Die BR Volleys gehen mit einem Negativerlebnis in die heiße Phase der Bundesliga-Saison. Die Niederlage beim größten Titelrivalen sorgt nicht für große Verstimmung, weil sie erklärbar ist.
Für die BR Volleys ging es nur ums Prestige, für den Erzrivalen VfB Friedrichshafen um viel mehr – und so war das Ergebnis am Ende des Klassikers in der Volleyball-Bundesliga auch keine so große Überraschung. Mit 1:3 musste sich der Meister aus Berlin zum Abschluss der Zwischenrunde beim Rekordchampion vom Bodensee geschlagen geben. Es war bereits die zweite Auswärtsniederlage beim VfB in dieser Saison und auch eine Warnung für die anstehenden Play-offs. „Wenn Du verlierst, ist das immer ärgerlich. In den Play-offs wollen wir es wieder besser machen“, sagte Berlins Trainer Cédric Énard, der mit seinen Spielern aber nicht zu hart ins Gericht gehen wollte: „Ich kann meiner Mannschaft heute keinen großen Vorwurf machen. Wir haben in dieser Situation gekämpft und alles versucht. Friedrichshafen hat es mit viel Energie sehr gut gemacht.“
Rekordchampion vom Bodensee
Kein Wunder: Der große Titelrivale wollte für eine bessere Play-off-Ausgangsposition unbedingt noch auf Tabellenplatz drei klettern, was den Bayern mit dem Prestige-Sieg auch gelang. Friedrichshafen trifft damit im Viertelfinale auf Giesen. Die BR Volleys standen schon vor dem Zwischenrunden-Finale als Tabellenführer fest, sie bekommen es in der ersten K.-o.-Runde ab dem 25. März mit der TSV Haching München zu tun. Die beiden anderen Viertelfinal-Duelle heißen Lüneburg gegen Netzhoppers und Düren gegen Herrsching, gespielt wird im Modus „Best of three“.
Trotz des kleinen Rückschlags bei Friedrichshafen wäre alles andere als der siebte Titel in Folge für Berlin eine große Überraschung. Das Team von Trainer Énard besitzt mit Abstand die größte Qualität und Erfahrung, nach dem Aus in der Champions League kann sich der Favorit komplett auf die nationale Meisterschaft konzentrieren, und der Heimvorteil bis zum möglichen Finalduell ab dem 29. April spricht ebenfalls für den amtierenden Meister. Die Halbfinals beginnen ab dem 12. April.
Als größter Titelkonkurrent gelten wie in den Jahren zuvor die Friedrichshafener. Auch, weil dort in Mark Lebedew ein Trainer das Sagen hat, dem eine große Fachkenntnis zugesprochen wird. Zudem weiß der Australier als Ex-Berlin-Coach, wie man den Favoriten knacken kann. „Wir wollen Deutscher Meister werden, das ist klar“, sagte Lebedew. Er wolle den VfB wieder zu jenen „ruhmreichen Zeiten führen“, als der Club noch unumstrittener Branchenprimus im deutschen Volleyball war. „In meiner Erinnerung ist Friedrichshafen der größte und wichtigste Club im deutschen Volleyball“, sagte der Trainer, der seinen Vertrag kürzlich um zwei Jahre verlängerte. Doch er weiß auch, dass Berlin aktuell mindestens einen Schritt voraus ist: „Wir müssen uns jetzt zum Ende der Saison noch einmal steigern, um all unsere Ziele zu erreichen.“
Die Niederlage am vergangenen Wochenende war für die Berliner zumindest erklärbar. Eine „wirklich harte Reisewoche“ stecke in den Knochen der Spieler, sagte Nationalspieler Anton Brehme. Manager Kaweh Niroomand hatte den Profis dennoch ins Gewissen geredet, trotz des bereits feststehenden ersten Platzes das Spiel nicht abzuschenken – auch aus Respekt vor anderen Teams. „Hinter uns liegen die Mannschaften in der Tabelle sehr dicht beieinander“, sagte er: „Es würde mir leidtun, wenn unser Ergebnis in Friedrichshafen dann entscheidenden Einfluss auf den Tabellenstand hätte.“ Brehme hatte versprochen, dass er und seine Teamkollegen noch mal „auf die Zähne beißen“ wollten – auch aus Eigeninteresse: „Wir wollen natürlich mit einem guten Gefühl in die letzte Trainingswoche vor den Play-offs gehen.“ Das hat aber nicht ganz geklappt.
Brehme steht aktuell besonders im Mittelpunkt. Zuletzt wurde bekannt, dass der italienische Erstligist Modena Volleys großes Interesse an einer Verpflichtung des Mittelblockers hat. In dieser Personalie sei zwar nichts entschieden, wie Niroomand zuletzt betonte. Doch zwischen den Zeilen deuten die Aussagen des Geschäftsführers eher auf einen Abschied nach der Saison hin: „Wir sind immer in der Lage, Talente zu entwickeln, auf die große und finanzstärkere Vereine dann aufmerksam werden. So ist im Volleyball nun mal der Geschäftsbetrieb.“
Und dass es international Clubs mit größerem Potenzial gibt, wurde den BR Volleys in der Champions League wieder vor Augen geführt. Das Aus im Viertelfinale gegen das italienische Spitzenteam Sir Safety Perugia kam wenig überraschend, auch wenn sich der deutsche Vertreter teuer verkaufte. Vor allem beim Rückspiel, das Perugia nur mit Mühe 3:2 gewann, bewiesen die Volleys, dass sie international mithalten können. Man sei „so nah“ dran gewesen „an einer der größten Volleyball-Sensationen dieser Saison“, wie Niroomand sagte. Beim Stand von 2:1 nach Sätzen hatten die Gäste sogar die Chance, den Favoriten vielleicht noch in einen entscheidenden Golden Set zu zwingen. Doch Perugia ließ dies nicht mehr zu und profitierte auch vom 3:1-Hinspielsieg zuvor in der deutschen Hauptstadt. Dort waren den Berlinern vor der Saison-Rekordkulisse von 8.213 Zuschauern in der Max-Schmeling-Halle eindeutig die Grenzen aufgezeigt worden. Im zweiten Duell präsentierten sie sich deutlich verbessert. Das honorierten sogar die italienischen Fans, die den Gegner mit „Berlino, Berlino“-Sprechchören aus der Königsklasse verabschiedeten.
Niederlage beim VfB sollte eine Warnung sein
„Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft, mir fehlen fast die Worte“, sagte Trainer Énard hinterher. Der Franzose berichtete zudem, dass ihm viele schon nach dem einen gewonnenen Satz im Hinspiel gratuliert hätten, was ihm etwas unangenehm gewesen sei. „Ich wusste“, erklärte er, „dass mein Team noch mehr kann, auch gegen Perugia“. Seine Mannschaft habe sich im Rückspiel vor allem in mentaler Sicht völlig anders präsentiert und „mit der nötigen Lockerheit die zwei Sätze gewonnen“. Die Basis sei gewesen, dass „wir in der Block-Abwehr viel besser waren“. Trotz des Ausscheidens gegen einen der Titelfavoriten sei er „unheimlich glücklich“ für die Spieler, „die für den Club und unsere Fans eine bemerkenswerte Champions-League-Saison gespielt haben“.
Auch Nationalspieler Ruben Schott freute sich über den gelungenen Abschluss gegen „die wahrscheinlich beste Mannschaft der Welt“, wie er Perugia bezeichnete. Man habe in Annahme, Block und Abwehr lange Zeit „richtig klasse“ gespielt und könne „den Kopf hochnehmen und nach vorne blicken“. Und lernen. Denn im Angriff war auch im Rückspiel ein Qualitätsunterschied zwischen beiden Teams zu sehen. Das sei aber auch der größeren Erfahrung und besseren Eingespieltheit des Gegners geschuldet, meinte Schott: „Wenn wir drei, vier Spiele mehr im Jahr auf diesem Niveau hätten, könnten wir gewisse Situationen sicher besser lösen.“
In Deutschland werden die BR Volleys aber fast nie so gefordert wie in den Duellen gegen Perugia. In der Bundesliga reicht oft auch eine mittelmäßige Leistung zum Sieg, so etwas setzt sich fast zwangsläufig auch in den Köpfen der Spieler fest. „Wenn man in einer Liga spielt, in der nicht durchgängig hochqualifizierte Spiele stattfinden, wird es schwer“, sagte Niroomand: „Ich vergleiche das gern damit, dass man jeden Tag 90 Zentimeter springen soll und am Wochenende plötzlich 1,60 Meter schaffen muss.“ Doch die Niederlage beim VfB Friedrichshafen sollte eine Warnung sein.