Hertha BSC gerät bei der SV Elversberg unter die Räder – und zwar so richtig. Der einzige Lichtblick: Immerhin scheint die Lizenz für 2025/26 gesichert.

Im Mai 1990 wurde Johannes Rau als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen wiedergewählt, während sich Gerhard Schröder in Niedersachsen gegen Amtsinhaber Ernst Albrecht durchsetzte – in Berlin fand dazu der 90. Katholikentag unter dem Motto „Wie im Himmel so auf Erden“ statt. Und: Am 10. des Monats lag Hertha BSC letztmals in einem Zweitligaspiel zur Pause mit vier Toren Unterschied zurück – damals bei Wattenscheid 09 (0:4 – Endstand 1:5). Drei Spieltage vor Schluss standen beide Mannschaften allerdings bereits als Aufsteiger in die Bundesliga fest. Am vergangenen Sonntag stellte die „Alte Dame“ diesen fragwürdigen Rekord nun ein – nach 45 Minuten lagen die Hauptstädter mit 0:4 bei der SV Elversberg zurück und taumeln so im Gegensatz zu 1990 weiter den Abstiegsplätzen entgegen. Es war die fünfte Niederlage in den letzten sechs Partien (bei nur einem Punkt), viermal blieb man in den vorhergehenden fünf Spielen sogar ohne Torerfolg – soweit schon mal die „Trainer-übergreifende“ Horrorbilanz. Was aber vielleicht der bedenklichste Punkt dieser Entwicklung ist: Bereits im zweiten Spiel unter Stefan Leitl hat es das Team von Hertha BSC fertig gebracht, der Aufbruchsstimmung nach der Trennung von Cristian Fiél maximalen Schaden zuzufügen.
Die Aufbruchsstimmung bei Hertha ist dahin
Bekanntlich hat sich die SV Elversberg bereits vergangene Saison als Aufsteiger hervorragend in der 2. Liga zurechtgefunden – dass die Berliner jedoch in drei der vier Vergleiche mit den wackeren Saarländern jeweils vier Tore schlucken mussten, spricht dann doch eher gegen Hertha als für die SVE. Vom starken Defensivspiel bei Leitls Debüt gegen Nürnberg (0:0) war nur eine Woche später nichts mehr zu sehen – das desolate Abwehrverhalten nutzten die Elversberger vielmehr vor der Pause weidlich aus. So wechselte der neue Trainer zur Pause mit Florian Niederlechner den Zielstürmer aus, um ihn durch Verteidiger Toni Leistner zu ersetzen und auf eine stabilere Dreierkette umzustellen. Wer allerdings immer noch glaubt, dass man mit so einem Kader nichts mit dem Abstiegskampf zu tun hat, dem sei gesagt: Drei der vier Vereine, die in der Gesamtwertung 2024/25 aktuell (noch) hinter Hertha BSC stehen, sind in der Rückrundentabelle vor den Berlinern zu finden. Nur Schlusslicht Jahn Regensburg hat in diesem Zeitraum ebenfalls vier Zähler geholt – so steht Mannschaft und Trainer am Sonnabend ein heißer Empfang im Olympiastadion bevor. Dann gastiert in der Hauptstadt der FC Schalke 04, der nach völlig verpatztem Saisonstart mittlerweile längst an Hertha BSC vorbeigezogen ist.
Vor der Partie in Elversberg hatte der neue Trainer dabei noch einmal ausdrücklich formuliert, was bei seinem Debüt gegen Nürnberg bereits in Teilen zu erkennen gewesen war. „Wir müssen ergebnisorientierten Fußball spielen, um zu punkten – wir müssen Intensität und Laufvolumen steigern“, sagte Stefan Leitl und erteilte damit dem Ansatz seines Vorgängers Cristian Fiél, dominanten Ballbesitzfußball betreiben zu wollen, gewissermaßen eine Absage. Dazu hatte er angesichts der Torflaute in den vorangegangenen Partien seine Kandidaten für die Sturmzentrale stark geredet: „Wir haben keine Problemzone, sondern dort drei zentrale Spieler, die treffen können.“ Über Niederlechner als heißestem Startelfkandidaten im Angriff sagte der neue Trainer: „Florian hat gegen Nürnberg das umgesetzt, was wir wollten, hatte drei Abschlüsse – mit mehr Glück kann er ein Tor machen.“ Doch auch der zum Leitl-Debüt noch nicht in den Spieltagskader berufene Smail Prevljak und Luca Schuler erhielten Bestätigung vom 47-Jährigen („Alle drei können Tore machen“), dabei nahm er allerdings auch die „Zuarbeiter“ in die Pflicht: „Wir müssen für sie die entsprechenden Situationen kreieren.“ Eine Alternative zu Niederlechner sollte dem Trainer dann in Elversberg jedoch ohnehin nicht zur Verfügung stehen, denn sowohl Prevljak (Sprunggelenk) als auch Schuler (Muskulatur) mussten sich kurzfristig mit Problemen abmelden.

Immerhin gab es jüngst abseits des grünen Rasens eine gute Nachricht in Zusammenhang mit der Vorstellung des Finanzberichts für die Hinrunde der laufenden Saison. Die bezieht sich dabei gar nicht auf die für den Zeitraum bis 31. Dezember 2024 präsentierten Zahlen, sondern betrifft die im Raum stehende Rückzahlung einer Anleihe über 40 Millionen Euro im Herbst 2025. Vor zwei Jahren hatte sich die „Alte Dame“ dabei noch gezwungen gesehen, die Rückzahlung aufzuschieben und gewann die Zustimmung der Gläubiger zu einer Fristverlängerung durch eine Erhöhung des Zinssatzes von 8,5 auf 10,5 Prozent. Als Altlast galt das 2018 ausgegebene Nordic-Bond-Papier weiter als bedrohlichster Teil hinsichtlich des Lizenzierungsverfahrens für die Saison 2025/26 – doch jetzt hieß es in einer Mitteilung von Hertha BSC, es wurde „ein an die Unternehmensplanung angepasstes Finanzierungskonzept mit mehreren Partnern entwickelt“, durch das der Verein die Anleihe fristgerecht zum 8. November zurückzahlen könne. Die Maßnahme der Umfinanzierung bezüglich der Rückzahlung, die kurzfristig die Lizenz für die kommende Saison sichern soll, bedeutet jedoch, dass nun eben jene Partner mittel- oder langfristig bedient werden müssen. Soll heißen: Hertha BSC ist dadurch nicht aller Sorgen ledig, sondern muss weiter sparen. Denn der Schuldenabbau, den die Verantwortlichen nach dem Abstieg 2023 vorantrieben und der nach dem ersten Geschäftsjahr eine Reduzierung um fast 50 Millionen Euro ergab, ist in diesem Tempo und Ausmaß bei Weitem nicht mehr möglich. So erklärte Finanzgeschäftsführer Ralf Huschen: „Unser Ziel bleibt es, wirtschaftlich verantwortungsvoll zu handeln und Hertha BSC auf eine solide Basis zu stellen.“ Deshalb bleiben auch Einnahmen durch Spielerverkäufe zur weiteren Entlastung des Clubs unerlässlich – und sei es nur, um selbst auf dem Transfermarkt aktiv werden zu können. Jüngstes Beispiel des spitzen Bleistifts bei Hertha BSC: Obwohl in der Winterpause akuter Bedarf im Angriff bestand, wurde Sebastian Grönning vom Drittligisten FC Ingolstadt erst für kommende Saison unter Vertrag genommen – weil er dann ablösefrei ist.