelte Materialien gedeckt werden. Dies wäre deutlich nachhaltiger als der Abbau neuer Vorkommen.
Missstände werden klar benannt
Die Rohstoffförderung in Europa ist von zahlreichen Unwägbarkeiten geprägt. Die Studie thematisiert unter anderem die „Akzeptanz für Bergbauprojekte in der EU“. Solche Vorhaben stoßen häufig auf heftigen Widerstand, da viele Menschen Verunreinigungen des Trinkwassers und andere Umweltschäden befürchten. In Regionen, in denen bereits heute Seltene Erden und andere für die E-Mobilität wichtige Mineralien abgebaut werden, kommt es regelmäßig zu Verstößen bei Arbeitssicherheit, Umweltschutz und Menschenrechten. Beispiel Kongo: „Kinder werden für leichte Zuarbeiten beim Verkauf, aber auch für schwerste und risikoreiche Arbeiten in Vollzeit eingesetzt“, schreibt das ISI über die Kobalt-Minen. Darüber hinaus komme es wegen des Bergbaus zur Zwangsumsiedlung ganzer Gemeinschaften.
Von einem Boykott des Kleinbergbaus raten die Forschenden trotzdem ab, da dieser zu noch größerer Armut führe. Stattdessen sollten hiesige Unternehmen auf strenge Umwelt- und Sozialstandards pochen. In diesem Zusammenhang hebt das ISI das EU-weite Lieferkettengesetz hervor, das einheitliche Vorgaben für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden schafft. Allerdings ist die Umsetzung noch fraglich. Sowohl der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz als auch der französische Präsident Emmanuel Macron wollen das Lieferkettengesetz abschaffen, noch bevor es 2028 in Kraft tritt.
Unterm Strich zeigt sich der ISI-Bericht also durchaus konstruktiv-kritisch. Er benennt die Missstände bei der Produktion von Elektroautos, stellt aber zugleich klar: Im Vergleich zu Fahrzeugen mit fossilem Antrieb schneiden E-Autos in der Umweltbilanz deutlich besser ab – und sie verbessern sich stetig weiter.