Das Studienangebot hierzulande bietet jungen Menschen unzählige Möglichkeiten. Zum Wintersemester 2023/24 standen ihnen rund 22.000 Studiengänge an Hochschulen und Universitäten offen. Ein eher ungewöhnlicher Studiengang wird an der Universität Freiburg angeboten: der Master-Studiengang „Geographie des Globalen Wandels“.
Der Globale Wandel ist ein komplexes Phänomen mit unterschiedlichen Facetten – er durchdringt umfassend die Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Dabei kommt der geographischen Perspektive eine zentrale Rolle zu. Genau hier setzt der Master-Studiengang Geographie des Globalen Wandels an. An der Universität Freiburg, genauer an der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen – deutschlandweit die einzige Hochschule, die diesen Studiengang anbietet – kann man nach vier Semestern den Master of Science in dieser Disziplin erwerben.
Fakultät für Umwelt und natürliche Ressourcen
Der forschungsorientierte Master-Studiengang, der 2003 nach der Bologna-Reform entstanden ist, richtet sich vor allem an Geographie-Studierende, die bereits den Bachelor of Science erworben haben. „Wir wenden ein qualitatives Auswahlverfahren an, um auch Studierende aus angrenzenden Studiengängen wie Soziologie, Geowissenschaften sowie Umwelt- und Naturwissenschaften aufzunehmen“, sagt der Leiter des Studiengangs Prof. Dr. Hartmut Fünfgeld. Belegt werden müssen neben zwei Pflichtmodulen zu „Forschungsansätzen und Methoden“ acht Wahlpflichtmodule. Im zweiten und dritten Semester steht das Pflichtmodul zum Thema „internationale Dimensionen des Globalen Wandels“ an. Doch das Modul wird nicht etwa als gewöhnliches Seminar in einem Institutsgebäude veranstaltet, sondern als zwölftägige Exkursion. „Im Normalfall ist das Ziel im europäischen oder außereuropäischen Ausland mit einer thematischen Fokussierung auf ein Thema, das dem Studiengang nahesteht“, erklärt Hartmut Fünfgeld. Zum Pflichtteil des Studiums gehört auch eine Projektstudie, die sich über zwei Semester erstreckt. Diese ist immer an ein bestehendes Forschungsprojekt angedockt, so etwa an eines in der Schweiz. Neun Studierenden-Gruppen à jeweils drei bis fünf Personen nehmen hier die Prozesse des Globalen Wandels zum Beispiel im Hinblick auf Naturgefahren und -risiken in der Region Entlebuch im Kanton Luzern unter die Lupe. „Wir schauen sowohl aus humangeographischer als auch aus physisch-geographischer Perspektive auf das Thema Klima- und Umweltwandel, aber auch auf gesellschaftliche Veränderungsprozesse und führen dazu vor Ort kleinere Forschungsprojekte durch“, sagt Hartmut Fünfgeld. Daneben muss man ein frei wählbares Berufspraktikum machen. Denkbar ist ein solches Praktikum in der Stadt- und Regionalplanung, etwa im Umwelt- oder Stadtplanungsamt der Kommunalverwaltung. „Einige, aber nicht wenige arbeiten in dieser Zeit bei internationalen Nicht-Regierungs-Organisationen, etwa bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Eschborn, in Ministerien oder bei privatwirtschaftlichen Planungsbüros“, erzählt Hartmut Fünfgeld. Am Ende steht die Masterarbeit an, die sich gleichfalls gut an bestehende Forschungsarbeiten andocken lässt.
Wirft man einen Blick auf die breit gefächerten Forschungsgebiete der zwei Professorinnen und vier Professoren, so reichen diese von der Geographie des Globalen Wandels über Humangeographie und Klimageographie bis hin zur Wirtschaftsgeographie und Nachhaltige Entwicklung. Vor Kurzem ist ein neues Projekt gestartet, das auf die Anpassung an den Klimawandel in ländlichen Regionen Baden-Württembergs fokussiert. „Speziell interessiert uns dabei, welche Formen von Governance hier zum Tragen kommen, wenn wir insbesondere Klimaanpassung auf Ebene der Landkreise betrachten“, sagt Prof. Dr. Hartmut Fünfgeld. Genauer gesagt nehmen die Geographinnen und Geographen in den Blick, wie der Prozess der Klimaanpassung auf Landkreisebene funktioniert, wenn staatliche Akteure, Vereine, Berufsverbände, Bürgerinitiativen und Institutionen des öffentlichen Rechts zusammenarbeiten. „Mit Hitzewellen, Starkregenereignissen, Dürre und Trockenheit rollen auf die Kommunen umfassende und systemische Herausforderungen zu. Daher sind Verwaltungen und Regierungen auf allen Ebenen angehalten, mit anderen Akteuren zusammenzuarbeiten“, sagt Hartmut Fünfgeld.
Darüber hinaus erforscht die Professur der Geographie des Globalen Wandels gesellschaftliche und institutionelle Anpassungs- und Transformationsprozesse aus einer transdisziplinären Perspektive. Was sich kompliziert anhört, ist im weitesten Sinne anwendungsorientierte Forschung. Konkret geht es zum Beispiel in einem kürzlich gestarteten Projekt darum, wie man Hitzeaktionspläne – vor dem Hintergrund der extremen Hitze infolge der Erderwärmung – in kleineren Kommunen mit unter 20.000 Einwohnern umsetzen kann. „Unser einjähriges Projekt zielt darauf ab, den Ansatz der Hitzeaktionsplanung in kleineren Kommunen mit recht begrenzten Ressourcen und kleinen Stadtverwaltungen umsetzbar zu machen“, erläutert der Geographie-Professor. Nach einem Bewerbungsprozess soll eine deutsche Kommune ausgewählt werden, in der Hitzeaktionsplanung (auf Grundlagen von bestehenden Leitfäden des Umweltbundesamtes und Bundesumweltministeriums) als Pilotprojekt umgesetzt werden soll. So will man später Lehren daraus ziehen, welche Schwierigkeiten auftreten und wie sie überwunden werden können. „Die Kommunen tun gut daran, sich jetzt aufzustellen und nicht länger abzuwarten. Allerdings muss geklärt werden, wie kleinere Kommunen das am 1. Juli in Kraft getretene Klimaanpassungsgesetz umsetzen müssen“, sagt Hartmut Fünfgeld.
Doch nicht nur Baden-Württemberg – stellvertretend für den Globalen Norden – liegt im Forschungsinteresse der Freiburger Geographen, auch der Globale Süden mit seinen umwelt- und klimaspezifischen Problemen steht im Fokus. Aktuell untersucht ein Doktorand der Arbeitsgruppe Geographie des Globalen Wandels in einem Promotionsprojekt die gesellschaftlichen Folgen von Küstenerosion im Zuge des Klima- und Umweltwandels im Südosten Ghanas. „Der Staudammbau in der Region hat zu massiven Veränderungen im Flussdelta des Volta geführt. Zugleich wirken sich der Anstieg des Meeresspiegels und extreme Niederschläge auf das sozial-ökologische System aus“, berichtet Hartmut Fünfgeld von der problematischen Lage. All das trägt dazu bei, dass Teile des Flussdeltas rapide erodieren, sprich wegbrechen. „Eine Folge davon ist, dass ganze Dörfer staatlich gelenkt umgesiedelt werden oder die Dorfbewohner eine Umsiedlung ohne staatliche Unterstützung organisieren müssen“, sagt Hartmut Fünfgeld. Auch für die übrigen Studierenden des Master-Studiengangs ist der Staat an der Westküste Afrikas relevant. Denn im vorigen Jahr führte erstmals eine vierzehntägige Exkursion nach Ghana.
Viele Absolventen promovieren
Einen weiteren Schwerpunkt dieser Forschungsarbeit bilden auch Studien zu sozioökonomisch differenzierter Vulnerabilität, zu urbaner Klimagerechtigkeit auf lokaler und regionaler Ebene und zu Entscheidungshilfewerkzeugen. Der Humangeograph versteht den Begriff der Vulnerabilität als gesellschaftliches Phänomen – nicht etwa wie Mediziner, die darunter die genetisch oder biografisch erworbene Verletzlichkeit fassen. „Wofür wir uns interessieren, ist, Vulnerabilität dezidiert sozioökonomisch und politisch zu verstehen. Das bedeutet, dass wir zum Beispiel nicht nur untersuchen, welche Bevölkerungsgruppen von Hitze-Vulnerabilität betroffen sind, sondern auch welche strukturelle Faktoren wie etwa Altersarmut dazu führen, dass Vulnerabilität erhöht wird“, erläutert Hartmut Fünfgeld. Auch diverse Mehrfachbelastungen wie Wohnortlage, Gebäudezustand, Wohnungsgröße und chronische Erkrankungen, die mit einer höheren Anfälligkeit für Umweltveränderungen einhergehen, spielen dabei für die Geographen des Globalen Wandels eine wichtige Rolle.
Wenn die Absolventen den Master of Science schließlich in der Tasche haben, steht ihnen ein weites Spektrum an Berufen offen. Viele finden eine Anstellung in Landes- und Bundesministerien, andere wiederum arbeiten in internationalen Organisationen und viele kommen unter in der kommunalen Planung – entweder in Verwaltung von Städten und Gemeinden oder kommunalen Planungsbüros. „Viele unserer Absolventinnen und Absolventen gehen in die Entwicklungszusammenarbeit oder in die internationale Zusammenarbeit. Das heißt, sie leiten über die GIZ oder NGOs unter anderem Projekte im Globalen Süden“, erzählt Hartmut Fünfgeld. Ein beträchtlicher Teil promoviert und schlägt eine Wissenschaftskarriere ein. Ein Studiengang, wie er angesichts der globalen Herausforderungen aktueller nicht sein könnte.