Die Tuba ist in Deutschland Musikinstrument des Jahres. Das wird rund um Himmelfahrt vom 9. bis zum 12. Mai in Berlin gefeiert. Das Eröffnungskonzert ist am 9. Mai in der Heilandskirche in Moabit.
Vom Balkan bis nach Nordamerika, im Orchester oder in der Brass-Band sorgt die Tuba für das klangliche Fundament. Ihren tiefen und voluminösen Sound assoziiert man mit dunklen Vorahnungen, bösartigen Kreaturen oder grotesken Situationen. Das vielseitige Blechblasinstrument wird allerdings weithin unterschätzt. So gibt es an den Berliner Musikschulen nur 46 Tuba-Lernende. Deren Zahl dürfte aber wohl bald steigen, wird doch die Tuba in ganz Deutschland derzeit als Instrument des Jahres gefeiert – so haben es die 16 Landesmusikräte der Bundesländer beschlossen.
Das tiefste Blasinstrument
Die Tuba rückt nun bei Schulprojekten, Workshops oder Sonderkonzerten in den Vordergrund. Ein Tuba-Botschafter, der sein Instrument bei Auftritten vorstellt, wurde ebenfalls berufen: Jörgen Roggenkamp, der vergangenen Sommer sein Masterstudium an der Berliner Universität der Künste abschloss und jetzt im Philharmonischen Orchester Kiel spielt.
Die Tuba ist ein imposanter Koloss, aus glänzendem Blech mit aufwärts gerichtetem Schalltrichter. Es handelt sich um das tiefste Blechblasinstrument im Orchester. Würde man das Rohr auseinanderwickeln, wäre es mehrere Meter lang. Über vier Oktaven hinweg lässt sich darauf musizieren.
Die Tuba existiert in verschiedenen Größen und Ausführungen. Am gebräuchlichsten ist im heutigen Orchester die Basstuba mit einer Rohrlänge von knapp vier Metern, die denselben Tonbereich wie der Kontrabass oder das Fagott abdeckt. Größer und tiefer kommt die Kontrabasstuba daher mit ihrem fast fünfeinhalb Meter langen Rohr. Auch die Tenortuba, Euphonium genannt, wird gelegentlich verwendet.
In Blaskapellen greift man eher zu einer Variante namens Sousaphon – das lässt sich um den Oberkörper hängen und sorgt mit seinem vergrößerten Schalltrichter für mehr Wumms. Eine Rarität ist die Subkontrabass-Tuba, deren tiefste Töne sogar unterhalb der menschlichen Wahrnehmungsschwelle liegen.
Die Bezeichnung „Tuba“, was auf Deutsch nichts anderes bedeutet als „Röhre“, kannte man schon im Römischen Reich – so nannte man Blasinstrumente aus Messing oder Bronze. Im späten 18. Jahrhundert, zu Lebzeiten Beethovens, suchte man vollklingende Bassinstrumente als Fundament für die größer und lauter werdenden Orchester. Also begannen die Instrumentenbauer zu experimentieren. Ein erster Versuch war die Ophikleide, ein großes Horn aus Blech, das man nach dem Vorbild von Querflöte und Klarinette mit Klappen versah. Damit konnte man neben simplen Fanfaren-Dreiklängen nun auch richtige Melodien spielen. Eine Revolution, obwohl einige Töne der Ophikleide muffig klangen.
Mit der Erfindung der Ventiltechnik ließ sich der Klang weiter perfektionieren. Die Ventile dienen dazu, die Rohrlänge zu verändern. Bei ihrer Betätigung wird die Luft durch eine zusätzliche Rohrschleife geleitet und so die Luftsäule verlängert. Das ermöglicht ein geschmeidiges Spiel über sämtliche Halbtöne der Tonleiter hinweg.
In Berlin entwickelte Wilhelm Wieprecht, Direktor des königlichen Militärmusikkorps, gemeinsam mit dem Instrumentenbauer Carl Wilhelm Moritz eine Basstuba mit fünf Ventilen. Diese „Berliner Pumpen“ funktionierten besonders zuverlässig. 1835 ließen sich die beiden ihre Entwicklung patentieren. Die neuartige Tuba wurde zuerst in den preußischen Militärkapellen verwendet, bald setzte sie sich auch im Sinfonieorchester durch.
Auch die älteste heute noch erhaltene Tuba der Welt ist ein Produkt der Berliner Firma Moritz. Zu sehen ist das 1839 konstruierte Stück im Berliner Musikinstrumenten-Museum am Potsdamer Platz. Hier läuft auch eine Sonderausstellung, die sich dem „Instrument des Jahres“ widmet. Die Besucher können die Entwicklung der tiefen Blechblasinstrumente nachvollziehen und verschiedene Bauformen der Tuba und ihrer Vorläufer erkunden.
Dass man auf der schwerfällig anmutenden Tuba so wendig und nuancenreich spielen kann, dafür legte der Franzose Jean-Baptiste Arban den Grundstein. Er entwickelte eine Übungsmethode für die neuartigen Ventilinstrumente. 1864 veröffentlichte er ein Lehrbuch, das den Blechbläsern bis heute als Bibel gilt und an jedem Konservatorium zum Einsatz kommt.
Lange musste sich die Tuba auf die Rolle als Begleitinstrument beschränken. Als Soloinstrument kommt sie erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts zum Zuge. Bahnbrechend war der englische Komponist Ralph Vaughan-Williams, der 1954 in London sein „Tuba Concerto“ uraufführte. Nach wie vor ist es ein Standardwerk, das von Tubisten bei jedem Probespiel gefordert wird. Als wichtiger Wegbereiter für die Solo-Tuba gilt auch der kalifornische Musiker und Pädagoge Roger Bobo. Der Schwede Michael Lind veranstaltete in den Siebzigern die ersten Meisterkurse für dieses Instrument. Und der Amerikaner Gene Pokorny machte die Tuba durch Film-Soundtracks wie in „Jurassic Park“ populär.
In letzter Zeit sorgt der vielfach preisgekrönte Franzose Thomas Leleu für Begeisterung, der sich zwischen Klassik, Weltmusik und Pop bewegt. Mit 19 Jahren wurde er Solo-Tubist an der Oper von Marseille, wo er mit dem Regisseur des Cirque du Soleil die Show „The Tuba’s Trip“ auf die Bühne brachte. Mehrere Komponisten widmeten ihm ihre Werke. Leleu hat aber auch eigene Jazz- und Pop-Stücke veröffentlicht.
Die Tuba ist vor allem Männersache
Das tiefe Blech ist nach wie vor eine Männerdomäne. Frauen erlebt man an der Tuba nur selten – aber es gibt sie. Eine Pionierin ist die Amerikanerin Carol Jantsch, die vor zwei Jahrzehnten als erste Frau Solo-Tubistin eines angesehenen Orchesters wurde, beim Philadelphia Orchestra. Damals war das eine Sensation.
Carola Beukenbusch wiederum lebt im Rheinland und wird regelmäßig von Profi-Ensembles wie der Deutschen Oper am Rhein als Verstärkung engagiert. In einem Interview mit SWR Kultur erzählte sie von Vorurteilen gegenüber Tubistinnen. „Mit zehn bis 15 Kilo wiegt die Tuba nicht mehr als ein dreijähriges Kleinkind. Argumente gegen das Tragen von Kindern hören Frauen jedoch kaum“, sagte sie. „Das weibliche Lungenvolumen ist tatsächlich kleiner als bei Männern. Trotzdem ist das kein Grund, als Frau die Finger von der Tuba zu lassen. Was man an Lungenvolumen nicht hat, kann man sehr gut mit Technik kompensieren.“ Am Ende zieht Beukenbusch das optimistische Fazit, dass der Frauenanteil an der Tuba langsam steige.
Auch jenseits des klassischen Sinfonieorchesters ist der satte Sound der Tuba beliebt. Im Jazz übernahm sie anfangs die Bassfunktion. Dass sie dann vom Kontrabass abgelöst wurde, hängt auch mit den Verbesserungen der Aufnahmetechnik zusammen. Nach dem Zweiten Weltkrieg feierte die Tuba im Dixieland ein Comeback. In der Standard-Besetzung der traditionellen englischen Brass Band sind sogar vier Tuben im Einsatz. Auch in der Balkan-Blasmusik sowie in den Fanfarenzügen und Militärkapellen ist die Tuba ein gerne eingesetztes Instrument.
Ein Höhepunkt im Programm zum „Musikinstrument des Jahres“ ist das Tuba-Fest, das rund um Himmelfahrt vom 9. bis 12. Mai in Berlin stattfindet. Das Eröffnungskonzert am 9. Mai in der Heilandskirche von Moabit bestreiten zwei angesagte Tuba-Ensembles gemeinsam: das Melton Tuba-Quartett, das schon seit fast vier Jahrzehnten besteht, und das jüngere Trio 21meter60, das vor zwei Jahren mit dem Opus Klassik ausgezeichnet wurde.
Außerdem gastiert die Tuba-Klasse der Musikhochschule „Hanns Eisler“ beim Fest. Es finden Workshops statt. Und vor dem Brandenburger Tor ist eine klingende Demonstration für bessere musikalische Bildung geplant.
Mit von der Partie ist auch Daniel Ridder, der Tuba im Musikkorps der Bundeswehr spielt. Er forscht begeistert zur Historie der Tuba-Instrumente und besitzt eine eigene Instrumentensammlung. Seine Erkenntnisse präsentiert er am 11. Mai in einem Gesprächskonzert im Musikinstrumenten-Museum. Zu dieser musikalischen Zeitreise bringt er verschiedene historische Tuben und sogar eine altertümliche Ophikleide mit.