Alexander von Humboldt soll Hann. Münden als eine der sieben am schönsten gelegenen Städte der Welt bezeichnet haben. Der Ort liegt umgeben von sanftem Mittelgebirge und verwunschenen Wäldern, in denen schon die Brüder Grimm den Stoff für ihre Märchen fanden.
Es gibt in Deutschland Städte mit merkwürdigen Namen. Hann. Münden im Weserbergland gehört dazu. Im Süden von Niedersachsen, grenznah zu Hessen, unweit von Thüringen liegt der Ort mit etwa 25.000 Einwohnern. Den Namenszusatz erhielt die Stadt vom ehemaligen Königreich Hannover, um eine Verwechselung mit der ähnlich klingenden Stadt Minden zu vermeiden. Dies wurde dann ganz offiziell 1991 durch einen Ratsbeschluss noch einmal festgestellt. Doch noch immer ist im Verkehrsfunk mancher Radiosender auch ein Hannoversch-Münden oder Hannöversch-Münden zu hören, was die Einwohner der beschaulichen Fachwerkstadt, die ein staatlich anerkannter Erholungsort ist, nicht weiter juckt. Sie nennen sich einfach weiter Mündener.
Obgleich nicht wirklich belegt, soll Alexander von Humboldt Hann. Münden als eine der sieben schönstgelegenen Städte der Welt bezeichnet haben und ja, sehenswert ist dieses Städtchen auf jeden Fall. Der Ort liegt an der Deutschen Fachwerkstraße und an der Märchenstraße, umgeben von sanftem Mittelgebirge und verwunschenen Wäldern, in denen schon die Gebrüder Grimm Anregungen und Stoff für ihre Märchen fanden.
Vielleicht bekannter ist Hann. Münden jedoch als Drei-Flüsse-Stadt und die Älteren werden sich an den Erdkunde- oder Heimatkundeunterricht erinnern, wo der Lehrer mit dem Zeigestock gegen die Landkarte klopfte und das romantische Flussgedicht von 1899 zitierte: „Wo Werra sich und Fulda küssen / Sie ihren Namen büssen müssen / Und hier entsteht durch diesen Kuss / Deutsch bis zum Meer der Weser Fluss“. Eingemeißelt und nachzulesen vor Ort am Weserstein unter einer großen Kastanie mit schattiger Rundbank.
Imposantes Welfenschloss
Und tatsächlich ist Hann. Münden fast vollständig von Wasser umgeben. Erstmals 1183 urkundlich erwähnt, entwickelte sich der Flecken wegen dieser günstigen Lage an Werra und Fulda zu einer wichtigen Handelsstadt. Um 1200 wurde mit dem Bau der Stadtmauer, der Tore und Mauertürme begonnen und mit der Verleihung des Stapelrechts knapp 50 Jahre später kam der Handel erst richtig in Schwung. Ganz hilfreich war dabei eine Untiefe in der Werra, die die Schiffer dazu zwang, ihre Waren erst einmal am Anlegeplatz abzuladen. Das Stapelrecht verpflichtete nun die durchreisenden Kaufleute, ihr ganzes Gut zunächst den Mündener Bürgern anzubieten, und dieser erzwungene Zwischenhandel brachte Reichtum und Wohlstand in die Drei-Flüsse-Stadt. Gekauft und verkauft wurden auf der Strecke zwischen Thüringen und Bremen vor allem Glas, Textilien, Holz und Fische und noch heute sind am westlichen und nördlichen Altstadtrand die ehemaligen Umschlags- und Anlegeplätze an Werra und Fulda, Schlagden genannt, zu erkennen. Durch den Bau einer Steinbrücke über die Werra waren die Furten und Handelswege alsbald noch besser zu kontrollieren. Ab dem 16. Jahrhundert gewann das Töpferhandwerk an Bedeutung, das die Weserkeramik für Ofenkacheln prägte. Dass sich Hann. Münden im Mittelalter zu einem politischen und kommerziellen Knotenpunkt entwickelt hatte, beweist auch der imposante Bau des Welfenschlosses. Herzog Erich I. ließ es ab 1501 als seine Residenz am Ufer der Werra errichten, nach einem Brand wurde das Schloss ab 1570 wieder aufgebaut. Heute beherbergt es unter anderem das Stadtmuseum.
Die Stadt verdient sich ihre Sehenswürdigkeit aber vor allem als mittelalterliche Fachwerkstadt. Hann. Münden war im Dreißigjährigen Krieg durch Truppen des Feldherrn Tilly besetzt, der 1626 einen Großteil der Bevölkerung niedermetzeln ließ, und im Siebenjährigen Krieg war der Ort von französischen Truppen besetzt. Auch überschwemmte 1909 ein Hochwasser große Teile der Innenstadt – ansonsten aber blieb die Drei-Flüsse-Stadt von Kriegsschäden, Bränden und anderen Katastrophen weitestgehend verschont. Und diesem Glück ist es zu verdanken, dass mehr als 700 Fachwerkhäuser aus sechs Jahrhunderten bis heute auf engstem Raum zu bewundern sind. Die reichen Bürger versteckten ihren Wohlstand nicht, sondern schmückten die Fassaden ihrer Häuser mit Inschriften, Erkern, historischen Türen und Portalen. Viele dieser Gebäude wurden in den vergangenen Jahren sorgfältig renoviert. Die Altstadt von Hann. Münden ist als Flächendenkmal ausgewiesen und wurde mehrfach ausgezeichnet.
Zwischen den teilweise engen und verwinkelten Gassen ragt das Rathaus heraus, ein typisches Bauwerk der Weser-Renaissance. Dieser Begriff kennzeichnet die Architektur im 16. Jahrhundert entlang der Weser sowie Bauwerke in der Gegend zwischen Wolfsburg und Paderborn, die gemeinsame Merkmale haben: stark gegliederte Fassaden, Erker, Ornamente und geschwungene Giebel, Wesersandstein als Baumaterial. Die schmucke Fassade des Rathauses gilt als eine der schönsten aus dieser Zeit und über dem auffallend verzierten Hauptportal ist eine lateinische Inschrift eingeschnitzt: „Die schönste der Tugenden ist die Gerechtigkeit. Liebt die Gerechtigkeit, die ihr das Land regiert.“ Hier hat auch die Touristen-Information ihren Sitz.
Dreimal pro Tag erklingt vom Giebel des Rathauses ein Glockenspiel, das dem berühmten Doktor Johann Andreas Eisenbarth (1663–1727) gewidmet ist. Er gilt als berühmtester Wanderarzt der Barockzeit und genoss einen zweifelhaften Ruf als Quacksalber und Kurpfuscher. Vollkommen zu Unrecht, denn in Wirklichkeit war er ein Handwerkschirurg, ein Meister seines Faches und ist heute Teil der seriösen Medizingeschichte. Zu seiner Zeit war er im gesamten deutschen Sprachgebiet unterwegs und erhielt von zehn deutschen Fürstentümern das Privileg zur Behandlung der einheimischen Bevölkerung. Seinen zwielichtigen Ruf verdankt er womöglich Neidern und Konkurrenten. Doktor Eisenbarth verstarb auf der Durchreise in Hann. Münden und sein Grabstein ist an der Nordseite der St.-Aegidien-Kirche zu besichtigen.
Großes Wander- und Radwegenetz
Auch die St. Blasius Kirche, ein denkmalgeschütztes dreischiffiges gotisches Gotteshaus inmitten der Altstadt, ist einen Besuch wert. Umgeben von all den historischen Häusern glaubt man sich angesichts dieses Ensembles um Jahrhunderte zurückversetzt. Aber, so merkwürdig es klingt: Wer einen ausführlichen Stadtbummel mit dem Besuch all der Sehenswürdigkeiten genießen will, der sollte dies vielleicht nicht gerade für das Wochenende und in der sommerlichen Feriensaison planen. Dann drängen sich zahlreiche Besucher aus den umliegenden Großstädten und die Fahrradtouristen durch die Gassen, denn Hann. Münden ist auch eine Drehscheibe zahlreicher Radfernwege und Ausgangspunkt des beliebten 515-Kilometer-Weserradwegs, der bis nach Cuxhaven an der Nordsee führt.
Wer den schönsten Blick auf die Drei-Flüsse-Stadt genießen will, erklimmt in einer guten halben Stunde von der Altstadt aus die Tillyschanze mit ihrem 25 Meter hohen Aussichtssturm. Wer von hier aus den Blick über die Landschaft schweifen lässt, bekommt vielleicht auch Lust, die Umgegend von Hann. Münden zu erkunden. Hier gehört der Qualitätsnaturpark Münden zu den ältesten Naturparks Deutschlands und bietet ein riesiges Wanderwege-Netz von insgesamt 450 Kilometern Länge, vorbei an imposanten Burgen und Schlössern, idyllischen Flussauen, bizarren Steilhängen und Moorlandschaften mit einer vielfältigen Fauna und Flora.