Als druckvoller Drummer der Band Genesis und erfolgreicher Solo-Künstler, Songschreiber und Produzent gehört er zu den meistverkauften Pop-Musikern. Aus gesundheitlichen Gründen musste er ab 2011 seine Live-Auftritte reduzieren und auf das Schlagzeugspielen verzichten. Der 73-Jährige plant jetzt neue Songs und kann sich sogar eine Genesis-Reunion vorstellen.
Im Jahr 2007 wollte der erfolgreiche Solo-Künstler Phil Collins natürlich bei der Reunion seiner Band Genesis dabei sein. Und ausgerechnet als er sich bei einem Konzert mit einem Kollegen ein Schlagzeugbattle lieferte, erlitt er eine schwere Wirbelsäulenverletzung. Nach mehreren Operationen kamen Nervenschäden, Depressionen, Hüft- und Hörprobleme und Beeinträchtigungen beim Gehen sowie an der linken Hand hinzu, die seine Live-Karriere abrupt stoppten. Schlagzeugspielen ist ihm seitdem nicht mehr möglich. „Ich habe es in den letzten sechs, sieben Jahren nicht mehr probiert“, verriet er vor ein paar Wochen der Musikzeitschrift „Rolling Stone“. In einem BBC-Interview bedauerte er noch vor ein paar Jahren, dass er eigentlich kein Instrument mehr richtig spielen und auch kein Mikrofon mehr fest greifen könne. „Es gibt physische Dinge, die mir im Wege sind.“ Trotzdem macht Collins, der zur Fortbewegung häufig Gehstützen benötigt, mit der Musik weiter und tüftelt in seinem Studio an neuen Songs, auch wenn er nach den Worten seines Genesis-Kollegen Mike Rutherford zu Hause heute vor allem sein ruhigeres Leben genießt.
2010 war Phil Collins letztes Solo-Album „Going Back“ mit Motown-Coversongs erschienen, danach folgten mehrere Neuabmischungen früherer Alben. Im September 2024 wird nun eine in den Abbey-Road-Studios remasterte, üppig ausgestattete Deluxe-Box seines fünften Studio-Albums „Both Sides“ von 1993 erscheinen, ergänzt durch B-Seiten, Live-Mitschnitte und eine 16-seitige Doku-Broschüre.
Linke Hand macht nicht mehr mit
2022 kehrte Collins trotz Handicap nach der gemeinsamen Welttour 2018/19 mit seinen alten Kumpels von Genesis erneut für ein paar Konzerte „in guter Stimmung“ auf die Bühne zurück, allerdings nur noch als Sänger und im Rollstuhl. Inzwischen hat Collins sich im Februar in seinem neuen Haus in Miami Beach ein Tonstudio eingerichtet und denkt ernsthaft über einen Neustart nach: „Noch vor drei Jahren war ich sicher: Ich bleibe im Ruhestand!“ Aber seine jüngsten Kinder, inzwischen 14 und elf Jahre alt, hätten ihn immer wieder gedrängt, neue Songs zu schreiben und diese live zu spielen: „Wir wollen dich auf der Bühne sehen“, forderten Matthew und Simon ihren berühmten Vater zur Rückkehr auf.
Collins ältester Sohn Nicolas, der inzwischen bei Genesis und Mike and the Mechanics gelegentlich die Drums bedient, unterstützt solche Pläne ohnehin, denn er hat mit seinem Vater schon bei gemeinsamen Auftritten auf der Bühne gestanden. „Vielleicht kann ich meine Probleme mit der Hand auch einfach lösen, indem ich zu spielen anfange, auch wenn ich nie wieder so loslegen könnte wie damals“, machte sich Phil Collins im „Rolling Stone“ selbst Mut. Seine linke Hand mache aber nicht immer mit: „Wenn es kalt wird, zieht sie sich noch mehr zusammen“, sodass er bei kälteren Open-Air-Konzerten auch nicht mehr am Flügel sitzen könne. Trotzdem kann er sich heute vorstellen, wieder ein Konzert zu geben. „Aber eine Tour kommt wohl nicht infrage.“
Konnte quasi zwei Leben führen
Collins hat nach eigenen Angaben zuletzt noch keine neuen Songs geschrieben, setzt sich nun mit seinem neuen Studio aber selbst etwas unter Druck, weil er für musikalische Abstinenz „nun keine Entschuldigungen mehr vorbringen“ könne. „Ich muss mit der Arbeit beginnen. Und das ist der klassische Ablauf: Wenn man die ersten Songs fertig hat, ist der nächste Gedanke: Daraus könnte ein Album werden“, macht der singende Drummer seinen vielen Fans Hoffnung auf eine neue Platte. Collins sieht sogar inzwischen Chancen für eine erneute Genesis-Reunion: „Die Ur-Besetzung mit Peter Gabriel wäre sicher möglich. Ich halte nur eine Wiedervereinigung in unserer Besetzung mit mir an den Drums, wie wir zuletzt mit Peter auf der Bühne gestanden haben, für unwahrscheinlich. Wer soll dann Schlagzeug spielen?“, warf er im Mai die Frage nach seiner Rolle in einer wiedervereinten Band auf.
Collins, der seit den 90er-Jahren immer wieder mal mit kurzen Rollen in Filmen und TV-Serien auftauchte, musste sich einiges an Kritik anhören, weil seine Musik manchen Experten zu flach und „mainstreamig“ erschien. Aus negativen Besprechungen hat er sich nie viel gemacht: „Ich bin keiner, der nach Hause geht und sich ärgert.“ Außerdem würden viele nur seine Balladen wie „One More Night“ oder „Against All Odds“ kennen, weil diese ständig im Radio liefen. Daraus dürfe man aber nicht auf seine musikalischen Fähigkeiten und seine Persönlichkeit schließen. Andererseits fühle er sich geschmeichelt, wenn prominente Kollegen wie Beyoncé, Adele oder Usher seine Arbeiten öffentlich loben, obwohl andere sagen, seine Musik sei nur „middle of the road oder schlicht scheiße“, betonte Collins noch im Mai im „Rolling Stone“. Er ist mit seiner Karriere zufrieden, zumal er als Musiker eigentlich zwei Leben führen konnte: Mit Genesis und als Solist habe er das Beste aus zwei Welten erlebt.