Die Deutsche-Fußball-Liga wird keine Hilfe von Investoren bekommen. Das haben die Vereine demokratisch entschieden. Zufrieden ist aber irgendwie niemand.
Es war eine Entscheidung, die den deutschen Fußball auf Jahrzehnte hin beeinflussen kann. Die 36 Profi-Clubs der 1. und 2. Bundesliga stimmten auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) über den geplanten Einstieg eines Investors ab. Ein Vertrag mit einem externen Geldgeber sollte der DFL und den Vereinen rund zwei Milliarden Euro bringen – diese Summe soll gleich fließen. Dafür sollten über 20 Jahre lang 12,5 Prozent der nationalen und internationalen Medienvermarktung an den Investor zurückfließen.
Verliert die Liga den Anschluss?
Von dem Geld des Kapitalgebers sollten in den nächsten Jahren 750 Millionen Euro zum Wohl aller Vereine investiert werden, speziell was den digitalen Auftritt und die internationale Vermarktung betrifft. Aus den Unterlagen, die den Clubs vor der Abstimmung übermittelt wurden, geht zudem hervor, dass auch der Posten „Rücklage Stabilität und/oder Investitionen“ in Höhe von 175 Millionen Euro als Reserve eingeplant ist. Ein großer Teil des Kapitals ist für die Infrastruktur der Vereine vorgesehen. Das frische Kapital soll nach einem Schlüssel aufgeteilt werden. Der FC Bayern und Borussia Dortmund dürften demnach mit höheren Beträgen rechnen als Darmstadt 98 oder Hansa Rostock. Zumindest der Zeitpunkt für einen Investoreneinstieg schien ideal – jedenfalls aus Sicht potenzieller Geldgeber. Denn die Bundesliga präsentiert sich dieser Tage keineswegs wie die Spitzenklasse des internationalen Fußballs. In den europäischen Wettbewerben haben die deutschen Clubs – abgesehen von Bayer Leverkusen – in dieser Saison kaum eine Rolle gespielt. Die Vereine scheinen von der finanzkräftigen Konkurrenz aus England, Spanien und nun auch Italien abgehängt worden zu sein. Selbst das endlich wieder einmal spannende Titelrennen der Bundesliga wirkt wie ein Beleg der mangelnden Qualität des deutschen Oberhauses, dem im Umkehrschluss wenigstens Potenzial im Hinblick auf eine erfolgreichere Zukunft attestiert werden kann. Dennoch: Die seit knapp zwei Monaten laufende Suche der Deutschen Fußball Liga (DFL) nach einem potenziellen Geldgeber gestaltete sich zäh.
Markus Krösche, Sportvorstand von Eintracht Frankfurt, war vor der Abstimmung noch recht optimistisch, dass die Clubs den Verhandlungen über den Einstieg eines Investors zustimmen werden. „Es ist wichtig, das Produkt 1. und 2. Bundesliga auf die Zukunft auszurichten“, sagte er. „Wir haben große Herausforderungen, was die Wettbewerbsfähigkeit in Europa angeht.“
Doch genau wie viele Anhänger, die zuletzt über Plakate in den Arenen ihren Unmut kundtaten, sehen auch führende Clubvertreter den Investoreneinstieg kritisch. Kölns Vizepräsident Eckhard Sauren forderte, über alternative Finanzierungsmodelle nachzudenken. Der FC St. Pauli beantragte, die Abstimmung zu verschieben. „Ich werde unter den jetzigen Bedingungen nicht zustimmen“, sagte Präsident Oke Göttlich. Der Chef des Zweitligisten fühlt sich von der DFL keineswegs ausreichend informiert, was die inhaltlichen Komponenten im Zusammenspiel mit einem Investor betrifft. Kurioserweise argumentieren die potenziellen Geldgeber – Advent, Blackstone, CVC und EQT – ähnlich. Die Spitzenkräfte der renommierten Private-Equity-Unternehmen bemängeln, dass sie bislang nur Kontakt zu den DFL-Finanzberatern pflegen dürfen. Dagegen seien direkte Kontakte zu den DFL-Interimsgeschäftsführern Axel Hellmann und Oliver Leki genauso unerwünscht wie zu den Vertretern der Clubs.
Und aufgrund dieser Unruhen und Ungewissheiten ist der Milliarden-Deal erst einmal geplatzt: Der Investoren-Einstieg bei der Deutschen Fußball Liga ist am Widerstand aus den eigenen Reihen gescheitert. Bei der Versammlung der 36 Profivereine in Frankfurt/Main wurde die nötige Zweidrittel-Mehrheit für die Aufnahme von Verhandlungen mit potenziellen Geldgebern verfehlt, es gab nur 20 Ja-Stimmen. Elf Clubs stimmten dagegen, fünf enthielten sich. Die Kritiker, zu denen neben den Clubführungen des 1. FC Köln und des FC St. Pauli auch zahlreiche Fangruppierungen gehören, hatten die mögliche Einflussnahme eines Geldgebers und die weitere Zementierung der sportlichen Kräfteverhältnisse angeprangert – sprich sie befürchteten, Top-Clubs würden mehr profitieren als kleinere Clubs.“Die Triebfeder kommt da hauptsächlich aus Großbritannien“, sagt Oliver Roth, Ex-Fußball-Profi und heute Kapitalmarktstratege, gegenüber dem ZDF und fügte hinzu: „Englische Vereine haben mehr als das doppelte an TV-Geldern pro Saison verfügbar als die Bundesliga. Aus sportlicher Sicht ein Riesennachteil.“
Alternativlos oder nicht?
Den wirtschaftlichen Vorsprung der Wettbewerber wie der Premier League reduzieren, ist das Eine, dass ein Finanzinvestor künftig die Geschicke der Bundesliga mitbestimmen könnte, das Andere. Oliver Roth meint hierzu emotional: „Ich bin es als Sportfan mittlerweile satt, dass die Vermarktung des Fußballs eine Größenordnung angenommen hat, die den Sport immer mehr in den Hintergrund treten lässt. Auch wenn es ökonomisch Sinn macht.“ Das Modell war nicht ohne Risiko. Für die zwei Milliarden Euro hätten die Clubs für die Dauer des Vertrags auf 12,5 Prozent ihrer Medienerlöse zugunsten des Kapitalgebers verzichten müssen.
Selbst bei einem moderaten Wachstum der Einnahmen (derzeit knapp 1,3 Milliarden pro Saison aus In- und Ausland) wären das über zwei Jahrzehnte gesehen deutlich mehr als drei Milliarden gewesen – also ein Verlustgeschäft. Für die DFL-Spitze um die Interimsbosse Axel Hellmann und Oliver Leki, die nach der Abstimmung ihren Rücktritt erklärten, war die Anschubfinanzierung dennoch „alternativlos“, um die Wettbewerbsfähigkeit der Liga zu gewährleisten.
Zudem sollte der Umsatz durch die Investitionen im besten Fall so gesteigert werden, dass trotz der Abgaben an den Geldgeber am Ende ein höheres Plus als bisher gestanden hätte. Das Ziel war also ein Win-Win-Geschäft. Laut Oliver Roth ist das Thema aber noch nicht ganz vom Tisch: „Die Reise wird dahingehen, dass die Bundesligisten versuchen werden, den Deal durchzuziehen.“ Mit einem solchen Szenario hatte DFL-Co-Geschäftsführer Leki vor der Abstimmung die kritischen Clubs gewarnt. Die DFL-Bosse zeigten sich nach der Abstimmung schwer enttäuscht. Aufsichtsrats-Chef Hans-Joachim Watzke übte sich in Galgenhumor: „Wir werden von denen, die nicht zugestimmt haben, in den nächsten Wochen konstruktive Vorschläge erhalten. Davon bin ich sehr, sehr überzeugt.“ Hellmann sieht sogar die Gefahr komplett den Anschluss zu verlieren: „Mit jedem Jahr, das vergeht, mit jeder Investition, die andere Ligen tätigen, wird es für uns immer schwieriger.“
Wirklich gewonnen hat niemand
Ziemlich unverhohlen stellte Watzke sogar die langjährige Solidargemeinschaft zwischen Topclubs wie dem BVB und dem FC Bayern und den Zweitligisten infrage: „Es sollte in der nächsten Zeit niemand mehr mit Solidaritätsthemen kommen.“
Borussia Mönchengladbachs Geschäftsführer Stephan Schippers hat das Votum der 36 Vereine gegen den Einstieg eines Investors bei der DFL unverhohlen als „Rückschlag“ bezeichnet. „Wir sind nach wie vor überzeugt davon, dass der von der Geschäftsführung der DFL beabsichtigte Weg, über ein Lizenzmodell einen strategischen Partner dazu zu holen, um finanzielle Mittel und Know-how für die in den kommenden Jahren dringend erforderlichen Maßnahmen zur Verfügung zu haben, richtig war und ist“, wurde der 55-Jährige in einer Mitteilung des Fußball-Bundesligisten zitiert. Deshalb habe die „Borussia auch mit Ja gestimmt“.
Beide Seiten liefern nachvollziehbare Argumente. Dennoch: Wirklich gewonnen hat niemand. Ohne diese Finanzspritze ist es weiterhin so, dass die Schere zwischen den Kleinen und den Großen immer weiter auseinandergeht. Sportlich gesehen wird es für die Bundesliga also nicht leichter. Dabei ist die Rechnung klar. Ändert sich nichts, wird die Schere auch im internationalen Vergleich größer – und die Bundesliga wird weiter abgehängt.