Eine grüne Parteichefin und ein Wirtschaftsminister kämpfen für Stahlarbeitsplätze. Ein Industrieverband macht Druck, Fridays for Future berät sich mit Gewerkschaften, eine Unternehmerin würde gern ganz andere Wege gehen: Erkenntnisse zu einem saarländischen „Green Deal“.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte mit seiner Botschaft für eine Riesenerleichterung kurz vor den Feiertagen gesorgt, die EU-Kommission mit ihrer Bestätigung den Jahreswechsel perfekt gemacht. Der Weg für grünen Stahl von der Saar, die Förderung für die milliardenschwere Investition ist bestätigt und genehmigt.
Es ist ein wesentlicher Baustein auf dem Weg der Transformation des Saarlandes zu einem klimaneutralen Industriestandort, zugleich ein Baustein in der gesamten Transformationsstrategie Deutschlands, eingebettet in den Green Deal der EU.
„Wir müssen europäisch denken“
Grüner Stahl ist im gesamten Umbauprozess zwar wesentlich, aber eben nur eine von vielen Baustellen. Und mit den Beschlüssen zur Förderung und Freigabe jetzt auch für die saarländische Stahlindustrie, nachdem bereits zuvor Milliardenförderungen für ThyssenKrupp Steel und Salzgitter genehmigt worden waren, sind längst noch nicht alle Fragen auf dem Weg zur klimaneutralen Industrie geklärt.
Das zeigte eindrucksvoll eine Diskussion zur Transformation, zu der die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang eigens ins Saarland gereist war, dem idealen Standort für ihre Botschaft: „Wir müssen viel mehr europäisch denken.“ Der Wettbewerb gehe nicht mehr darum, wo am billigsten produziert werde, sondern um die Frage: Wo entsteht der erste klimaneutrale Standort? Ein globaler Wettbewerb, in dem Europa steht. Lang verwies in diesem Zusammenhang auf die enormen Summen, die in den USA für einen Transformationsprozess zur Verfügung gestellt werden, frei nach einem Spruch des amerikanischen Präsidenten Joe Biden: „Wenn ich Klimaschutz höre, dann höre ich: Jobs.“ Für Ricarda Lang stellt sich damit durchaus die Frage, „ob wir am Rand stehen“.
Insofern stützt die grüne Bundesvorsitzende die Entscheidungen der Bundesregierung zu einer massiven
Unterstützung der Anstrengungen, was zuletzt durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) der Bundesregierung infrage gestellt schien. Saarstahl plant für den Umbau mit Investitionen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro. Die EU hat die Freigabe zur Förderung in Höhe von rund 2,6 Milliarden gegeben, davon sollen 70 Prozent vom Bund, die restlichen 30 Prozent vom Land kommen. Das Saarland finanziert seinen Anteil (rund 780 Millionen Euro) über einen „Transformationsfonds“, den das Land mit insgesamt drei Milliarden Euro ausgestattet hat. Auch dessen Rechtmäßigkeit war infolge des Verfassungsgerichtsurteils umstritten. Der Landtag hat aber schließlich noch mit einer Sondersitzung kurz vor Weihnachten dazu angepasste Grundlagen beschlossen.
Saar-Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) konnte folglich feststellen: „Wir sind inhaltlich und finanziell gut aufgestellt“ für diese Herausforderung, und ergänzte: „Ohne den Transformationsfonds wären wir das nicht.“ Barke wiederholte dabei auch das ehrgeizige Ziel der saarländischen Landesregierung, „der erste Industriestandort in Europa, der die grüne Transformation schafft“, zu sein. Was aus Sicht von Barke handfeste pragmatische Gründe hat: Bei Zulieferern beispielsweise in der im Saarland starken Automobilindustrie würde kein Produkte mehr zugelassen, „das nur ein Gramm CO2 in sich hat“. Ohne eine grüne Transformation stünden im Saarland rund 20.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel, was umgerechnet einer Wirtschaftsleistung von 1,4 Milliarden Euro entspräche. Gute Gründe also aus Sicht des Wirtschaftsministers, die durchaus enormen Fördersummen zu mobilisieren.
Das Ziel einer sozial-ökologischen Wende findet auch bei der Vertreterin von Fridays for Future Saar, Ronja Wachall, Unterstützung, die nicht nur die heimischen Arbeitsplätze im Blick hat. „Wir müssen breiter denken“, fordert Wachall und bezieht das auch auf die neu entfachte Debatte über die Schuldenbremse. Für den notwendigen umfassenden Umbau sei „viel zu wenig Geld“ da, also: „Die Schuldenbremse muss weg“, fordert Wachall. Was nutze es, wenn „unsere Kinder keine Schulden haben“, wenn sie dafür auch keine Lebensperspektiven hätten, lautet die rhetorische Frage. Folglich müsse investiert werden.
„Wohlstand und Arbeitsplätze“
Bei dieser Forderung nach massiven Investitionen hat sie auch Martin Schlechter, den Hauptgeschäftsführer des Verbands Metall- und Elektroindustrie Saar an ihrer Seite, auch wenn der dabei noch andere Akzente setzt. Für ihn ist klar: Entweder mache man den Laden (Industriestandort) dicht, oder man investiere massiv mit einer Innovationsstrategie. Seiner Überzeugung nach „müssen Problemlösungen aus den Unternehmen kommen“. Am Ende brauche es schließlich „Wertschöpfung, um die Finanzen zu haben, die wir brauchen, um all das zu finanzieren“. Folglich komme es darauf an, „dass wir weder die Menschen noch die Unternehmen verlieren“. Eine der Hauptsorgen ist aus seiner Sicht die Frage der Energie, die massiv ausgebaut werden müsse. Dazu gehört auch Wasserstoff, der für grünen Stahl gebraucht werde. Diesbezüglich gäbe es zwar inzwischen „viele Pläne am Reißbrett“, aber eigentlich sei es dabei schon „fünf nach zwölf“.
Ricarda Lang verwies auf die Bemühungen der Bundesregierung, Planungen massiv zu beschleunigen. Schließlich sei jedem klar, dass es hier „tatsächlich um Wohlstand und Arbeitsplätze“ gehe.
Soviel Konsens, zumindest in den grundsätzlichen Fragen, wollte Stella Pazzi, stellvertretende Bundesvorsitzende (und Landesvorsitzende) der Jungen Unternehmer, nicht unwidersprochen stehen lassen. Subventionen in die Stahlindustrie seien „Arbeitsplatzerhaltungsmaßnahmen“ in einem Bereich, bei dem man gar nicht abschätzen könne, ob man dann im globalen Wettbewerb mithalten könne. Sie würde es lieber sehen, in neue Technologien zu investieren, die sich marktwirtschaftlich durchsetzen könnten.
Dem hielt Ricarda Lang entgegen, dass für den Klimaschutz enorm viel Stahl gebraucht werde. Es sei richtig, auch in diese Arbeitsplätze zu investieren, „das macht uns auch resilienter und unabhängiger“ – was wiederum vor dem Hintergrund einer „neuen Systemkonkurrenz“ bedeutsam sei.