Sportlich sorgt Hertha BSC weiter für Entspannung. Im Gegensatz dazu steht derweil die Entwicklung in der Führungsebene.

In verschiedenen Medien war das Spiel von Hertha BSC beim SSV Ulm zum Blick in die Zukunft stilisiert worden. Dabei ging es aber nicht um die Punkte für den Verbleib in der 2. Liga auch in der kommenden Saison– der wurde offenbar schon vor der Partie nach zehn Punkten aus vier Spielen so etwas wie vorausgesetzt. Vielmehr mussten die Berliner erstmals in dieser Saison ohne ihren Spielmacher und Ideengeber Ibrahim Maza auskommen– der 19-Jährige, gern auch mit dem Begriff „Supertalent“ bezeichnet, fiel wegen einer Sperre nach seiner fünften Gelben Karte aus. Und da an einem Wechsel des algerischen Nationalspielers diesen Sommer kein Zweifel besteht – lediglich zu welchem Verein, ist noch die Frage –, wollten viele Medien aus der Partie einen Test für die Spielzeit 2025/26 machen. Diese Idee hatte allerdings den Haken, dass in Herthas Startelf gegen die „Spatzen“ noch mehrere andere Spieler erwartet wurden, die zuletzt ebenfalls als heiße Wechselkandidaten gehandelt wurden: wie etwa Jonjoe Kenny, Michael Cuisance oder Fabian Reese. Zumindest aber sollte die Partie eine Probe aufs Exempel bieten für Kevin Sessa, der nach einer von drei Verletzungen beeinträchtigten Spielzeit in Abwesenheit Mazas beweisen sollte, welche Qualitäten er im offensiven Mittelfeld besitzt. Stefan Leitl hatte sich dabei einmal mehr nicht glücklich gezeigt, dass Spekulationen abseits des grünen Rasens den Fokus auf das Wesentliche verstellen könnten.
Viele mögliche Wechselkandidaten
„Jetzt kommen Themen auf, die nicht gut sind – wir müssen erst einmal die Liga halten, danach können wir Gespräche führen“, erklärte der Hertha-Trainer vor der Auswärtsfahrt an die Donau mit Nachdruck. Unklar, ob diese Diskussionen auch für die eher blasse erste Halbzeit in Ulm verantwortlich waren. Sessa blieb jedenfalls zur Pause in der Kabine und wurde durch Jon Dagur Thorsteinsson ersetzt. Der im letzten Sommer nach Berlin gewechselte Isländer sorgte dann für den Blitzstart in den zweiten Durchgang: der 26-Jährige eroberte den Ball im Mittelfeld und bediente Fabian Reese, der nach 23 Sekunden die nicht unverdiente 1:0-Pausenführung der Gastgeber egalisierte. Die „Alte Dame“ agierte weiter wie ausgewechselt: Erst köpfte Linus Gechter an die Latte, dann traf erneut Reese diese mit einem Schuss derart, dass der Ball hinter die Torlinie prallte – binnen fünf Minuten war der Spielstand gedreht. Mitten in der blau-weißen Euphorie hatte Ulms Dressel dann jedoch seinen Moment und traf mit einem Volleyschuss sehenswert zum 2:2, danach kühlte sich die zwischenzeitlich turbulente Partie wieder etwas ab. Einen hatte Hertha BSC aber noch: Nach einem Freistoß von Cuisance war der eingewechselte Florian Niederlechner noch entscheidend mit dem Kopf am Ball und sorgte für den 3:2-Sieg. Waren es noch während des ersten Durchgangs zeitweise nur sieben Zähler zum direkten Abstiegsplatz, ist Hertha BSC mit nun elf Punkten vor dem Relegationsrang so gut wie gesichert – und kann am Freitag zu Hause gegen den 1. FC Magdeburg an das Thema Klassenerhalt endgültig einen Haken machen.
Zu den aus Leitls Sicht zur Unzeit aufgekommenen Themen gehört dabei auch das Gerücht, dass es in der Führungsetage von Hertha BSC zu einem Wechsel kommen könnte. Verschiedene Medien hatten berichtet, dass sich der Verein in intensiverem Kontakt mit Jonas Boldt, dem ehemaligen Sportvorstand des Hamburger SV, befinde. Die Hanseaten und der 43-Jährige waren vergangenen Sommer nach fünf Saisons der Zusammenarbeit getrennte Wege gegangen – eine Rückkehr in den Profifußball könne sich der Sportmanager aber generell vorstellen, hieß es in diversen Meldungen. Daraufhin intensivierten sich die Spekulationen, denn die Frage stellte sich, in welcher Funktion Boldt bei der „Alten Dame“ fungieren könnte. Sportdirektor Benjamin Weber und der Direktor Akademie und Lizenzspielerbereich, Andreas „Zecke“ Neuendorf, hatten aufgrund des enttäuschenden Saisonverlaufs dabei zwar in der Kritik gestanden, sind aber bereits seit einigen Wochen mit der Planung der kommenden Spielzeit betraut und kamen daher nicht unbedingt in Betracht. Obendrein gelten sie als Vertraute von Präsident Fabian Drescher, der mit den beiden vor der letzten Mitgliederversammlung im Herbst 2024 noch verlängert hatte.
Welches Amt wird es werden?

Dadurch, so die Schlussfolgerung, könne es sich bei Boldts zukünftigem Posten nur um ein Amt in der höchsten sportlichen Leitungsebene handeln. Und so führte die Recherche ausgerechnet zum CEO höchstpersönlich: In diesem Zusammenhang wurde daran erinnert, dass der 2022 zum Geschäftsführer gekürte Thomas Herrich noch zu Zeiten des im Januar 2024 verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein bereits unter kritischer Beobachtung stand. Denn seit mittlerweile 25 Jahren in verschiedenen Positionen bei Hertha BSC aktiv, war Herrich auch schon beim Bernstein-Vorgänger Werner Gegenbauer tätig und könnte allein deswegen besonders im Fokus sein. Immerhin verschaffte sich der heute 60-Jährige einige Reputation bei der finanziellen Konsolidierung von Hertha BSC, sodass sein Vertrag im März 2024 auf unbestimmte Zeit verlängert worden war. Doch einem Bericht des „Tagesspiegel“ zufolge soll Uwe Dinnebier, der selbst als Kandidat zur Präsidentenwahl im vergangenen November angetreten war, bereits damals spekuliert haben, dass Herrich nach einer Wiederwahl Dreschers trotz laufenden Vertrags entlassen würde. Dass Boldt dazu ein Angebot von Schalke 04 abgelehnt, sich aber inzwischen zu einem zweiten Gespräch mit Verantwortlichen von Hertha BSC verabredet habe, wurde dabei als profundes Interesse des Mannes gewertet, der auch zwölf Jahre für Bayer Leverkusen gearbeitet hat. Trotz seines letztlich gescheiterten Aufstiegsprojekts beim HSV genießt Boldt dabei immer noch einen guten Ruf in der Fußballszene und könnte mit modernerem Führungsstil beziehungsweise weniger Verbindungen zu den älteren Seilschaften im Verein bei den „Bernstein-Getreuen“ um Präsident Drescher so zum Wunschkandidaten für den Posten des CEO geworden sein. Die neueste Entwicklung bei Hertha BSC jedoch dürfte für weitere Unruhe sorgen – denn am Abend nach dem Sieg in Ulm wurde der Rücktritt von Neuendorf bekannt. „Ich bin davon überzeugt, dass der eingeschlagene (Berliner) Weg der richtige ist“, wurde der Ur-Herthaner „Zecke“ da zitiert – aber: „Ab jetzt ohne mich.“