Laszlo Benes wurde von Union Berlin als Schlüsselspieler geholt. Zum Ligastart rettete er von der Bank aus immerhin einen Punkt. Das reicht dem ehrgeizigen Slowaken nicht.
Aus ein paar Metern Entfernung staunte Rani Khedira nicht schlecht. „Joker“ Tim Skarke legte den Ball quer zum ebenfalls eingewechselten Laszlo Benes. Der Slowake drehte sich um seinen Gegenspieler herum und zog aus etwa 17 Metern mit Rechts ab. Der Ball flog ins rechte Toreck und sicherte Union Berlin zum Auftakt der neuen Saison in der Fußball-Bundesliga immerhin einen Punkt. „Ich wusste ja, dass sein linker Fuß weltklasse ist“, sagte Mittelfeldspieler Khedira, „aber ich wusste nicht, dass sein rechter Fuß so gut ist! Aber darüber bin ich umso glücklicher.“ Benes klärte nach seinem Ausgleichstreffer zum 1:1 beim FSV Mainz 05, dass er sich den Ball eigentlich auch lieber auf seinen stärkeren linken Fuß legen wollte. „Aber ich habe ein ‚Hinter dir‘ gehört, dann habe ich mich auf die andere Seite gedreht und dann mit Rechts reingeschossen“, sagte der Neuzugang vom Hamburger SV. Dass sein Schuss noch leicht abgefälscht und somit für den Mainzer Torwart erst unhaltbar wurde, tat der Freude keinen Abbruch. „Es war ein schönes Tor“, meinte Benes: „Ich freue mich sehr, dass ich mit meinem Tor der Mannschaft helfen konnte.“
Ungewohnter Platz auf der Reservebank
Nur zu gern hätte er dies auch von Anfang an getan, doch anders als noch beim Pokalsieg eine Woche zuvor beim Greifswalder FC (1:0) gehörte der slowakische Nationalspieler diesmal nicht zur ersten Elf. Der neue Union-Trainer Bo Svensson setzte bei seiner Rückkehr an alter Wirkungsstätte zunächst auf den Ungarn András Schäfer. Erst in der 72. Minute wechselte Svensson Benes und Skarke ein – und wurde für diese Entscheidung mit dem Ausgleich nur kurze Zeit später belohnt. „Von der Bank kam viel frischer Wind“, lobte Vize-Kapitän Khedira. Auch Benes war froh, dass Skarkes Prophezeiung wahr wurde und dass Union dadurch eine Auftakt-Niederlage verhindern konnte: „Er hat vor der Einwechslung noch gesagt, dass wir zusammen ein Tor schießen.“ Doch der Torschütze nutzte die Gunst der Stunde auch, um nicht nur auf dem Platz für eine Startelf-Nominierung zu werben. Er tat dies auch in den Interviews hinterher recht offensiv.
„Ich bin nicht der Spieler, der auf der Bank sitzen will. Natürlich will ich von Anfang an spielen“, sagte der 26-Jährige. Stunk wolle er aber (noch) keinen machen, schließlich sei die Saison noch sehr jung. Der Trainer habe gegen Mainz so entschieden, und das sei „okay“. „Wichtig ist, dass ich der Mannschaft mit meiner Energie helfe, wenn ich reinkomme“, sagte Benes. Er wolle sich im Training noch stärker anbieten, damit ihm der ungewohnte Platz auf der Reservebank schon im Heimspiel am Freitag (30. August, 20.30 Uhr) gegen Aufsteiger FC St. Pauli erspart bleibe: „Wir versuchen dem Trainer zu zeigen, dass wir in die Startelf gehören“, sagte Benes womöglich als Sprachrohr aller Reservisten: „Ich finde generell, dass jeder Spieler wichtig ist. Auch wenn die Spieler, die auf Bank sitzen, nicht zufrieden sind.“
Auf ihn trifft das besonders zu, denn der Mittelfeldspieler hat seinen Lieblingsclub („Der HSV bleibt in meinem Herzen“) nach zwei ereignisreichen Jahren nur deswegen verlassen, um bei Union in der Bundesliga eine wichtige Rolle zu spielen und seiner Karriere einen neuen Schub zu geben. Und nicht, um dort als Edelreservist für spezielle Momente zu sorgen. „Auf jeden Fall ist unser Ziel, dass wir in oberer Hälfte wieder eine Rolle spielen. Und dabei will ich entscheidend helfen“, sagte er. Und auch die Verantwortlichen haben mit Sicherheit keine drei Millionen Euro investiert, um Benes dauerhaft als Einwechselspieler zu sehen. Im Club sei man überzeugt, „dass er unsere Mannschaft mit seinen Qualitäten verstärken wird“, sagte der neue Sport-Geschäftsführer Horst Heldt. Benes sei ein vielseitig einsetzbarer Mittelfeldspieler, „der unter anderem mit seinen Standards immer wieder Chancen kreieren“ könne und „bereits viele wertvolle Erfahrungen im deutschen Fußball“ gesammelt habe. In Mainz bestritt Benes, der im deutschen Oberhaus auch für Borussia Mönchengladbach und den FC Augsburg aufgelaufen war, sein 66. Bundesligaspiel.
Es ist damit zu rechnen, dass Benes im Heimspiel gegen Pauli von Beginn an ran darf. Gegen den Aufsteiger dürfte Union mehr Ballbesitz haben als gegen Mainz, was dem Neuzugang entgegenkommt. Das Remis zum Start fand Benes für ein Auswärtsspiel „okay“, weil sich das Team nach dem Rückstand erfolgreich zurückgekämpft habe. „Erst mal ist es wichtig, dass wir einen Punkt mitnehmen“, sagte der Slowake. An der Vorbereitung auf den Ligastart habe der schwache Beginn im Spiel nicht gelegen, betonte er. Trainer Svensson habe das Team „sehr gut“ vorbereitet. Kein Wunder: Svensson hat eine lange Vergangenheit beim FSV, insgesamt 16 Jahre war er für Mainz als Spieler, Co-Trainer, Jugendtrainer und Chefcoach tätig. Das haben die Mainzer nicht vergessen, die Fans bedankten sich bei ihm mit Gesängen und Applaus, der Stadionsprecher ging noch einen Schritt weiter und sagte ins Mikrofon: „Wir begrüßen ihn hier in seiner Heimat in Mainz, in seiner Brust schlägt das Mainzer Herz.“
Hitzige Wortgefechte mit Mainz-Trainer
Die großen Emotionen schien Svensson zu unterdrücken, doch er gab auch zu: „Es war besonders, keine Frage.“ Vor dem Spiel sei es „ein bisschen komisch“ gewesen, „ich war froh, als das Spiel angefangen hat, weil das den Fokus auf den Fußball gebracht hat.“ Und kaum rollte der Ball, nahm der Däne auch keine Rücksicht mehr auf seinen Ex-Club. Das bekam auch die Mainzer Bank zu spüren, vor allem mit seinem Nachfolger und Landsmann Bo Henriksen lieferte sich Svensson einige hitzige Wortgefechte an der Seitenlinie. „Gut, dass Sie kein Dänisch verstehen“, sagte Henriksen hinterher lächelnd in Richtung der Journalisten. Dramatisch sei der verbale Schlagabtausch aber nicht gewesen: „Am Ende des Tages ist das Fußball. Man redet, man ist emotional – wenn es nicht so wäre, würde Fußball keinen Spaß machen. Nach dem Spiel interessiert das aber nicht mehr.“ Auch Svensson nicht: „Es versuchen beide, mit allen Mitteln zu gewinnen und unsere Mannschaften zu pushen, das ist normal.“
Neben dem ersten Punktgewinn der Saison gab das Spiel in Mainz auch einige wichtige Anhaltspunkte für Svensson, wo sein Team aktuell steht. Gegen Pauli müssten seine Spieler noch konsequenter und konzentrierter in Strafraumnähe agieren, forderte der Coach. Das Gegentor in Mainz resultierte aus einem Freistoß nach einem plumpen Foul von Innenverteidiger Danilho Doekhi. „Ich ärgere mich darüber, wie das Gegentor fällt“, sagte Svensson: „Das war einer der zweiten Bälle.“ Und die sollen in der Mehrheit bei Union landen – das ist zumindest einer der Kernpunkte von Svenssons Spiel-Philosophie. Auch im Spielaufbau haperte es teilweise noch gewaltig, die Phase nach der Halbzeit war kaum mitanzusehen. Selbst passsicheren Spielern wie Khedira waren unerklärliche Abspielfehler unterlaufen.
Positiv ist jedoch hervorzuheben, dass Union von der Bank reichlich Qualität und frische Energie bringen kann. „Die drei Wechsel haben das Spiel positiv beeinflusst, und wir haben den Ausgleich gemacht“, lobte Svensson. Für Khedira hätten die „Joker“ gar „den Unterschied gemacht“. Benes würde aber nur zu gern in der Startelf der Unterschiedsspieler sein. Vielleicht ja schon gegen Pauli.