Dass die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel in diesem Städtchen ihre Kindheit und Jugend verbrachte, wäre allein noch kein Grund, Templin zu besuchen. Auch ohne Prominenz kann dieser Ort mit vielen Sehenswürdigkeiten überzeugen.
Die Kleinstadt mit ihren rund 16.000 Einwohnern liegt zwischen zwei großen Schutzgebieten, dem Naturpark Uckermärkische Seen und dem Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, inmitten einer von Seen durchzogenen Landschaft im nördlichen Brandenburg, dünn besiedelt, mit viel Platz zum Luftholen und Entschleunigen. In grauer Vorzeit war die Gegend von slawischen und germanischen Stämmen besiedelt und verdankt ihnen ihren Namen. „Tempen“ bedeutete in germanischen Sprachen „spitzer Hügel“, während die Endung -lin im Slawischen so viel meint wie „am Wasser gelegen“. Nachdem die Germanen die Slawen verdrängt hatten, wurde die Uckermark ein lange umkämpftes Grenzgebiet zwischen den Herzögen von Pommern und Mecklenburg sowie den Markgrafen von Brandenburg. Sie alle versuchten, Kolonisten anzusiedeln, Klöster zu gründen und Städte zu bilden, bewährte Maßnahmen zur Herrschaftssicherung. Das übliche Muster der Eroberung. Zwar ist das genaue Jahr der Stadtgründung nicht bestimmbar, aber es ist anzunehmen, dass Templin das Stadtrecht um 1240/50 erhielt. Auf erhöhtem Gelände, umgeben von sumpfiger Landschaft, ließ sich der Ort – an der Kreuzung wichtiger Handelsstraßen – gut verteidigen. Handwerker, Kaufleute und Bauern aus dem Harzgebiet und der Altmark waren die ersten Bewohner, fischreiche Seen, Wälder und Wiesen boten ein sicheres Einkommen.
Der Eulenturm war ein Gefängnisturm
Wer heute nach Templin kommt und den Weg in die beschauliche Innenstadt sucht, wird als Erstes auf die 1,7 Kilometer lange, mittelalterliche Stadtmauer aus dem Jahre 1314 stoßen. Von der Eiszeit glatt geschmirgelte Felsbrocken dienten als Baumaterial; eine Mauer aus Granit, errichtet für die Ewigkeit. Es lohnt sich, an der Mauer entlangzuspazieren, denn viele Sehenswürdigkeiten sind hier wie Perlen aufgeschnürt oder kaum einen Steinwurf weit entfernt. Es fallen sofort die sogenannten Wiekhäuser auf, halbrund und nach außen gewölbt, die es so den Wachleuten erlaubten, die Mauer besser im Blick zu behalten. Von den in einem Abstand von 25 bis 30 Meter eingebauten Wiekhäusern sind noch 50 erhalten, und gut zu erkennen sind die Schießscharten in der oberen Etage, die nach allen Seiten ausgerichtet sind. Das Fundament des Walls reicht bis zu zwei Meter in die Tiefe, sodass eine feindliche Untergrabung unmöglich war. Vor allem aber beeindrucken die drei gotischen Backsteintore, überbaut mit blendenverzierten Türmen, die das städtische Selbstbewusstsein Templins im Mittelalter bezeugen. Das Berliner Tor ist wohl das imposanteste von allen: dreigeschossig, mit einer repräsentativen Fassade zur Stadtseite, gilt es als Meisterwerk seiner Art. Der Eulenturm hingegen diente ganz anderen Zwecken. Er war ein Gefängnisturm, der in großer Höhe nur über eine Leiter betreten werden konnte, sodass der verurteilte Bösewicht mit einer Strickleiter herunter gelassen wurde.
Nicht immer ging es dem Städtchen gut. Arg gebeutelt wurde Templin besonders im Dreißigjährigen Krieg, als die Stadt von dänischen Truppen belagert wurde. Auch die durchziehenden Schweden betrachteten die ganze Gegend als Feindesland und plünderten es gnadenlos aus. Zusätzlich wurde die Bevölkerung durch schwere Pestepedemien dezimiert. Vom Berliner Tor aus sind es nur wenige Schritte zur St. Georgenkapelle. Dieses älteste Haus der Stadt aus dem 14. Jahrhundert überstand alle Kriegswirren und Brände und zeugt von der wechselhaften Geschichte Templins. Ursprünglich ein Hospital, diente es später den aus Frankreich geflohenen Hugenotten als Stätte ihres Glaubens, um 100 Jahre später von Napoleons Soldaten als Pferdestall genutzt zu werden. Im Innenraum ist heute ein spätgotischer Schnitzaltar zu bewundern ebenso wie eine anmutige Holzplastik aus dem 16. Jahrhundert. Sie stellt den Schutzpatron Georg dar, der in voller Rüstung den Kampf mit dem Drachen aufnimmt.
Spätgotischer Schnitzaltar
Wie die meisten Städte des Mittelalters war auch Templin immer wieder Opfer verheerender Brände. Holz und Stroh als übliches Baumaterial bot dem Feuer stets reichlich Nahrung. Erst Friedrich Wilhelm I., Vater von Friedrich dem Großen, ordnete an, dass beim Wiederaufbau nach der letzten Brandkatastrophe die Gassen verbreitert und neue Häuser eine Traufausrichtung zur Straße haben mussten. Zudem wurde eine Feuerlöschordnung erlassen: Die Bürger der Stadt mussten künftig eine hölzerne Feuerspritze und einen ledernen Beutel in ihrem Haus einsatzbereit halten und dies wurde auch regelmäßig kontrolliert.
Wer nun die Stadtmauer umrundet hat, sollte die Erkundung des Zentrums am Markt beginnen. Hektische Betriebsamkeit, all dieses nervtötende Gewusel gibt es hier einfach nicht. Man schlendert, schwatzt und lässt sich Zeit mit allem. Ach, wie erholsam ist doch die Provinz! Hier konzentriert sich das Leben des Städtchens. Seine gesamte Anlage erhielt der Markt nach dem letzten großen Brand von 1735. In der Mitte des quadratischen Platzes, der von einer Lindenallee umgeben ist, steht nun eines der schönsten Rathäuser Brandenburgs, ein an allen Seiten symmetrisch gegliederter Bau im Stil des ausgehenden Barock. Die Fassadengestaltung übernahm Johann Gottfried Kemmeter, der bereits zuvor am Schloss Rheinsberg gewirkt hatte. Auf dem Glockenturm schwingt ein Adler seine Flügel, das Wappentier Templins. Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, wurde das Rathaus 1966 wieder aufgebaut und erstrahlt in altem Glanze. Hier ist auch die Touristeninformation untergebracht.
In Templin lässt sich alles zu Fuß erreichen. So ist es auch nicht weit in den Norden der Altstadt, wo ein ebenso beeindruckender Bau errichtet wurde. Die Pfarrkirche St. Maria-Magdalenen, sie steht irgendwie schief, fügt sich nicht ein in das vorherrschende rechtwinkelige Straßenmuster. Das hat einen besonderen Grund: Als die Kirche 1735 bis 49 errichtet wurde, hielt sie sich an den Grundriss des ursprünglichen Gebäudes aus dem 13. Jahrhundert, dessen unterer Teil des Turms erhalten geblieben war und noch heute am Feldsteinsockel des Turmes und der Sakristei erkennbar ist. Im Vergleich zu anderen Kirchenbauten der Uckermark ist das Templiner Gotteshaus eher untypisch. Der 70 Meter hohe Glockenturm mit seiner Spitzhelm-Laterne wirkt fast verspielt, außergewöhnlich im protestantisch strengen Brandenburg.
Wechselvolle Geschichte
Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Preußen neue Hauptverkehrsstraßen angelegt oder ausgebaut wurden, schien man in Berlin die kleine Stadt in der Uckermark zunächst vergessen zu haben. Direkte Anbindungen an die Verkehrsknotenpunkte Berlin und Stettin gab es nicht und verschiedene Versuche, in der Stadt Industrie anzusiedeln, schlugen fehl. Seidenraupenzucht, Maulbeerbaumplantagen und eine Mützen- und Strumpfmanufaktur rentierten sich nicht. Erst mit dem Anschluss an das Eisenbahnnetz verbesserte sich die wirtschaftliche Lage und zu dieser Zeit wurde auch der Grundstein für den Fremdenverkehr gelegt. Die Reichsbahn ermöglicht nach dem Bau eines zweiten Bahnhofes „Templin Vorstadt“ die Anreise vieler Besucher und seit 1888 nennt sich Templin „Luftkurort“.
Die beiden Weltkriege haben die Stadt in ihrer Entwicklung immer wieder zurückgeworfen. Am 6. März 1944 zerstörte ein Luftangriff der Alliierten binnen einer Minute 60 Prozent der Innenstadt. Aber heute ist davon nichts mehr zu bemerken. Schon zu DDR-Zeiten konzentriert man sich ab 1969 wieder auf den Ausbau des Fremdenverkehrs. Die Fahrgastschifffahrt wird wiedereröffnet, ein Freizeitzentrum entsteht, Zeltplätze werden angelegt und gewerkschaftliche und betriebliche Erholungseinrichtungen werden geschaffen. Nach der Wende begann die behutsame Sanierung des Stadtkerns und immer mehr Geschäfte und Restaurants in der Innenstadt luden nun wieder zum Verweilen und Bummeln ein.
Auch für Wasserfreunde ist Templin einen längeren Aufenthalt wert. Die Stadt ist über den Templiner Kanal, den Röddelinsee und kleinere Gewässer mit der Havel verbunden und wer nicht aktiv Sport betreiben möchte, kann eine zweistündige Fünf-Seen-Tour mit dem Dampfer unternehmen. Provinz von ihrer besten Seite – das ist Templin!