Bier trinken? Schön. Doch was viele nicht wissen: Man kann im Gerstensaft auch baden! Klingt, als ob die Erfinder zu tief ins Glas geschaut hätten. Doch die Vorzüge überzeugen selbst Wellness-Skeptiker. Ein Selbstversuch in Pilsen, dem Bier-Mekka in Tschechien.
Neulich am Tresen: Vier langjährige Freunde kommen ins Reden. Erst wird’s privat, später abstrakt. So kommt die Frage auf, was Superreiche sich wohl alles so leisten. Ob manche wirklich im eigenen Geld baden? Zumindest in Champagner? Wobei das bestimmt ebenso ein Produkt überschäumender Fantasie ist wie der mit Talern überquellende Pool, in den Comic-Krösus Dagobert Duck zu springen pflegte. Oder die mit Eselsmilch randvoll gefüllte Wanne, in die Kleopatra angeblich stieg, bevor sie Cäsar traf. Allgemeiner Konsens: Gebadet wird in Wasser, Punktum und Prost! Doch dann kommt das Gespräch auf einen anderen schlaraffenlandläufigen Tagtraum. Dazu, so der Ideengeber, müsse man weder an der Spitze eines Imperiums stehen noch auf der „Forbes“-Liste (auf die es Dagobert vor Jahren mit 64,5 Milliarden Dollar im Übrigen tatsächlich geschafft hat). Ein Bierbad, das sei völlig real und, besser noch, für jedermann erschwinglich, weil schon im Gegenwert von drei, vier Getränkekästen zu haben. Und damit ist nicht gemeint, den Gerstensaft einfach in die heimische Wanne zu kippen. Bei der Bier-Wellness gehe es zwar um dieselben Zutaten, die für ein innerliches Wohlgefühl sorgen, doch diesmal wirken sie, anders zusammengesetzt und ohne Gärung, äußerlich. Schließlich stehen medizinische Aspekte im Fokus, überraschend viele sogar. Erstens: Die Bierhefe soll dank ihres hohen Vitamin-B-Gehalts und ihrer aktiven Enzyme eine positive Wirkung auf die Regeneration der Haut haben. Zweitens: Der Hopfen soll die Nerven beruhigen. Und drittens: Das körperwarme Wasser soll für Entspannung sorgen.
Positive Wirkung auf die Haut
Der sonst so müde Wellnessgeist ist geweckt, wo bitte gibt es sowas? In München, der Heimat des Jahr für Jahr Millionen Besucher berauschenden weltgrößten Bier-, äh Volksfestes jedenfalls nicht. Diesbezüglich haben mal wieder die Tschechen die Nase vorn, wie schon beim weltweiten Pro-Kopf-Bierkonsum. Ob da ein Zusammenhang besteht? Jedenfalls warten nirgends so viele Bierbäder wie in Prag, im böhmischen (Bier-)Bäderdreieck und natürlich in Pilsen. Die Geburtsstätte des von hier zu Weltruhm gelangten untergärigen Pilsner Urquells erscheint sofort als geeigneter Ort, diese berauschend-innovative Wellnessart auszuprobieren.

Gedacht, gemacht, auf ins „Spa Beerland“! Ob das „ß“ in der Lücke absichtlich fehlt? So oder so: Der Name ist Programm, der Weg in den Hinterhof top ausgeschildert. Olga, die Rezeptionistin, scheint es nicht zu verwundern, dass vier erwachsene Männer bereits beim Eintreten glucksen und kichern und kurz darauf fast Freudentränen in den Augen haben, als sie – nach der Erledigung des Papierkrams, in dem die Badegäste unterschreiben, keine Unverträglichkeiten gegen die Bierbad-Inhaltsstoffe zu haben– den Raum zeigt, der zwei Stunden lang zum privaten Wellnesshimmel werden soll. Der Kachelofen, die uralten Brauereigeräte, die Strohbetten, alles schön. Am schönsten jedoch sind die beiden mehrere hundert Liter fassenden Eichenfässer. In die hat Olga bereits eine grünliche Mischung aus Hopfen, Hefe und Malz eingerührt. Wie bei badenden Kleinkindern testet sie mit der Hand die Temperatur, bevor sie die Wannen für die Gäste freigibt.
Eine Mischung aus Hopfen, Hefe, Malz
Kaum schließt sich die Tür, steigen die großen Kinder, in Rekordzeit aller Kleidung entledigt, jeweils zu zweit in einen Trog. Sie schnuppern die ätherischen Hopfenöle, lauschen den sanften Chill-out-Tönen aus den Musik-Boxen, schnabulieren vom hausgemachten Bierbrot, spüren die Hopfendolden auf der Haut. Kurz: Sie genießen die ab Minute eins einsetzende Entspannung und würden für keinen Preis der Welt mit Kleopatra und Champagner-Charlie tauschen wollen. Auch nicht mit anderen Wellnessanwendungen. Zumal hier noch ein dickes Plus hinzukommt: Zapfhähne sind nur jeweils eine Armlänge entfernt. Große Fragen nun: erst Helles, dann Dunkles? Oder umgekehrt? Mit Bademantel ins Strohbett oder ohne? Zwei oder drei Wannengänge? Und wer mit wem? Es finden sich immer neue Konstellationen und neue Plauderthemen, wobei es Schluck für Schluck alberner wird. Videos werden gefilmt, die nie an die Öffentlichkeit kommen dürfen, Diskussionen darüber geführt, auch in München so einen Wellnesstempel gründen zu wollen, und überhaupt: Wie äußert sich bitte eine Bierbad-Allergie, und dürfen auch Abstinenzler in die Hefe-Hopfen-Malz-Wanne?
Dann kommen Kosenamen auf, von Dr. Müller-Lüdenscheid („Ich lasse jetzt die Ente zu Wasser“) bis Viiitali, weil Olga das „i“ in „viiitalisierend“ immer so herrlich lang gezogen hat. Irgendwann hat selbst der schönste Spaß ein Ende, und beim Abschied stellen die Gäste am Rezeptionstresen noch mal ein paar seriöse Fragen. Ist das Bierbad gut gebucht? Sehr gut sogar. Gibt es noch andere Belegungen außer Männergruppen? Oja, allen voran Paare. Und müssen wir wirklich unsere Erfahrungen auf Social Media teilen, um dieses nette Biershampoo dort als Giveaway zu bekommen? Ein kurzer Blick in die Runde, aufs Handy und dann: Sorry, aber what happens in Bierbad, stays in Bierbad!