Der „Friedensplan“ der US-Regierung sieht vor, ukrainische Bodenschätze auszubeuten – mehr nicht. Der Wettlauf um strategische Rohstoffe aber ist weltweit entbrannt. Eine angehende Weltmacht hat bereits viele Trümpfe in der Hand: China.

Der Eklat im Weißen Haus um den US-Präsidenten, seinen Vize und merkwürdige Reporterfragen an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj schlug hohe Wellen – einen solchen Fall von Brüskierung eines ausländischen Gastes hatte das Oval Office in den vergangenen Jahrzehnten wohl nicht gesehen. Dabei ging es auch um einen Deal, den Selenskyj nicht ohne US-Sicherheitsgarantien unterzeichnen will: einen gemeinsamen Fonds der USA und der Ukraine zum Wiederaufbau des Landes, der mit Geld aus dem Verkauf von ukrainischen Bodenschätzen finanziert wird. Im Grunde eine gute Idee, würde sie mit militärischen Garantien zur Abschreckung Russlands und nicht mit mafiösen Erpressungsversuchen der US-Regierung verbunden.
Materialien für Hightechprodukte
Laut Vereinten Nationen liegen fünf Prozent der weltweiten Vorkommen für strategisch wichtige Rohstoffe – nicht zu verwechseln mit Seltenen Erden, von denen die Ukraine vergleichsweise wenige besitzt – auf dem Territorium der Ukraine, von dessen Fläche derzeit 20 Prozent von russischen Truppen besetzt ist. Jene Rohstoffe sind unter anderem für Hightechprodukte, Luft- und Raumfahrt, die Rüstungsindustrie und Erneuerbare Energien wie Autobatterien oder auch für Smartphones interessant. Dabei handelt es sich unter anderem um Kobalt, Tantal, Niob und Graphit. Vor allem bedeutende Titanlagerstätten existieren in der Ukraine, insgesamt etwa sieben Prozent der weltweiten Vorkommen. Hinzu kommen außerdem große Eisenerz- und Manganvorkommen. Laut der ukrainischen Akademie der Wissenschaften seien reiche Lithiumvorkommen vorhanden, sie schätzt deren Umfang auf zirka 500.000 Tonnen. Damit wäre es eines der größten Lithiumvorkommen auf europäischem Boden. Das ukrainische Ministerium für Naturschutz und natürliche Ressourcen schätzte 2022, dass mit ukrainischem Lithium und Graphit 20 Millionen Elektroautos gebaut werden könnten. Zwei der vier bekannten Lithiumlagerstätten liegen derzeit unter russisch kontrolliertem Territorium der Regionen Donezk und Saporischschja. Insgesamt besitzt die Ukraine zirka 20.000 Lagerstätten, in denen 110 unterschiedliche Arten strategisch wichtiger Rohstoffe schlummern. Diese will sich die Trump-Regierung sichern.

Und nicht nur Trump, auch der Kreml. Laut dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages kontrollierte Russland 2023 63 Prozent der Kohlevorkommen der Ukraine, elf Prozent der Ölreserven, 20 Prozent der Erdgasreserven, 42 Prozent der Metallerze und 33 Prozent der Vorkommen an Seltenen Erden und strategisch wichtigen Rohstoffe. Denn die Ukraine ist in den Augen des Machthabers im Kreml nicht nur „historisches russisches Gebiet“, wie die russische Propaganda nicht müde wird zu behaupten, um den Angriff ideologisch zu rechtfertigen. Sondern auch ein wirtschaftlicher Konkurrent. So findet sich Russland beispielsweise auf Platz sechs der weltweiten Titanschwamm- und Graphitförderung wieder, die Ukraine auf Platz fünf; Russland ist weltweit Galliumförderer Nummer zwei, die Ukraine auf Platz drei, ermittelte das Deutsche Lithium-Institut in Halle. Eine Ukraine unter vollständiger russischer Kontrolle hätte zur Folge, dass Russland einen bedeutenden Konkurrenten auf dem Weltmarkt für zahlreiche Bodenschätze ausgeschaltet hätte und zugleich Zugriff auf Rohstoffe im geschätzten Wert von elf Billionen US-Dollar erhielte.
USA und EU sind abhängig von China
Allein diese Zahl unterstreicht bereits die enorme ökonomische Dimension des Krieges, die durch den hastigen Rohstoffdeal der Vereinigten Staaten mit der Ukraine noch einmal in den Vordergrund rückt. Das Marktpotenzial ist groß, denn international ist der Wettlauf um wichtige Metalle und Seltene Erden längst entbrannt. Letztere finden sich zu großen Teilen in China. Die strategische und technologische Konkurrenz zwischen der Volksrepublik und den Vereinigten Staaten ist kein Geheimnis. Wer leichten Zugriff auf wichtige Rohstoffe hat, erlangt hierbei einen Vorteil. Die Trump-Administration verfolgt mit ihrem geplanten Abkommen offensichtlich das Ziel, die Abhängigkeit von chinesischen Lieferungen zu reduzieren und gleichzeitig die eigene Position im Wettbewerb um kritische Ressourcen zu stärken. China dominiert derzeit den Markt für Seltene Erden und andere strategische Rohstoffe. Im Jahr 2022 förderte die Volksrepublik über sechs Millionen Tonnen Titan, während die USA lediglich 300.000 Tonnen produzierten. Rund 70 Prozent der US-Importe an Seltenen Erden stammen aus China. Ähnliche Diskrepanzen zeigen sich bei anderen wichtigen Rohstoffen wie Mangan.

In der Ukraine stoßen nun offenbar US- und chinesische ökonomische Interessen direkt aufeinander. China ist der größte Außenhandelspartner der Ukraine. Zehn Prozent der ukrainischen Agrarfläche ist an chinesische Unternehmen verpachtet. Die Ukraine gilt als wichtiger Mais- und Gerstelieferant für China. Dennoch sind die Investitionen Chinas in der Ukraine vergleichsweise gering, Chinas öffentliche Zurückhaltung kaschiert mehr schlecht als recht die wirtschaftliche Unterstützung Russlands während des Krieges gegen dessen Nachbarn. Es profitiert aber von den Sanktionen, die dem Aggressor auferlegt wurden, und davon, dass eine geplante Rohstoffallianz zwischen der EU und der Ukraine wegen des Krieges bislang nicht zustande kam. Denn das geplante Ziel der Europäer, sich von Chinas Rohstoffmacht unabhängiger zu machen, rückte dadurch in die Ferne. Die Volksrepublik fördert weiterhin auch für die USA und Europa zum Beispiel 70 Prozent der weltweiten Seltenen Erden und, noch viel wichtiger, nimmt eine Quasi-Monopolstellung bei der Weiterverarbeitung ein. Die EU bezieht 98 Prozent ihrer Seltenen Erden von China, das zugleich ein zentraler technologischer Player in der weltweiten Produktionskette auch für andere strategisch wichtige Rohstoffe geworden ist – und seine herausgehobene Stellung in den vergangenen Jahrzehnten des Öfteren als ökonomische Waffe gegen Länder wie Japan oder die USA verwendet hat, indem es die Exporte bestimmter Metalle einschränkte.
Die Ukraine wäre demnach für die USA wie für die EU eine Möglichkeit, Risiken in der Versorgung mit wichtigen Rohstoffen zu verringern. Es läge also auch im Interesse der Vereinigten Staaten, den Zugriff Russlands, das sich der strategischen Freundschaft Chinas rühmt, auf diese Materialien zu unterbinden. Offenbar ist man jedoch im Weißen Haus gewillt, notfalls auch mit Russland zusammenzuarbeiten, um seine Ziele zu erreichen. Die jüngsten, befremdlichen und gefährlich klingenden Äußerungen Trumps in Richtung Grönland und Kanada lassen aufhorchen. Sie lassen nichts Gutes für eine unabhängige Ukraine erahnen, die auch aufgrund ihres Rohstoffreichtums eine herausragende Stellung als Mitglied der EU einnehmen könnte. Denn der Preis, den die Trump-Regierung für die Rohstoffe der Ukraine zu zahlen bereit ist, liegt nahe Null.
Ein Preisschild dafür wird aber möglicherweise gerade erstellt – in Gesprächen der USA mit Russland. Die meisten der zahlreichen Lagerstätten sind zwar bekannt, aber noch unberührt. Sie zu erschließen würde Milliarden kosten, zunächst ungeachtet dessen, wie der Krieg überhaupt endet und welche Risiken für Unternehmensinvestitionen damit verbleiben. Noch schieben sich Russlands Truppen unter immensen Verlusten langsam vorwärts. Wer am Ende die Kontrolle über welche Gebiete innehat, ist völlig unklar, wie ein Frieden aussehen könnte, ebenso. Dass die Trump-Regierung versucht, Zugriff auf die noch unter ukrainischer Kontrolle stehenden Rohstoffe zu erlangen, ist dem russischen Diktator nicht verborgen geblieben. Putin schlug daher bereits vor, gemeinsam mit den USA auch die Vorkommen in den besetzten Gebieten auszubeuten – ein vergiftetes Angebot, das dazu dient, den Keil zwischen den USA und den Ukraine-Unterstützerstaaten weiter zu vertiefen und die fragile russische Kriegswirtschaft mithilfe der USA neu zu starten.
Russland besetzt Lithiumstätten
Rohstoffe aber werden einen entscheidenden Faktor bei Friedensverhandlungen spielen, dessen sind sich zumindest die Autoren des Center for International Relations and Sustainable Development (CIRSD) sicher. Der Politik-Think-Tank in Belgrad und New York hatte in einem Bericht darauf hingewiesen, dass die Kreml-Truppen bei ihrem Einmarsch 2022 einen Großteil der ukrainischen Bodenschätze unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Diese hat die Ukraine teilweise wieder zurückerobert, dennoch bleiben viele Lagerstätten bis heute umkämpft.

Im Januar fiel das größte Lithiumvorkommen der Ukraine nahe der Ortschaft Schewtschenko in russische Hände. Je mehr Bodenschätze der Kreml kontrolliert, desto schwächer ist die Position der Ukraine – nicht nur in möglichen Verhandlungen, sondern auch die wirtschaftliche Zukunft des Landes. Dagegen verbessert sich die wirtschaftliche Zukunft Russlands. Dort gibt es kaum Lithium, dafür jedoch genügend Öl und Gas – Energielieferanten, die in einer zunehmend von Erneuerbaren Energien geprägten Zukunft kaum noch eine Rolle spielen werden. Da sich die russische Wirtschaft zu großen Teilen auf Rohstoffe stützt, wäre es für sie demnach von Vorteil, große Teile jener Rohstoffe zu kontrollieren, die die EU und die USA für ihre grüne Transformation oder für Hightechprodukte benötigen. Selbst Gas als „Brückentechnologie“ und sichere Einkommensquelle fällt für Russland nun weg, da Nord Stream 2 gesprengt wurde. Lediglich Flüssiggasimporte in die EU sind noch immer möglich.
Die Ukraine ist sich dessen bewusst. Ein Deal, Sicherheitsgarantien gegen Rohstoffe, war zentraler Bestandteil von Präsident Selenskyjs „Siegesplan“, mit dem er hoffte, Trump zu überzeugen. Er ist nach Medienberichten auch Teil der Verhandlungen der Ukraine mit den europäischen Unterstützern. Ob der Plan gelingt, muss sich zeigen. Rohstoffe zum Nulltarif aber werden weder die EU noch die USA noch Russland in der Ukraine finden – der Preis, den alle Beteiligten zahlen, wird gerade erst festgelegt.