Wissenschaftlern ist ein Durchbruch in der Parkinson-Forschung gelungen. Sie haben ein neues Biomarker-Testverfahren entwickelt, das die Erkrankung noch vor Auftreten erster Symptome nachweisen kann.
Der selbst von Parkinson betroffene Schauspieler Michael J. Fox hat einen nicht unbeträchtlichen Anteil an dem jüngsten Durchbruch in der Parkinson-Forschung. Schließlich wurde die bahnbrechende Studie, an der Forscher aus den USA, Deutschland und Israel beteiligt waren, von der Michael J. Fox Foundation for Parkinson’s Research (MJFF) gefördert, die bislang schon stolze 1,75 Milliarden Dollar in die Erforschung von Morbus Parkinson, der nach Alzheimer zweithäufigsten neurodegenerativen Erkrankung, investiert hat. Große Hoffnungen wurden dabei vor allem auf die von Fox initiierte Parkinson’s Progression Markers Initiative (PPMI) gesetzt. Diese hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Biomarker für das möglichst frühzeitige Erkennen der Erkrankung zu finden. Michael J. Fox: „Ich bin von diesem Durchbruch tief bewegt und den Forschern, Studienteilnehmern und Geldgebern, die sich bemüht haben, uns so weit zu bringen, unendlich dankbar. Als wir mit PPMI begannen, haben wir nicht nach Fischen geangelt – wir waren auf der Jagd nach einem Wal. Jetzt sind wir hier. Gemeinsam machen wir eine Heilung von Parkinson unausweichlich.“ Womit der Schauspieler große Hoffnungen bei den Betroffenen wecken dürfte, deren Zahl allein in der Bundesrepublik laut Angaben der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) bei rund 400.000 anzusiedeln ist.
Bislang konnte das fatale Endstadium der Krankheit mit den abgelagerten Verklumpungen des fehlgefalteten Eiweißes Alpha-Synuclein in einer bestimmten Region des Mittelhirns namens Substantia nigra (schwarze Substanz) zu Lebzeiten eines Betroffenen nicht direkt nachgewiesen werden. Die Folgen hingegen sind hinlänglich bekannt: das Absterben spezieller Nervenzellen, die für die Produktion des zur Bewegungssteuerung nötigen Neurotransmitters Dopamin verantwortlich sind. In der Regel pflegen Betroffene erst dann einen Arzt oder eine Klinik aufsuchen, wenn die typischen motorischen Symptome wie Bewegungsverlangsamung (Fachbezeichnung: Bradykinese), Steifigkeit (Rigor) und Ruhezittern (Ruhetremor) schon offenkundig sind und das Zerstörungswerk in den Nervenzellen des Gehirns breits irreversibel weit fortgeschritten ist.
Neues Testverfahren mit Hirnwasser
Die Diagnose konnte daher bislang erst zu einem viel zu späten Zeitpunkt erstellt werden. Um früher einschreiten, rechtzeitig vor der Zerstörung der Dopamin produzierenden Neuronen effiziente Therapie-Maßnahmen einleiten zu können, fehlte bislang ein Bio-Marker, mit dessen Hilfe die Krankheit schon im Anfangsstadium hätte erkannt werden können.
Statt direkt im Mittelhirn konnte ein internationales Forscherteam unter Federführung des Neurologen Dr. Andrew Siderowf von der University of Pennsylvania in Philadelphia das fehlgefaltete Alpha-Synuclein-Protein nun an anderer Stelle nachweisen, und zwar im Hirnwasser, das den insgesamt 1.123 an der Studie beteiligten Probanden zwischen Juli 2010 und Juli 2019 mittels einer Rückenmarkspunktion entnommen worden war.
Unter den Probanden waren 545 Personen bereits an Parkinson erkrankt, dazu gab es eine 163 Personen umfassende Kontrollgruppe gesunder Personen. Weitere Probanden wiesen typische Parkinson-Vorformen wie Riech- oder Schlafstörungen sowie auch genetische Risikofaktoren ohne bereits manifestiertes Krankheitsbild auf.
Mittels eines neuen Testverfahrens namens Alpha-Synuclein Seed Amplification Assay (SAA) konnten die Hirnwasser-Proben auf das eventuelle Vorhandensein des fehlgefalteten Proteins untersucht werden. Über alle untersuchten Probandengruppen hinweg lag die Trefferquote auf das fehlgefaltete Protein bei 88 Prozent. Bei 88 von 100 Teilnehmern wurden also Parkinson-Patienten korrekt erkannt. Auch der Wert bezüglich der sogenannten Spezifität des SAA war mit 96,3 Prozent rundum zufriedenstellend, weil damit wegen des fehlenden Proteins fast 97 von 100 Proben aus der gesunden Kontrollgruppe als korrekt negativ erkannt worden waren. Bei Probanden mit einer Parkinson-Vorform war die Höhe der Protein-Trefferquote stark von dem jeweiligen Symptom abhängig. Diese unterschiedlichen Sensitivitäten wurden als Hinweis auf die unterschiedlichen Wege gedeutet, über die sich das fehlgefaltete Alpha-Synuclein im Nervensystem ausbreitet.
Bei den meisten Probanden mit einer Parkinson-Vorform, bei denen das Protein im Hirnwasser nachgewiesen werden konnte, hatte es noch keinerlei Hinweise auf etwaige Veränderungen der Nervenzellen in der Substantia nigra gegeben. Bei ihnen könnte die Entdeckung des fehlgefalteten Alpha-Synucleins im Hirnwasser daher ein früher Hinweis auf die im Entstehen begriffene Erkrankung sein – und damit als zentraler Angriffspunkt für gänzlich modifizierte künftige Therapien genutzt werden. „Da es derzeit tatsächlich erste Studien mit Impfungen gegen fehlgefaltete Formen des Alpha-Synucleins gibt, stehen wir vor der großen Herausforderung, vorherzusagen, bei welchen Patienten besonders viel von dem fehlgefalteten Alpha-Synuclein vorliegt, welches das Fortschreiten der Erkrankung treibt“, so Dr. Kathrin Brockmann, Oberärztin und Leiterin der Parkinson-Ambulanz am Universitätsklinikum Tübingen und Mitglied im Vorstand der DPG.
Erste Studien mit Impfungen
Das Tübinger Parkinson-Forschungsteam konnte zur Ergänzung der internationalen Studie den Hinweis liefern, dass im Hirnwasser von Parkinson-Patienten mit genetischen Veränderungen je nach betroffenem Gen ganz unterschiedliche Alpha-Synuclein-Profile auftauchen. „Es ist gelungen, neben klaren erblichen Formen auch wichtige genetische Risikofaktoren zu identifizieren“, so Dr. Brockmann. „So kennen wir neben den seltenen Mutationen in den Genen LRRK2, Parkin und Pink1 vor allem Mutationen im GBA-Gen als derzeit wichtigsten genetischen Faktor für die Parkinson-Erkrankung. Die Kenntnis über die im Rahmen von genetischen Mutationen beteiligten Stoffwechselwege wird zu vielversprechenden Entwicklungen im Bereich der krankheitsmodifizierenden und -spezifischen Therapieentwicklung beitragen.“
Dr. Brockmann und die DPG sind sich einig in der Einschätzung, dass das zentrale Resultat der Studie mit dem fehlgefalteten Protein im Hirnwasser als Biomarker und dem neuen Testverfahren einen Durchbruch in der Parkinson-Forschung darstellt: „Dieses Ergebnis komplexer methodischer Entwicklungen der letzten Jahre ist ein Meilenstein für die Parkinson-Forschung sowie ein Durchbruch im Biomarker-Bereich und für die Entwicklung von neuen Therapien“, so Dr. Brockmann. „Wir können durch diesen Test nun direkt für jeden Patienten individuell sagen, ob das verklumpte Alpha-Synuclein vorliegt. Damit wird nicht nur die Diagnosestellung, sondern auch die Planung von Parkinson-Studien und schlussendlich die Behandlung der Patienten deutlich verbessert. Der Test wird zukünftig sicher als Screening-Untersuchung genutzt werden.“
Allerdings wird es von der internationalen Forschung allgemein als wünschenswert angesehen, den bislang nur mittels Hirnwasser funktionierenden Test auch mithilfe weniger invasiver Methoden auf Basis von Blut, Haut oder Schleimhaut durchführen zu können. Entsprechende Studien sollen schon in Arbeit sein.
Enthusiastisch hatte sich im Namen von Michael J. Fox auch Prof. Kenneth Marek, Präsident am Institut für Neurodegenerative Erkrankungen und Neurologie an der Yale University und leitender PPMI-Forscher, geäußert: „Die Validierung dieses Biomarkers läutet eine neue biologische Ära in der Parkinson-Forschung ein. Mithilfe von Alpha-Synuclein-SAA können wir bereits jetzt neue Erkenntnisse über die Parkinson-Krankheit gewinnen, die jeden Aspekt der Arzneimittelentwicklung und letztlich der klinischen Versorgung verändern werden. Wir werden schnell in der Lage sein, neue Therapien in den richtigen Bevölkerungsgruppen zu testen, die richtige Therapien zum richtigen Zeitpunkt auf den richtigen Patienten auszurichten und Studien mit Wirkstoffen zu starten, die das Potenzial haben, die Parkinson-Krankheit gänzlich zu verhindern.“