Seit Jahren soll der Anteil der Mehrwegverpackungen im Lebensmittelbereich ansteigen, doch weiterhin dominiert die Einwegverpackung, vor allem bei den Discountern. Warum das so ist, hat viele Gründe. Und manche sprechen sogar für den Schutz der Umwelt.
Einmal am Tag, immer gegen Mittag, hält der blaue Müllwagen vor einem Bio-Supermarkt in der Fuggerstraße in Berlin-Schöneberg und holt drei prall gefüllte Container mit Verpackungsmüll ab. In zwei Containern ist Pappe, in einem Kunststoffmüll. Es ist das, was jeden Tag anfällt an Verpackungsmüll für frische Produkte wie Obst und Gemüse und für Grundnahrungsmittel wie Nudeln oder Eier – auch in einem Bio-Supermarkt.
Im Laden selbst werden die Waren drapiert, lose in den Regalen, in Körbchen und Holzkisten präsentiert, um den unverpackten „Bio“-Charakter noch zu verstärken. Die Kunden bringen dann ihre eigenen Verpackungen von zu Hause mit und verlassen in der Gewissheit den Bio-Supermarkt, der Umwelt, schon wegen der fehlenden Verpackungen, etwas Gutes getan zu haben. Doch irgendwie müssen die Lebensmittel von den Öko-Produzenten, nicht nur aus dem Berliner Umland, in die Hauptstadt geliefert werden – und da gilt nun mal das Lebensmittelgesetz, bestimmte Auflagen müssen bei der Verpackung gerade für frische Produkte erfüllt werden.
Logistisch nicht möglich
Anders ist das Bild bei einem der großen Discounter gleich um die Ecke. Dort liegen die Äpfel, Pflaumen oder Birnen in Sechserpacks in einer Pappschale ummantelt von Cellophan Folie in den Regalen. Hier müssen die Kunden noch den ganzen Verpackungsmüll nach Hause schleppen, wenn sie ihren Einkauf nicht schon im Laden auspacken und in die bereitgestellten Container werfen. Doch die wenigsten machen das. Alltag beim Einkauf in Deutschland, anders geht es gegenwärtig nicht – sehr zum Ärger von Umweltschützern.
Aber gerade die Discounter leben von großen Absatzmengen, damit der Umsatz am Ende des Tages stimmt. Das geht nur in verpackten Einheiten, die schnell vom Lkw in die Regale zum Verkauf gebracht werden können. Darum lässt sich zum Beispiel aus Aldi oder Lidl kein Unverpackt-Laden machen. Das würde schon bei der Umsetzung nicht funktionieren, sagt der Handelsverband Deutschland (HDE).
Ein Mehrwegsystem in diesem Bereich sei rein logistisch gar nicht zu stemmen, da die Verpackungen wieder eingesammelt und zum Hersteller zurücktransportiert werden müssten. So argumentieren nicht nur die Discounter, sondern auch die beiden konkurrierenden deutschen Handelsketten aus dem Supermarktsegment, Rewe und Edeka. Diese versuchen zumindest in den Nischen entsprechende Mehrwegsysteme anzubieten, allerdings bei einem nicht ganz unerheblichen Aufpreis bei den Produkten. Der umweltbewusste Kunde muss es sich leisten können.
Weiteres Ärgernis für die Umweltverbände sind die Getränkeverpackungen. Auch hier dominiert weiterhin die Einwegverpackung, trotz Dosenpfand. Die Annahme, alles, was man im Supermarkt an Dosen und Flaschen in den Pfandautomaten steckt, wird automatisch recycelt, ist der große Irrtum vieler Bundesbürger seit genau 20 Jahren. Da wurde das Dosenpfand vom damaligen Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) 2003 eingeführt.
Die Frage nach Kosten und Nutzen
Genaue Zahlen, wie viele von den allein 17 Milliarden Plastikgetränkeflaschen jährlich in Deutschland wiederverwertet werden, gibt es nicht. Umweltverbände, Händler und Recyclingunternehmen, die Zahlen widersprechen sich. Vermutlich wird gut ein Drittel der mit Pfand versehenen Einweg-Pfandflaschen aus Kunststoff in die Kreislaufwirtschaft zurückgeführt. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) rechnet vor: Eine Mehrwegflasche, egal ob aus Glas oder Hartkunststoff, wird bis zu 50-mal wiederverwertet, während ein guter Teil der Einweg-Plastikflaschen im Hausmüll und damit in der Müllverbrennungsanlage landet.
Damit beginnt dann der Streit zwischen Einzelhändlern, Umweltorganisationen und der Recycling-Branche um die Frage, wie ökologisch, vor allem wie energetisch sinnvoll Mehrwegverpackungen sind. Allein die Mehrweggebinde abzutransportieren, würde zusätzliche Autobahnkilometer per Lkw bedeuten. Die Flaschen zu reinigen, um sie dann wieder zu den Abfüllern zurückzubringen, kostet viel Energie und erheblich mehr Personal, sagt der Handelsverband. Der Aufwand würde damit in keinem Verhältnis zum ökologischen Nutzen stehen.
Die DUH hält dagegen und argumentiert, Mehrwegflaschen würden die natürlichen Ressourcen schützen. Ginge es nach ihr, sollten künftig nicht nur Getränke-Tetrapacks, sondern zum Beispiel auch Kunststoff-Gebinde für Milchprodukte, also der klassische Joghurtbecher, mit einem Pfand von 25 Cent belegt werden. Das würde die Menschen zum weiteren Umdenken beim Einkauf bringen und auch die Recyclingquote für die Verpackungen erhöhen, sagt Thomas Fischer, Leiter des Referats für Kreislaufwirtschaft bei der DUH.
Für Experten aus der Recyclingwirtschaft klingt das nach Wunschdenken. Zumindest bei den Tetra-Packs, also den Getränkekartons. Diese bestehen fast immer aus mindestens drei verschiedenen Stoffen: Hartplastik-Verschluss, Pappe zur Ummantelung und innen Kunststoff mit einer hauchdünnen Aluminium-Schicht. Damit diese Stoffe in die Wiederverwertung zurückgeführt werden können, müssen sie unter einem erheblichen Aufwand voneinander getrennt werden. Am Ende stehen sich die Pro- und Kontra-Argumente gegenüber. Die Diskussion ist nicht abschließend geklärt und die Verbraucherinnen und Verbraucher stehen noch immer vor der Frage, was umweltfreundlicher ist: unseren Müll recyceln oder verbrennen?