Die Saison verläuft für Alba Berlin überhaupt nicht wie gewünscht. Der Bundesligasieg gegen den FC Bayern kommt daher wie gerufen. Doch sind damit alle Probleme gelöst?
Die Macher von Alba Berlin waren mächtig stolz, als der Deal mit Trevion Williams perfekt war. „There’s a new sheriff in town“ (Ein neuer Sheriff ist in der Stadt) schrieb der Club auf der eigenen Internetseite zum Spielerprofil des US-Amerikaners, der „spielintelligent und technisch versiert“ sei und zudem als Big Man „ein gutes Auge für die Mitspieler und außergewöhnliche Qualitäten als Passgeber“ habe. Der 2,06 Meter große Profi hatte in der Vorsaison bei Ratiopharm Ulm für viel Furore gesorgt und auch das Interesse anderer europäischer Clubs auf sich gezogen. Alba wollte Williams unbedingt verpflichten. Zum einen, weil durch einige Abgänge neue Qualität geholt werden musste. Zum anderen, weil Williams im Pokal-Halbfinale ausgerechnet gegen Alba mit 25 Punkten und zwölf Rebounds einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte. Das lässt sich von seiner kurzen Zeit in Berlin nun wirklich nicht sagen. Nach nur 26 Spielen im Alba-Trikot lösten beide Parteien den Zweijahresvertrag vorzeitig auf. Ein eklatantes Missverständnis – und ein trauriges Symbol für die bislang missratene Saison des Hauptstadtclubs.
„Wir haben alles darangesetzt, dass Trevion bei uns sein Potenzial ausschöpfen kann. Leider hat das nicht so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben“, sagte Sportdirektor Himar Ojeda. Es sei „das Beste für alle Beteiligten“, dass Williams „seinen Weg woanders fortsetzt“. Bei Alba kam er in der Bundesliga auf im Schnitt 12,1 Punkte, 7,3 Rebounds und 3,8 Assists. Gerade die letzten Wochen im Alba-Dress waren eine Enttäuschung, weil Williams ganz offensichtlich bereits mit dem Club abgeschlossen hatte und es sichtlich an Einsatzwillen fehlen ließ. Der Profi hatte bereits einen neuen Arbeitgeber gefunden, inzwischen spielt Williams für den israelischen Topclub Maccabi Tel Aviv. In der Pressemitteilung zum Wechsel konnte er sich eine Spitze gegen Alba nicht verkneifen: „Es ist ein Segen, wenn jemand an dich glaubt, und ich könnte über diese neue Reise nicht glücklicher sein.“
Medienberichten zufolge kassiert Alba zwar eine Ablöse für Williams, doch die Not auf den großen Positionen ist durch den Abgang noch mal größer geworden. Zuvor hatte sich Alba auch von Khalifa Koumadje getrennt. Der Center war wegen einer Tätlichkeit gegen einen Dopingkontrolleur von der Liga gesperrt und vom Verein suspendiert worden. Seine frühere Partnerin erhob zudem schwere Vorwürfe gegen den Profi aus dem Tschad. Personelle Wechsel auf solchen Schlüsselpositionen deuten meist auch auf sportliche Probleme hin – und so ist es auch diesmal bei Alba. Acht Niederlagen in zwölf Ligaspielen hatte der so erfolgsverwöhnte Club kassiert – bis Meisterfavorit FC Bayern München nach Berlin reiste. Im Prestigeduell holte sich Alba durch einen überraschenden 88:81-Sieg neues Selbstvertrauen. „Das war eins der emotionalsten Spiele meiner Karriere für mich“, sagte Trainer Israel Gonzalez. Alba hatte zwischenzeitlich bereits mit 19 Punkten zurückgelegen. „Ich bin unglaublich stolz auf mein Team. Nach einer schweren Woche so eine Reaktion zu zeigen und trotz aller Probleme so ein Spiel gegen Bayern abzuliefern, ist wirklich großartig“, ergänzte der Spanier.
Doch ob dieser Sieg endlich die Initialzündung für eine bessere Saison ist, bleibt abzuwarten. Seit 2017 haben die Berliner pro Saison höchstens sieben Hauptrundenspiele verloren, diese Marke wurde nun schon im Dezember durchbrochen. Es ist auch nicht unvorstellbar, dass Alba zum ersten Mal seit der Vereinsgründung vor knapp 35 Jahren die Play-offs verpasst. „Es ist momentan keine Ausnahme, dass wir in der BBL verlieren und struggeln“, hatte Alba-Profi Malte Delow, der die Glanzzeiten des Clubs auch miterlebte, vor dem Bayern-Spiel gesagt. „Es fehlt an allen Ecken und Enden.“ Nicht nur in der Bundesliga. Im Pokal schied Alba bereits im Viertelfinale aus, und in der Euroleague ist der neben Bayern München einzige deutsche Vertreter abgeschlagen Tabellenletzter.
Trendwende nötig − aber wie?
Einen halbwegs versöhnlichen Jahresabschluss hatte das Gonzalez-Team verpasst. Im Heimspiel am Silvesterabend setzte es eine 85:96-Niederlage gegen die Rostock Seawolves. Es war der erste Sieg der Norddeutschen überhaupt gegen den Hauptstadtclub. Der komplette Dezember sei ein „harter Monat“ gewesen, sagte US-Profi Matt Thomas. Er forderte: „Wir müssen einfach sehr viel besser spielen, wenn wir Spiele gewinnen wollen. Um Spiele zu gewinnen, muss man 40 Minuten spielen. Das haben wir die gesamte Saison nicht geschafft.“ Teamkollege Delow ärgerte sich vor allem über die 96 Punkte für das eher mittelmäßige Rostocker Team. „Das ist viel zu viel und beschäftigt uns jetzt schon die ganze Saison.“
Konkrete Antworten darauf, wie man die Trendwende einleiten kann, gab es von keinem Alba-Verantwortlichen – auch vom Trainer nicht. Gonzalez wirkte in der Krise ratlos, doch die Club-Bosse stehen dem Vernehmen nach weiter hinter dem Spanier und trauen ihm zu, wie gegen die Bayern wieder positive Ergebnisse einzufahren. Zumal für die Kaderzusammenstellung vor allem Sportdirektor Himar Ojeda verantwortlich ist. Der Spanier hatte im vergangenen Sommer die höchst undankbare Aufgabe, zwei absolute Leistungsträger ersetzen zu müssen: Kapitän Johannes Thiemann und Topscorer Sterling Brown. Das sei „ein harter Sommer“ gewesen, gab Ojeda zu. Die Nachwirkungen ziehen sich bis jetzt, denn im Kader gibt es weiterhin Anpassungen.
Ein guter Griff scheint die Nachverpflichtung von Center David McCormack zu sein, der in seinen ersten Spielen für Alba viel Einsatz zeigte. Der 25-Jährige stand zuletzt bei Euroleague-Konkurrent Armani Mailand unter Vertrag und ist eine Soforthilfe auf der Center-Position nach der Trennung von Koumadje. „Er ist athletisch, er ist aggressiv. Es wäre schön, wenn sich alle ein Beispiel an ihm nehmen würden“, sagte Martin Hermannsson. Albas Kapitän, der in fast jedem Spiel zu den besten Akteuren zählt, war zwischenzeitlich sichtlich genervt von den Rückschlägen und dem Willen einiger Profis.
Ein großes Problem ist auch das Verletzungspech – obwohl das Wort „Pech“ es nicht wirklich trifft. Die enorme Doppelbelastung durch BBL und Euroleague ist nichts Neues für Alba, sie bereitet dem Team aber Jahr für Jahr immer mehr Sorgen. Das Risiko für Verletzungen und Erkrankungen nimmt zu, die Zeit für die Rekonvaleszenten ab. Aufbautraining gibt es kaum, oft wird von Spiel zu Spiel gereist. Das bekommen Körper und Geist zu spüren. Ob Louis Olinde, Matt Thomas, Ziga Samar oder Gabriele Procida – sie alle und viele weitere Profis fielen immer mal wieder aus und suchten danach vergeblich nach ihrem Rhythmus. Damit lässt sich auch der Mangel an Konstanz erklären. Nach guten Leistungen wie beim Ligasieg in Göttingen und bei den Niederlagen in der Euroleague gegen Olympiakos Piräus sowie Real dachten viele bereits an ein Ende der Talfahrt – doch stattdessen gab es wieder Rückschläge. Das ist für die Psyche besonders hart. „Wenn alle wieder fit und im Rhythmus sind, wird es besser werden“, sagte Hermannsson.