Wer billig kauft, kauft zweimal. Deshalb ist es wichtig, hochwertige Kleidung zu wählen. Doch worauf müssen Laien achten, um Qualität zu erkennen? Dr. Florian André Metzelder kennt die Antworten.

Herr Dr. Metzelder, der Begriff „hochwertig“ wird im Zusammenhang mit Kleidung oft verwendet, aber was bedeutet das aus wissenschaftlicher Sicht eigentlich genau?
Ich würde „hochwertig“ über die generelle Verarbeitungsqualität des Artikels und der verarbeiteten Bestandteile definieren. So sollten die hergestellten Textilien über eine hohe Verarbeitungsqualität und damit Langlebigkeit verfügen. Natürlich wollen Hersteller und Händler regelmäßig verkaufen, aber das sollte nicht dazu führen, dass die Verarbeitung nur so ausgelegt ist, dass man nach kurzer Zeit zu einem neuen Kauf durch einen kaputten Artikel gezwungen ist. Die Verarbeitungsqualität eines T-Shirts macht zum Beispiel eine hohe Reißfestigkeit beziehungsweise hohe Beanspruchbarkeit von Obermaterial und Nähten und gute Färbung und Bedruckung aus. Die Festigkeit und Beanspruchung werden durch die Verwendung guter Garne erreicht. Die Qualität der Färbung wird durch gute Färbeverfahren und gute Farbstoffe erreicht, die auch unter Sonneneinstrahlung und nach einer Wäsche lange die ursprüngliche Farbe erhalten. So kann man den Artikel lange nutzen.
Geht es dabei nur um die Haltbarkeit oder spielen auch soziale und ökologische Aspekte eine Rolle?
Soziale und ökologische Aspekte sollten in der heutigen Zeit auf jeden Fall berücksichtigt werden, wenn man Artikel kauft. Dass Textilien aus Asien und Afrika kommen, ist dabei kein Problem, denn auch dort können Produkte in sehr guter Qualität sowie unter sehr guten Bedingungen für Arbeiter und Umwelt hergestellt werden. Dies ist aber nicht immer gegeben. Hier können Zertifizierungen und Siegel, die auch die Herstellungsstätten beziehungsweise Produktionsbedingungen einbeziehen, ein wichtiges Kriterium sein. So werden von unabhängiger Stelle Regeln vorgegeben und Begutachtungen durchgeführt. Die Suche nach diesen Siegeln und die Suche der Infos kostet natürlich Zeit für den Endverbraucher, aber kann einen Beitrag leisten, Hersteller zu belohnen, die sich hohen Standards verschreiben und dies auch teuer bezahlen.
Welche Materialien gelten als besonders hochwertig und woran liegt das?
Klassische Materialien, die gerne als „hochwertig“ bezeichnet werden, sind natürliche Materialien wie Wolle oder Seide, da diese in der Herstellung und Verarbeitung anspruchsvoll sind und zudem auch gute Eigenschaften wie einen guten Griff und Tragekomfort über eine Feuchtigkeitsregulation mitbringen können.
Kunstfasern haben ja oft einen schlechten Ruf. Ist das gerechtfertigt?

Nein, so pauschal lässt sich das nicht sagen. Kunstfasern haben wichtige Eigenschaften, die sie in vielen Bereichen sehr wertvoll machen. Sportkleidung zum Beispiel aus Naturfasern wie Baumwolle saugt sich mit Feuchtigkeit voll, wird dann schwer und lässt diese Feuchtigkeit nur schlecht trocknen und kann so besonders im Winter zum Auskühlen führen. Moderne Sportbekleidung aus Kunstfasern wie Polyester und Elasthan bietet hingegen einen guten Feuchtigkeitstransport, nimmt generell nur wenig Feuchtigkeit auf und trocknet auch schneller wieder. Zudem ist sie sehr dehnbar und passt sich gut dem Körper an.
Der schlechte Ruf kommt in meinen Augen überwiegend aus der Herstellung, da die Rohmaterialien sehr häufig aus der Ölindustrie stammen, was sie wenig nachhaltig macht. Es bestehen Möglichkeiten diese Fasern auch zu recyceln, was die Nachhaltigkeit deutlich erhöhen würde, aber diese Prozesse sind noch sehr selten und deutlich teurer als die Herstellung neuer Fasern aus Rohölprodukten. Würde hier ein Umdenken stattfinden, könnte auch die Nachhaltigkeit von Kunstfasern deutlich erhöht werden.
Wie kann ich als Konsument überhaupt erkennen, ob ein Stoff aus guten Fasern besteht?
Dies ist als Konsument sehr schwierig, da sich die Qualität der Fasern mit Blick auf die Echtheit der Farben unter Beanspruchung oder Reißfestigkeit nicht einfach so erkennen lassen.
Neben dem Material spielt auch die Verarbeitung eine Rolle. Welche Merkmale deuten auf handwerkliche Qualität hin?
Glatte und gut verarbeitete Nähte ohne lose Fäden sind ein erster guter Hinweis, dass sich in der Konfektion Mühe gegeben wurde und sorgfältig gearbeitet wird. Auch die gute Befestigung von Accessoires wie Knöpfen, Ösen oder Reißverschlüssen ist wichtig. Bei Reißverschlüssen zum Beispiel sollte dieser gut verarbeitet sein, einfach und ohne Stocken laufen, einen guten Schieber und Puller haben, die einen soliden Eindruck machen. Wenn dies bereits im ersten Eindruck nicht gut wird, hat ein Hersteller vermutlich wenig Wert auf gutes Zubehör gelegt, und zum Beispiel eine Jacke oder Hose mit defektem Reißverschluss ist so nicht mehr nutzbar. Auch ein guter Griff des Stoffes ist in meinen Augen wichtig.
Gibt es typische Schwachstellen, an denen sich schlechte Verarbeitung schnell zeigt?
Hier sind direkt die Nähte und das Zubehör wie Knöpfe oder Reißverschlüsse zu nennen. Wenn diese schlecht verarbeitet sind, wird man vermutlich nicht lange Freude am jeweiligen Textil haben. Auch bereits lose Fäden oder offene Fadenenden sind ein Hinweis darauf, dass die Ware nicht gut verarbeitet ist.

Viele Labels werben mit Nachhaltigkeit. Welche Siegel oder Zertifizierungen sind aus Ihrer Sicht wirklich aussagekräftig?
Nachhaltigkeit ist für viele Verbraucher ein wichtiger Punkt. Hier kann man als Beispiel Zertifizierungen wie GOTS für Baumwolle, GRS für Recyclingmaterialien oder auch Oeko-Tex® Made in Green nennen. Bei Made in Green ist die komplette Lieferkette über die Zertifikatsnummer nachverfolgbar, und es bestehen besondere Anforderungen an die Bestandteile des Artikels sowie auch an die Produktionsstätten, was soziale Standards, Produktionssicherheitsaspekte und auch umweltbezogene Standards mit Blick auf das Abwasser und Emissionen einschließt.
Wichtig neben Siegeln und Zertifizierungen ist aber auch das Verhalten des Verbrauchers. Kaufen Sie Kleidung und Textilien, die Sie auch wirklich benötigen und lange nutzen wollen. Viel Kleidung wird nicht aussortiert, da sie kaputt ist, sondern nur, weil man sie nicht mehr tragen will. Auch die Möglichkeit der Reparatur von Kleidung sollte man durchaus mal prüfen, allerdings kostet dies meist auch etwas mehr Geld und Aufwand, als sich ein Shirt oder ähnliches einfach neu zu bestellen. Die Weitergabe über Internetbörsen oder Second-Hand-Shops kann den Produkten ein längeres Leben geben.
Sind hochwertige Kleidungsstücke automatisch nachhaltiger oder muss man das differenzierter betrachten?
Nachhaltig macht ein Kleidungsstück am ehesten die lange Nutzung, aber auch die Verwendung von natürlichen Fasern kann man als nachhaltiger ansehen, da sich diese zumindest einfacher entsorgen und weiterverarbeiten lassen. Hochwertig im Sinne von hochpreisig macht einen Artikel nicht zwangsläufig nachhaltiger und langlebiger. Einerseits wird sehr günstige Kleidung von einschlägigen Internetshops meist nicht lange halten und birgt auch Risiken. Anderseits ist auch sehr hochpreisige Markenbekleidung nicht zwangsläufig nachhaltiger und langlebiger, da mit dem Kaufpreis auch der Markenname und das Marketing bezahlt werden. Man sollte so einen gesunden Mittelweg zwischen diesen beiden Extremen finden.
Was würden Sie jemandem raten, der künftig bewusster einkaufen will, aber kein Fachwissen mitbringt?

Informieren Sie sich im Internet über nachhaltige Marken und Siegel. Treffen Sie bewusste Kaufentscheidungen und achten dabei auf für den Zweck angepasste Materialien, zum Beispiel muss es wirklich ein Produkt aus Kunstfasern sein oder findet man den Artikel auch aus natürlichen Fasern.
Gibt es einfache „Schnelltests“, um Qualität zu prüfen – zum Beispiel an Nähten oder durch Anfassen?
Die Nähte und ein generell gutes Gefühl beim Anfassen sind schon mal gute Schnelltests. Auch der Geruch kann ein Hinweis sein, wobei Textilien aus der Produktion immer noch einen gewissen Eigengeruch mitbringen können oder der Geruch auch vom Material abhängen kann. Ein sehr starker bis unangenehmer Geruch, den man mit einem solchen Material nicht verbindet, würde mich aber im ersten Eindruck dennoch abschrecken. So sollte ein Baumwollshirt nicht stark nach Gummi riechen, während ein Geruch nach Gummi für eine Fußmatte mit Gummirücken „normal“ wäre.
Und zuletzt: Wenn ich nur auf eine Sache achten könnte, was wäre aus Ihrer Sicht das wichtigste Qualitätsmerkmal?
Einen Artikel aus mehreren Bestandteilen anhand eines Merkmales zu betrachten ist schwer. Wenn ich nur ein einziges Merkmal auswählen darf, dann nehme ich die Verarbeitung der Nähte.