Deutschlands Exportmotor schwächelt, die Jahre ungehemmten Wachstums sind vorüber. Die Debatte darüber, was nun getan werden muss, um den Abschwung abzufedern, ist entbrannt. Investitionen sind notwendig, eisernes Sparen sehen Experten skeptisch.
Chinesische Autobauer zeigen sich selbstbewusst auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in München, chinesische Hersteller auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin. Die Konkurrenz aus Fernost hat ein politisch vorgegebenes Ziel: Bis 2049 soll China zur global führenden Wirtschafts- und Militärmacht aufgestiegen sein. Denn dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt. Schon jetzt geht ohne China nichts mehr. Besonders, wenn man die deutsche Automobilindustrie betrachtet.
Die USA schotten sich derweil ab und versuchen den Aufstieg Chinas wenigstens zu bremsen. Präsident Joe Bidens ökonomische Agenda, die vor allem auf US-Protektionismus gepaart mit Investitionsoffensiven und ökologischem Umbau der Wirtschaft fußt, funktioniert – zulasten von Unternehmen in der EU.
Die wirtschaftliche Stimmung im gesamten Euroraum ist schlecht, das zeigen Umfragezahlen. Aber es gibt zumindest auf mittlere Sicht ein Licht am Ende des Tunnels: Im Kampf gegen die Inflation in der Eurozone sieht der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Philip Lane, positive Signale. „Wir erwarten, dass die Kerninflation im Laufe des Herbstes zurückgeht“, sagte er in einem Interview mit dem irischen Magazin „The Currency“. Die Kerninflation beschreibt die Teuerung ohne besonders schwankungsanfällige Güter wie Energie und Nahrungsmittel. Lane sagte, es sei wichtig zu verstehen, dass es sich bei der aktuellen Teuerung um eine zeitlich begrenzte Episode handele. Die Zweitrundeneffekte, die auf die einstige Schockwelle folgen, werden ihm zufolge in diesem Jahr ihren Höhepunkt erreichen. Der Ökonom nährte damit die Hoffnung, dass die EZB die Zinsen auf ihrer Sitzung in der kommenden Woche nicht weiter anheben könnte.
Kerninflation soll im Herbst zurückgehen
Das wäre eine gute Nachricht, Deutschland ächzt unter den Auswirkungen des Krieges, von Zinsen und Inflation, der Bürokratie, des Klimawandels und den harten Debatten in der Ampelkoalition über den richtigen Umgang mit der Multikrisensituation. Unternehmen haben sich darauf eingestellt, müssen jedoch gleichzeitig investieren, um die vor ihnen liegenden Aufgaben zu stemmen. Helfen soll nun das Wachstumschancengesetz aus den Reihen der FDP, das laut Finanzminister Christian Lindner den deutschen Unternehmen sieben Milliarden Euro sparen soll.
Die schwache Nachfrage auf den Weltmärkten macht der Exportnation Deutschland zunehmend zu schaffen. Das zweite Halbjahr 2023 begann nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes mit einem Minus bei den Ausfuhren von einem Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Die Zahlen verdeutlichten, „dass dringend Impulse gesetzt werden müssen, um den Außenhandelsmotor ins Laufen zu bringen“, mahnte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura. Das Wachstumschancengesetz sei dafür ein guter Anfang und müsse möglichst schnell umgesetzt werden.
Hohe Energie- und Rohstoffpreise sind für viele Unternehmen eine Belastung. Wichtige Wachstumsmärkte wie China schwächelten zuletzt. „Von der Weltkonjunktur geht aufgrund des hohen Zinsniveaus in wichtigen Absatzmärkten, der weiterhin hohen Inflationsraten und der schwächelnden chinesischen Wirtschaft keine Dynamik aus“, so DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Bei den Maschinen- und Anlagenbauern setzte sich der Abwärtstrend bei den Bestellungen im Juli fort: Mit einem preisbereinigten Rückgang von elf Prozent zum Vorjahresmonat gab es erneut ein zweistelliges Minus, wie der Branchenverband VDMA mitteilte. „Die Unternehmen verbuchen zwar immer noch Umsatzsteigerungen“, erklärte der Chefvolkswirt des Verbandes, Ralph Wiechers. „Doch mangels ausreichender neuer Aufträge nehmen die Auftragsbestände und damit noch vorhandene Puffer für Produktion und Umsatz sukzessive ab.“
Abschwung war 2019 schon zu erahnen
Nach Meinung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) erholt sich die deutsche Wirtschaft erst dann, wenn die externen Schocks nachlassen. Das Wachstumschancengesetz alleine sei zu wenig, um ihr auf die Beine zu helfen. Empfohlen wird eine Abkehr von der Schuldenbremse und eine Entbürokratisierung. Darin ist sich das IW mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) einig. Dieses sieht vor allem staatliche Investitionen als Ausweg aus einer Krise, die allerdings nicht neu ist: Die Zahlen deuteten schon 2019 nach unten; der Abschwung wurde durch die Corona-Gelder der Bundesregierung abgefedert, nun kommt er zum Vorschein. Eisernes Sparen scheint dabei nicht der Königsweg zu sein, glaubt man den Experten. Und dies scheint auch nicht der Weg der Unternehmen zu sein, um diese Multikrise einigermaßen zu überstehen.