Der Rover Defender ist der Urtyp des Geländewagens, gedacht als Arbeitsgerät für die Landarbeit. Dieses Image pflegt Rover zwar immer noch, aber der Rover Defender X-Dynamic SE P300e 2.0 ist schon lange sehr viel mehr. Wir haben ihn getestet – aus der Sicht des Beifahrers.

Wer kennt ihn nicht, den Urtyp des Geländewagens? Ursprünglich aus Aluminium gefertigt, mit gerundeten Dachkanten und kleinen länglichen Fenstern im seitlichen hinteren Dachteil. Gedacht für Landwirte, die auch auf unwegsamen Wegen und Feldern mit dem Auto unterwegs sein können. Im Urzustand ausgestattet mit Blattfedern, die den Komfort einer historischen Kutsche boten.
Viel ist von dieser Anmutung nicht übrig geblieben. Der Rover Defender hat immer noch ein seitlich abgerundetes Dach. Es gibt noch immer die kleinen, länglichen Fenster an den hinteren Dachseiten, und er pflegt noch immer das Image eines Arbeitstieres. Aber der Rover Defender ist inzwischen zu einem Luxusauto mit Luftfederung und viel Komfort geworden. Kultig sieht er immer noch aus, auch rustikal will er erscheinen, aber das tut dem Komfort keinen Abbruch. Auf der Motorhaube sind über den Kotflügelhäusern Trittbleche montiert, damit man nicht ausrutscht, wenn man darauf steigt. Es stellt sich nur die Frage, warum man das heute noch machen sollte. Die wenigsten Nutzer dürften in diese Verlegenheit kommen. Dennoch sieht es chic aus und verströmt den Charakter des kultigen Ur-Defenders, bei dem man von hier aus das Dach beladen konnte.
Versteckte Anhängerkupplung
Eine Dachreling hat unser Testwagen auch. Wir könnten also auch gut Gepäck in Mengen auf dem Dach mitnehmen, aber vermutlich käme niemand auf die Idee, den schönen grauen Lack zu ruinieren, indem man auf die Motorhaube klettert. Das Image des rustikalen Auftretens pflegt der Testwagen mit weiteren Attitüden. Am Heck sind gleich zwei feststehende, gut sichtbare Abschlepp-Ösen befestigt. Mit ihnen kann man ein liegen gebliebenes Auto abschleppen, aber man könnte eben auch Lasten aus dem Morast ziehen, Baumstämme mit einem Stahlseil ziehen oder ähnlich Abenteuerliches veranstalten. Die Heckleuchten sind von hervorstehenden Umrandungen eingefasst und vermitteln somit einen martialisch-klassischen Eindruck.
Zu solch einem Arbeitsvehikel gehört natürlich auch eine Anhängerkupplung. Wäre sie starr montiert, würde man sich vermutlich ständig beim Be- und Entladen des Kofferraums die Schienbeine stoßen. Das mutet Rover seinen Kunden nicht zu, sondern bietet bei unserem Testwagen eine elektrisch bedienbare Anhängerkupplung an. Ein fantastischer Luxus, denn per Knopfdruck im Kofferraum lässt sich die Anhängerkupplung aus- und auch wieder einklappen. Dafür fährt sie aus ihrem „Versteck“ herunter, schwingt aus und rastet ein. Selbst die unterschiedlichen Höhen möglicher Anhänger hat Rover bedacht und die Möglichkeit geschaffen, das Heck des Defenders ebenfalls per Knopfdruck abzusenken, damit es einfacher ist, den Anhänger anzukuppeln. Das erscheint besonders sinnvoll vor dem Hintergrund, dass unser Test-Defender 3.000 Kilogramm Anhängelast hat. Das ist sehr viel. Damit man nicht aus Versehen eine zu hohe Last anhängt, zeigt das Display des Fahrers genau an, welches Gewicht gerade auf der Kupplung anliegt. Dabei ist die Anzeige präzise, sie zeigt uns sogar das Gewicht des Fahrers an, der auf die Kupplung gestiegen ist, um genau dies auszuprobieren. Und er wiegt deutlich weniger als ein Anhänger.

Der Kofferraum ist riesig. Seine Abdeckung pflegt das rustikale Image des Defenders. Wo ich bei anderen Autos eine feste Abdeckung erwarte, die vielleicht sogar elektrisch nach hinten fährt, wenn ich die Heckklappe öffne, hat der Defender eine Art Stoffbahn, die dezent labberig über den Kofferraum gespannt ist. Sie ist an den Seiten mit Gummischlaufen über hochstehende Haken befestigt und kann ganz entfernt werden. An dieser Stelle macht der Defender seinem Arbeitsimage alle Ehre. Die Hecktür ist rechts angeschlagen und schwingt mit dem an ihr befestigten Reserverad nach rechts auf. Die Bedienung ist leicht. Gewöhnungsbedürftig ist beim ersten Öffnen der Raum, den die Tür nach hinten einnimmt, wenn man sie aufschwingt. Beim ersten Mal habe ich sie mir gegen den gar nicht so dicken Bauch geschlagen. Danach wusste ich Bescheid.
Reichlich Leistung dank 300 PS
Sogar eine Haushaltssteckdose ist im Kofferraum verbaut. Man könnte also statt des Holzkohlegrills, der bei großer Trockenheit eine Brandgefahr darstellt, auch einen Elektrogrill im Kofferraum mitführen und ungefährdet in der „Wildnis“ grillen. Spaß beiseite, wozu dieses Auto eine Haushaltssteckdose hat, weiß ich nicht, aber es gibt bestimmt sinnvolle Verwendungen dafür.
Wie der Ur-Defender hat auch unser Testwagen eine Zwei-Farben-Lackierung. Neben dem Rumpf in einem dunklen Grau ist das Dach schwarz abgesetzt. Es sieht richtig elegant aus. Die dunklen Farben stehen dem Defender ausgezeichnet. Die Säulen zwischen den hinteren Türen und dem Heckabteil sind in etwas hellerem Grau abgesetzt, was ebenfalls ein sehr schönes Designmerkmal ist.
Die Front ist bullig und hoch. Sie ist geprägt von quer verlaufenden Lufteinlässen zur Kühlung des zwei Liter Benzinmotors, den ein Hybridantrieb unterstützt. Mit seinen 300 PS ist der Wagen gut motorisiert. Er zieht gut an und beschleunigt immerhin in sieben Sekunden von 0 auf Tempo 100 km/h. Beeindruckend ist die Durchzugskraft im Gelände. Wir konnten ohne jegliche Probleme auch steile Sandpisten erklimmen – ohne dass wir das Gefühl hatten, wir würden stecken bleiben.
Sitzbelüftung sorgt für gute Kühlung
Die Türen bieten sowohl vorn als auch hinten viel Platz zum Einsteigen in einen Innenraum, der eine wahre Freude ist. Auch hier weist der Defender darauf hin, dass er eigentlich ein Arbeitsgerät ist – oder zumindest war. Die Türverkleidungen sind mit gut sichtbaren Schrauben angebracht, genauso wie die Verkleidung der Mittelkonsole. Vorne bietet der Defender eine ganze Griffleiste am Armaturenbrett. Sie ist wirklich hilfreich, wenn man im Gelände in den Wagen einsteigen will, denn die Niveau-Regulierung sorgt dafür, dass die Bodenfreiheit im Gelände deutlich erhöht einstellbar ist. Wenn man dann noch die Sitzhöhenverstellung ganz nach oben gefahren hat, wird der Einstieg zur echten Kletterpartie. Im Alltag benötigt man die Gelände-Bodenfreiheit nicht, das senkt den Einstieg schon deutlich ab. Der Sitzkomfort ist auch ohne, dass man den Sitz so hochgefahren hat als säße man auf einem Sessel, sehr gut. Die mit Leder bespannten Sitze sind perforiert, was neben einer exzellenten Sitzheizung auch eine angenehme Sitzbelüftung möglich macht. Die Einstellung der Sitze erfolgt über verschiedene Bedienelemente an der Seite des Sitzes elektrisch. Die Sitze gehören zur absoluten Spitzenklasse dessen, was ich bisher getestet habe. Es gibt nur wenige Sitze, die so gut waren wie die des Defenders. An bessere kann ich mich kaum erinnern.
Der Innenraum ist schlicht und funktional gehalten – passend zum Image des Autos. Das Armaturenbrett enthält eine breite Ablagefläche, die sich vom Beifahrersitz bis hin zu den Armaturen des Fahrerbereichs erstreckt. Direkt darüber sind mehrere Eingriffmulden, an denen man sich sowohl im Gelände, als auch beim Einstieg festhalten kann. Auch ein Handschuhfach gibt es. Die Türen bieten ebenfalls Raum für die Ablage verschiedener Dinge. Für ein angenehmes Licht im Innenraum sorgt ein Panorama-Glasdach, das wir bei Bedarf mit einem Rollo verdunkeln können. Die Mittelkonsole ist breit, ebenso wie die Sitze selbst. Neben zwei Cupholdern hat Rover hier ein großes Ablagefach spendiert, das als Kühlfach dienen kann. So muss niemand auf ein angenehm gekühltes Getränk verzichten. Unterhalb des Displays in der Mittelkonsole, das man sich vorstellen kann wie ein mittelgroßes Tablet, finden sich einige Bedienelemente, die übersichtlich und selbst für mich als Beifahrer gut verständlich sind. Hier findet sich auch eine Art kurzer „Schaltknüppel“ für den Fahrer.

Auf den hinteren Sitzen hat man angenehm viel Platz und Beinfreiheit. Über die Kopffreiheit im ganzen Auto muss man sich nicht groß auslassen, sie ist schlicht großartig. Selbst sehr große Menschen dürften hier keine Probleme haben, bequem zu sitzen. Die Fenster lassen sich elektrisch bedienen. Auch an Kinder hat Rover bei diesem Auto gedacht, denn der Fahrer kann per Knopfdruck die hinteren Türen „sichern“. So können die Passagiere von der hinteren Rückbank weder die Türen noch die Fenster selbst öffnen. Das hat gleich am Anfang dazu geführt, dass wir versehentlich meine Frau „gefangen genommen“ haben, die wir auf dem Rücksitz mitgenommen haben.
Der Rover Defender polarisiert. Entweder man mag ihn, oder man mag ihn nicht. Ich mag ihn, ich hätte ihn liebend gerne behalten! Aber es gibt auch Menschen, die gegenüber so großen Autos ablehnend eingestellt sind. Bei einem Fotostopp fuhr eine junge Mutter mit ihrem etwa drei Jahre alten Mädchen an uns vorbei und sagte recht abfällig zu der Kleinen: „Guck mal, da ist so ein E-Monster“. Das hat mir zwar ein Schmunzeln abgerungen, aber es zeigt auch, dass dieses Auto sein Ziel erreicht. Es ist ein Kultauto, das vielen gefällt, aber nicht allen gefallen will. Auf das E-Monster kam die junge Frau, weil das Nummernschild neben den Ziffern ein E für Elektro trägt. Diesen Wagen aber als „Monster“ zu bezeichnen, finde ich unangebracht. Er ist groß, sicher größer als die meisten anderen Autos, aber er bietet dafür auch für eine fünfköpfige Familie viel Platz für Reisen und auch das dazugehörige Gepäck.