Früh war BFC Dynamo zu einem Trainerwechsel gezwungen. Doch auch unter Dennis Kutrieb sucht der Regionalligist weiter den Anschluss an seine Ansprüche.
Der weinrot-weiße Anhang ist nicht gerade für besondere Feinfühligkeit bekannt – selbst, als sich der 12:0-Kantersieg des BFC Dynamo im Berliner Landespokal vor 14 Tagen gegen Kreisligist Delay Sports abzeichnete, lästerten die Fans des Regionalligisten so über den Gegner, der als Influencer-Club bekannt ist. „Ohne W-Lan habt ihr keine Chance“, war da noch die humorigste Variante. Angesichts der „drückenden Überlegenheit“ des Kontrahenten bei Instagram – Delay hat dort knapp 40-mal so viele Follower wie der BFC – wollte der Anhang des Traditionsvereins wohl das entscheidende, rein sportliche Kräfteverhältnis noch mal unterstreichen. Der Einzug ins Viertelfinale des Landeswettbewerbs mag dabei für Außenstehende wie eine Randnotiz erscheinen – doch da der BFC zuletzt nach 15 Spielen in der Regionalliga Nordost mit 22 Punkten nur auf Rang acht stand, rückt der Titel im Berlin-Pokal mal wieder deutlich in den Mittelpunkt beim früheren DDR-Rekordmeister. Nicht zuletzt, weil dieser auch einen Platz im DFB-Pokal garantiert – wo nicht nur eine größere finanzielle Einnahme winkt, sondern auch der Ruhm eines Auftritts auf nationaler Ebene. Dazu gehört der Verein im Berlin-Pokal stets zu den Topfavoriten, weshalb die Bilanz zuletzt auch mit nur einem Triumph in den vergangenen sechs Jahren vergleichsweise mau ausfällt. Also: ein bisschen viel sportliche Tristesse nach dem Geschmack von Fans und Club, der sich vor 20 Jahren beim Deutschen Fußball-Bund das Recht erstritten hat, zumindest einen Stern für seine DDR-Meistertitel auf dem Trikot tragen zu dürfen.
Rekordmeister in der DDR
Seit zehn Jahren gehört Dynamo nun der Regionalliga Nordost an – das Nadelöhr des Aufstiegs in die nationale Ebene hat sich aber bislang als zu eng erwiesen. Als 2021/22 die Meisterschaft in der Nordost-Staffel erreicht wurde, verpasste man das große Ziel dann noch in den Qualifikationsspielen gegen den Nord-Meister VfB Oldenburg. Damals wurde im Verein eine Zäsur vollzogen und Team und Trainer auf den direkten Aufstieg ausgerichtet, der zwei Jahre später turnusgemäß wieder möglich sein sollte. Doch ausgerechnet in der Startphase der Spielzeit 2023/24 ging der im Vorjahr für das Vorhaben installierte Coach Heiner Backhaus von der Fahne und folgte dem Lockruf von Alemannia Aachen. Im Nachhinein vielleicht der Knackpunkt für das erneute Verpassen des Traums – konnte man unter Nachfolger Dirk Kunert zwar erst den Anschluss an die Spitze halten, ging Dynamo im zweiten Halbjahr die Puste aus und am Ende stand Rang vier. Zeit für den nächsten Schnitt: Mit einem Trainerwechsel und einigen neuen Spielern wollte man aber trotzdem wieder in der Spitzengruppe mitmischen – auch wenn sich der BFC im Ligavergleich vom Marktwert her auch „nur“ den sechstteuersten Kader leisten kann (Quelle: transfermarkt.de). Doch der österreichische Coach Andreas Heraf bat bald aus gesundheitlichen Gründen (akuter Bandscheibenvorfall) um Auflösung seines Vertrags, sodass schon wieder zu Beginn einer Spielzeit neu geplant werden musste.
Dennis Kutrieb fällt nun die Aufgabe zu, mit den gegebenen Umständen einer bereits vorhandenen Mannschaft möglichst vorne mitzuspielen. Doch es braucht offenbar Zeit, bis der Trainer die Dynamo-Elf zu konstanten Leistungen bewegen kann – nach den Spielen gegen die Top-Teams von Lok Leipzig und dem Halleschen FC, die beide 0:2 verloren gingen, musste der 44-Jährige dabei feststellen: „Man hat gesehen, dass uns zu den Spitzenmannschaften noch etwas fehlt – unsere Bilanz ist ausbaufähig“, so Kutrieb, „unter dem Strich geht es darum, dass wir uns schnell zusammenfinden und weiterentwickeln.“ Bei zuletzt sieben Zählern Abstand auf Platz zwei (HFC) und sogar 14 zu Spitzenreiter Lok Leipzig ist dabei der Druck gegeben, den Rückstand nicht noch größer werden zu lassen, um die Fortentwicklung des Teams mangels Perspektive zum Anschluss an die Spitzengruppe nicht zu gefährden. „Uns fehlt im Vergleich zu Halle oder Leipzig noch so ein bisschen die Abgeklärtheit, in wichtigen Momenten des Spiels eine gute Entscheidung zu treffen“, erklärt Kutrieb das derzeitige Defizit. Also doch ein Qualitätsunterschied?
Reher derzeit verletzt
Von den BFC-Neuzugängen wusste vor allem Ivan Knezevic (31, offensives Mittelfeld) zu überzeugen und sich dadurch einen Stammplatz zu sichern. Auch Henry Jon Crosthwaite (22, offensive Außenbahn) und David Grözinger (defensive Außenbahn) haben fast alle Einsätze bestritten, aber ebenso noch Luft nach oben wie Kevin Lankford (26, Angriff) und Kristijan Makovec (28, defensives Mittelfeld) – Timo Friedrich (26, defensive Außenbahn) ist dazu bislang nur eine Ergänzung. So müssen auch die „alteingesessenen“ Leistungsträger wieder vorangehen: Kapitän Chris Reher musste jedoch zwischenzeitlich wegen einer Verletzung pausieren, der Außenverteidiger wird nun aber wieder herangeführt. Torjäger Rufat Dadashov (15 Spiele/vier Tore) hat dazu noch nicht die Quote der Vorsaison (26/14) erreicht – was auch dazu führt, dass der BFC im Vergleich zum selben Zeitpunkt 2023/24 neun Treffer weniger erzielt hat. Offenbar ein entscheidender Faktor, war die Zahl der Gegentore nach 15 Spielen doch identisch: Damals stand man mitten in der Spitzengruppe auf Platz zwei der Tabelle. Gut möglich also, dass die aktuelle Spielzeit eher eine Übergangssaison für den BFC Dynamo wird – auch wegen der verspätet aufgenommenen Tätigkeit des Trainers. Kutriebs fachliche Qualität ist dabei unbestritten, der Punktschnitt von 1,2 pro Spiel bislang aber noch nicht besser als die mäßige Startbilanz von Vorgänger Heraf (1,3). So weiß der neue Coach, dass es bis zur Winterpause gilt, auch möglichst viele Punkte zu sammeln, um dann in der Vorbereitung für das zweite Halbjahr (Start: Anfang Februar 2025) vielleicht noch weitere Stellschrauben justieren zu können.
Mehr als der aktuelle Platz acht sollte dabei angesichts der bekannten Ansprüche schon erreicht werden, auch wenn die Meisterschaft zum aktuellen Zeitpunkt bereits utopisch erscheint. Die Wahrscheinlichkeit ist jedenfalls groß, dass der weinrot-weiße Anhang auch ein weiteres Jahr das (Klage-)Lied anstimmt, in dem es heißt: „Vierte Liga tut so weh – ganz egal, BFC!“