Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) zählt weltweit zu den führenden Todesursachen, allein in Deutschland sind rund 6,8 Millionen betroffen. Prof. Dr. med. Kurt Rasche (Direktor der Klinik für Pneumologie am Helios Universitätsklinikum Wuppertal) sprach mit uns über Symptomatik, Diagnostik und Therapie.
Herr Prof. Dr. Rasche, was genau ist COPD und welche Formen gibt es?
COPD steht für den englischen Begriff „Chronic Obstructive Pulmonary Disease“ und bedeutet im Deutschen „Chronisch obstruktive Lungenerkrankung“. Gemeint sind die Erkrankungen chronische Bronchitis und Lungenemphysem oder ihre Kombination, also Lungen- und Atemwegserkrankungen, die durch eine Verengung und/oder Verlegung der Atemwege charakterisiert sind.
Unter welchen Symptomen können Betroffene leiden?
Die Betroffenen haben Atemnot, Husten und Auswurf. Das kann man sich an der Abkürzung AHA sehr gut merken.
Welche Ursachen hat COPD?
Die häufigste Ursache ist das inhalative Zigarettenrauchen. Weitere Bedeutung hat die Feinstaubbelastung durch die Umwelt. Es gibt auch Risikoberufe, wie insbesondere Bergbau-Berufe. Hier ist die COPD anerkannte Berufskrankheit und wird auch entsprechend durch die Berufsgenossenschaft entschädigt.
Wie genau schädigt und verändert das Rauchen eigentlich die Lunge?
Das Rauchen führt zu einer chronischen Entzündung, die bei Fortschreiten die Lungenbläschen – sogenannte Alveolen – zerstört und die Bronchialschleimhaut umwandelt.
Hin und wieder erkranken auch Nichtraucher – welche Ursachen nimmt man hier an?
In unseren Breitengraden kommt das extrem selten vor. Es gibt erblich bedingte Formen des Lungenemphysems. Hier fehlt ein Enzym im Blut, das sogenannte Alpha-1-Antitrypsin, dadurch entsteht bei diesen Menschen früher als in der Allgemeinbevölkerung ein Lungenemphysem, vor allem, wenn diese Menschen auch noch rauchen. In ferneren Ländern liegt aber nicht selten auch eine Feinstaubbelastung durch Arbeit am offenen Feuer vor. Hier können zum Beispiel Frauen durch das Kochen am offenen Feuer eine COPD entwickeln, obwohl sie nie geraucht haben.
Ist von COPD nur die Lunge betroffen oder auch andere Organe?
Wir wissen heute, dass die COPD eine Systemerkrankung ist. Einerseits findet die durch Feinstaub entfachte Entzündung auch in anderen Organen statt. Andererseits haben weitere Erkrankungen denselben Risikofaktor „Rauchen“, der dann zur koronaren Herzkrankheit, zur Arteriosklerose und manchmal auch zu bösartigen Lungenveränderungen führt. Schließlich kommt es durch die COPD zu einer Luftnot-bedingten Immobilisierung, die zu Muskelschwäche, Osteoporose, aber auch zu sozialer Isolation und Depressionen führt. Es gibt also viele direkte und indirekte Gründe, warum COPD-Patienten viele Begleiterkrankungen haben.
Kommt die Erkrankung nur bei älteren Menschen oder manchmal auch bei jüngeren vor?
Meistens sind Menschen über dem 40. Lebensjahr betroffen, weil eben die entsprechenden Schadstoffe erst lange genug eingewirkt haben müssen, um einen definitiven Schaden hervorzurufen.
Sind eher Männer oder Frauen betroffen?
Männer sind (noch) häufiger betroffen als Frauen, weil sie sich bisher häufiger als Frauen entsprechenden Schadstoffen freiwillig ausgesetzt haben oder beruflich ausgesetzt wurden. Das kann sich in Zukunft natürlich ändern.
Wie kann man COPD diagnostizieren?
Eine wirkliche Frühdiagnose gibt es für COPD eigentlich nicht. Wenn die ersten Symptome Atemnot-Husten-Auswurf („AHA“) auftreten, liegt bereits mindestens eine chronische Bronchitis vor. Dennoch sollte dann spätestens eine Lungenfunktionsprüfung durchgeführt werden, die feststellen kann, ob auch eine Einengung oder Verlegung der Atemwege, also eine sogenannte Atemwegsobstruktion, vorliegt. Zusätzlich wird man eine Röntgen-Aufnahme der Thoraxorgane durchführen, um auch andere zur Luftnot führende Erkrankungen auszuschließen, so zum Beispiel eine Herzschwäche. Besser ist bei der Erstdiagnose allerdings, gleich eine Computertomografie der Atmungsorgane durchzuführen. Hiermit kann man unter anderem noch besser erkennen, ob auch ein Lungenemphysem vorliegt. Da eine Lungenerkrankung auch das Herz belasten kann, sollte ebenso ein EKG und eine Ultraschalluntersuchung des Herzens durchgeführt werden. Ebenso ist ein Allergietest sinnvoll, denn auch bei COPD können wie beim Asthma durchaus Allergien bei der Auslösung der Erkrankung eine Rolle spielen.
Wie kann man COPD von Asthma abgrenzen?
Von Asthma lassen sich die COPD-Symptome dadurch abgrenzen, dass der Asthmatiker zwischendurch völlig beschwerdefrei ist und auch dann keine Luftnot hat, während der COPD-Patient eher ein dauerhaft symptomatischer Luftnot-Patient mit eben besseren und schlechteren Tagen ist.
Welche Faktoren beeinflussen den Krankheitsverlauf positiv, welche negativ?
Als Allererstes sollte das inhalative Zigarettenrauchen eingestellt werden. Hier gibt es verschiedene Entwöhnungsprogramme, die von niedergelassenen Ärzten in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen angeboten werden. Weiterhin ist wie bei jeder Erkrankung eine Normalisierung des Körpergewichts anzustreben. Bei den COPD-Patienten gibt es sowohl schwergradig übergewichtige wie auch schwergradig untergewichtige Patienten. Es sollte versucht werden, beide Zustände durch eine entsprechende Ernährungsberatung zu beeinflussen. Schließlich stellt körperliche Bewegung auch bei der COPD einen wichtigen Baustein zur Ertüchtigung des Organismus dar. Interessant sind hier vor allem Lungensportgruppen, in denen unter ärztlicher Aufsicht krankheitsadaptiert körperliche Beweglichkeit und Ausdauer verbessert werden. Gerade der COPD-Patient neigt aber dazu, sich wegen der unter Belastung zunehmenden Luftnot nicht zu bewegen und nicht das Haus zu verlassen. Dieses führt dann aber sehr oft zu einer weiteren Schwächung des Körpers, aber auch der Psyche, sodass in dieser Situation in Folge der auch bestehenden sozialen Isolation häufig depressive Symptome entstehen.
Welche Therapien gibt es bei COPD und welche Medikamente können die Beschwerden mildern?
Die inhalative Therapie steht bei allen Atemwegserkrankungen ganz im Vordergrund. Hierbei unterscheiden wir bronchialerweiternde Medikamente und entzündungshemmende Medikamente. Diese werden je nach Schweregrad und Ursache der Erkrankung in unterschiedlicher Kombination eingesetzt. Die bronchialerweiternden Medikamente lindern die Beschwerden, es stehen hierfür zwei verschiedene Medikamentengruppen zur Verfügung: die sogenannten ß2-Sympathomimetika und die Anticholinergika. Von beiden Gruppen gibt es kurz und lang wirksame Medikamente. Die entzündungshemmenden Inhalatoren beugen akuten Verschlechterungen, sogenannten akuten Exazerbationen, vor. Hierbei handelt es sich in der Regel um inhalative Cortisonpräparate. Patienten mit einer Erniedrigung des Sauerstoffwertes im Blut benötigen eine Langzeit-Sauerstofftherapie. Diejenigen Patienten, die auch eine Erhöhung des CO2-Wertes im Blut aufweisen, benötigen dann sogar eine Maskenbeatmung, wir sprechen hierbei von einer sogenannten nicht-invasiven Beatmung. Bei akuten Exazerbationen muss in der Regel auch Cortison systemisch, das heißt als Tablette oder sogar als Infusion, eingesetzt werden. Verfärbt sich der Auswurf, wird ebenso eine antibiotische Therapie erforderlich.
Ist die Lebenserwartung normal, wenn man in Behandlung ist und gewisse Regeln befolgt?
Die Lebenserwartung der COPD-Patienten ist annähernd normal, insbesondere wenn man die verordneten Medikamente regelmäßig und der ärztlichen Anordnung entsprechend nimmt. Ganz wichtig in Bezug auf die Lebenserwartung ist aber auch die Verhinderung von akuten Exazerbationen.
Mit welchen Themen beschäftigt sich die COPD-Forschung in den letzten Jahren hauptsächlich?
In der COPD gibt es verschiedene Forschungsthemen. Das wichtigste Thema ist wohl die Herausarbeitung von Untergruppen der COPD-Patienten, die sogenannte Phänotypisierung; denn die Diagnose „COPD“ ist eine recht ungenaue Diagnose. Wir wissen heute, dass es eben ganz verschiedene Typen von COPD-Patienten gibt. Diese besser herauszuarbeiten, ist ein wichtiges Ziel der modernen COPD-Forschung, da sich hieraus eben auch eine personalisierte, also individuelle Therapie für den Einzelnen ableiten lässt. Weitere Forschungsthemen sind die Entwicklung noch spezifischer oder länger wirkender Medikamente, neuer Antibiotika, aber auch verbesserter Sauerstoff- und Beatmungssysteme.