Der Gasverbrauch in Deutschland sinkt – vor allem dank milder Temperaturen. Die Bundesnetzagentur bittet dennoch weiter darum, den Gasverbrauch zu senken, zu Recht: Denn wird nicht gespart, steigt der Preis wieder.
Billiges Gas im Anmarsch – nur eben nicht sofort: Im September sank der Gaspreis erstmals nach Monaten einer Preisrallye, die vor allem durch Angst am Markt entstanden war. Weil sich nun Gasspeicher füllen und sich sichere Nachschubrouten etablieren, sinkt die Angst trotz der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines – teils so deutlich, dass der Preis sogar unter den des Vorjahres fällt. Der Gaspreis liegt so zum Teil wieder bei der Marke von 2021: Im Oktober 2021 kostete eine Megawattstunde, laut dem Central European Gas Hub (CEGH), am für Europa wichtigen Markt für Terminkontrakte circa 92 Euro. Mittlerweile liegt der Preis nach zwischenzeitlichen Höhenflügen wieder bei unter 100 Euro für längerfristige Kontrakte, am kurzfristig agierenden Spotmarkt sogar bei 30 Euro. Dennoch: Der derzeit niedrige Gaspreis wirkt sich auf aktuelle Rechnungen erst sehr viel später aus.
Die Versorger deckten sich für ihren Energiebedarf in der Regel größtenteils mit langfristigen Termingeschäften ein und nur zum kleinen Teil mit Einkäufen am kurzfristigen Spotmarkt. „Selbst wenn mancher Versorger vor Kurzem noch mit etwas höheren Einkaufspreisen gerechnet hat und jetzt etwas weniger zahlen muss, so fließt das erst mal in seine allgemeine Kostenkalkulation ein", erklärt Matthis Brinkhaus vom Energie-Analysten Energy Brainpool. Direkte Preissenkungen an die Kunden gebe es nicht, zumal die „Preisanpassungen" üblicherweise nur einmal im Jahr durchgeführt werden. Nur industrielle Großverbraucher, deren Tarif teilweise an die aktuelle Marktpreisentwicklung gekoppelt ist, könnten dank der aktuellen Preissituation etwas entlastet werden.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass Gas und Strom sparen nun entfällt, im Gegenteil. Derzeit verbrauchen Deutschlands Haushalte und Unternehmen das teuer eingekaufte Gas, es wird verheizt oder verstromt. Gaspreisbremse und Einmalzahlungen sollen den Verbrauch des teuren Gases bis zum Frühjahr überbrücken. Die politische Frage lautet: wie dies gestalten und vor allem wann zahlen? Im Dezember, sagt die von der Bundesregierung eingesetzte Gaspreiskommission, könnte eine Einmalzahlung des monatlichen Abschlags den Haushalten durch die kalte Jahreszeit bis zu einer gesetzlichen Gaspreisbremse herüberhelfen. Und, vielleicht, eine erneute Einmalzahlung im Januar. Deutschlandweit liefern 900 Unternehmen Gas zu fast 40 Millionen Verbrauchern. Die wirtschaftlichen Verflechtungen sind kompliziert, die Umsetzung einer Gaspreisbremse entsprechend ebenso. Die Bundesregierung möchte den Start von März auf Januar vorziehen. Versorger schließen laut dem Bund der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW einen früheren Start als März für die Gaspreisbremse ganz aus – er sei „technisch-administrativ in so kurzer Frist" nicht umsetzbar.
Niedrige Gaspreise erst später spürbar
Der gegenwärtige Vorschlag für die Preisregelung sieht vor, dass für 80 Prozent des Gasverbrauchs, den der Versorger im September 2022 für das gesamte Jahr berechnet hat, zwölf Cent pro Kilowattstunde anfallen. Geht der Verbrauch über diese berechneten 80 Prozent hinaus, wird für den überschüssigen Anteil der Preis fällig, der im Versorgungsvertrag steht. Wer weniger verbraucht, muss nichts zurückzahlen, so soll der Anreiz zum Sparen noch erhöht werden. Diese Bremse soll laut Vorschlag der Kommission für sogenannte Standardlastprofile gelten – also für Privathaushalte, Kleingewerbe, Handwerksbetriebe.
Aktuell sind die Gasspeicher in Deutschland, von denen es hierzulande so viele wie in keinem anderen europäischen Land gibt, auch aufgrund der Intervention des Bundeswirtschaftsministeriums, zu fast 98 Prozent gefüllt. Dabei handelt es sich um einen Durchschnittswert, einige sind bereits zu 100 Prozent voll. Daher sinkt die Nachfrage aus Deutschland. Trotzdem sollte gespart werden, sicherheitshalber, sagt die Bundesnetzagentur. Ende September war der private wöchentliche Verbrauch wegen eines frühen Kälteeinbruchs relativ hoch. Mittlerweile, angesichts milder Oktoberwitterung, sank er gegenüber dem Vorjahr um fast die Hälfte. Auch die Industrie spart nach Angaben der Bundesnetzagentur gegenüber dem Vorjahr, das noch von den Ausläufern der Corona-Lockdowns geprägt war, und trägt zu dem geringeren Gasverbrauch bei.
Für den Markt eine gute Nachricht, entsprechend geben die Preise nach. Aber wahrscheinlich nicht lange. Ein spürbarer Preisanstieg ist auch 2023 wahrscheinlich, denn vor allem die Preise für kurzfristige Gaskäufe sind nur eine Momentaufnahme. Je kälter es wird, desto höher wird der Gasverbrauch steigen, desto eher leeren sich die Gasspeicher wieder und es muss nachgekauft werden. Bleiben die Sparanstrengungen in Deutschland trotzdem hoch, wird der Markt dies mit günstigeren Preisen honorieren. Sinkt der deutsche Speicherstand schneller als erhofft, könnte der Preis wieder durch die Decke gehen und sogar eine Gasmangellage ausgerufen werden. Terminkontrakte für garantiere Lieferungen für die ersten Monate des Jahres 2023 liegen am europäischen Markt wieder bei 136 Euro – mehr als jetzt und damit ein Zeichen dafür, dass der Markt weiter in moderatem Maße eine Mangellage in Deutschland vermutet.
Dennoch kommt Deutschland möglicherweise ohne Mangellage, also Gas-Rationierungen für Firmen, durch den Winter. Dafür hat die Bundesregierung bereits vorgesorgt – der Notfallplan des Bundeswirtschaftsministeriums sieht vor, dass im Notfall die Bundesnetzagentur Gas verteilt. Krankenhäuser, andere soziale Einrichtungen und private Haushalte sind vor dem Abschalten geschützt. Darüber hinaus gebe es jedoch keine Regelung oder eine Abschaltlogik, alle Entscheidungen dieser Art seien „Einzelfallentscheidungen", teilt die Bundesnetzagentur mit. Wie sich der Preis weiter entwickeln und damit die Rechnung 2023 aussehen wird, ist Kaffeesatzleserei. Klar ist, der Gaspreis bleibt instabil. Letztlich hat jeder Verbraucher es jedoch selbst in der Hand, wie viel er zahlen muss – daran hat sich auch in der Krise nichts geändert.