Bei Union Berlin läuft’s nicht rund. Die juristische Auseinandersetzung wegen der Wertung des Skandalspiels gegen Bochum beschäftigt den Club genauso wie die wieder aufkommende Abstiegsangst.

Derjenige, der mit seinem Feuerzeug-Wurf den ganzen Skandal ausgelöst hatte, wird sich Union-Spiele für eine ganze Weile nur noch am Fernseher anschauen dürfen. Der Täter wurde vom Club schon vor Monaten ermittelt und mit einem dreijährigen Stadionverbot bestraft. Außerdem erstattete der 1. FC Union Berlin Anzeige bei der Polizei. „Mehr ist da im Moment nicht zu tun“, sagte Clubsprecher Christian Arbeit Mitte Dezember. Ganz anders steht es um die Folgen für den Verein, diesbezüglich sind die Verantwortlichen noch immer mit dem Skandalspiel vom 14. Dezember gegen den VfL Bochum beschäftigt. Das DFB-Bundesgericht lehnte im Berufungsprozess den Einspruch der Unioner gegen die Erstinstanz-Entscheidung durch das DFB-Sportgericht ab, dass die eigentlich mit einem 1:1 beendete Partie mit 2:0 zugunsten der Bochumer zu werten sei.
Hintergrund: Bei dem Spiel in der Alten Försterei wurde VfL-Torwart Patrick Drewes von einem Feuerzeug, das aus dem Fanbereich geworfen worden war, am Kopf getroffen. Das Spiel wurde daraufhin für fast eine halbe Stunde unterbrochen, die restlichen Spielminuten dann in Form eines „Nichtangriffspakts“ beider Mannschaften über die Bühne gebracht – allerdings ohne den Keeper, der über Schwindel, Übelkeit und Schmerzen klagte. „Wir haben in der rechtlichen Wertung davon auszugehen, dass eine Schwächung der Mannschaft vorliegt“, sagte Oskar Riedmeyer als Vorsitzender des Bundesgerichts.
Eine Argumentation, die die Union-Bosse nicht akzeptieren konnten – und auch nicht werden. Der Bundesligist aus Berlin-Köpenick kündigte den Gang vor das Ständige Neutrale Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften als letzte Instanz an. Auch zivilrechtliche Schritte will der Club prüfen. „Die Schaffung dieses Präzedenzfalls war aus unserer Sicht Ziel des Kontrollausschusses“, begründete Union-Präsident Dirk Zingler:. „Wir sind daher gezwungen, dem politischen Druck zu entgehen und werden das Ständige Schiedsgericht anrufen.“ Dass es auch um eine abschreckende Wirkung geht, verhehlte Riedmeyer gar nicht. „Wir hoffen, dass wir nicht weitere solche Fälle sehen, wir hoffen, dass es ruhiger wird“, sagte er in der Verhandlung.
Ruhiger wird es im Abstiegskampf nun aber keineswegs. Wann sich das Ständige Schiedsgericht des Falls annehmen kann, war zunächst offen. Es droht eine Hängepartie im Abstiegskampf, über den letzten Saisonspielen könnte ein Damoklesschwert hängen. Denn so lange der Gerichtsstreit nicht beendet ist, darf Union auf einen weiteren Punkt hoffen und muss Bochum den Abzug von zwei Zählern fürchten. Stand jetzt aber steckt Union wieder tief im Abstiegskampf drin – und das hatte durch das 0:1 zu Hause gegen Holstein Kiel auch sportliche Gründe. Durch die Niederlage ließ man den Tabellenvorletzten wieder auf sieben Punkte herankommen, Bochum auf dem Relegationsrang ist nur noch sechs Punkte entfernt.
„Es ist natürlich nicht zufriedenstellend für alle Beteiligten hier“, sagte Führungsspieler Rani Khedira. „Jeder weiß, in welcher Situation wir uns befinden, die ist natürlich brenzlig. Aber wir versuchen einfach, klar zu bleiben und vernünftig alles aufzuarbeiten.“ Doch ähnliche Aussagen gab es von Khedira und Co. in den vergangenen Wochen schon häufig. Wirklich getan hat sich kaum etwas, das Spiel der Eisernen bleibt unter Trainer Steffen Baumgart statisch und offensiv viel zu berechenbar. Union braucht zudem viel zu viele Chancen für ein Tor, spielt sich aber kaum welche heraus. Die gnadenlose Effizienz „war mal eine Stärke von uns“, erinnert sich Khedira, „das ist jetzt aktuell nicht so. Müssen wir uns übers Training wieder ein Stück weit erarbeiten. Das muss erst mal der Ansatz sein.“ Aus solchen Sätzen spricht auch viel Ratlosigkeit.
Operation bei Aljoscha Kemlein
Die Aufgaben werden nicht einfacher – im Gegenteil. Am Sonntag (9. März) geht es zum Tabellendritten Eintracht Frankfurt. Eine Woche später steht das Highlight-Spiel in der Alten Försterei gegen Rekordmeister FC Bayern München an, ehe es in eine zweiwöchige Länderspielpause geht. Auch vor diesem Hintergrund tue die Niederlage gegen den direkten Konkurrenten Kiel „weh“, wie Khedira bestätigte, „es darf auch wehtun“. Doch mit Blick auf das Duell mit der Eintracht dürfe sich keine große Niedergeschlagenheit breitmachen. „Es gilt, den Kopf hochzunehmen und so fokussiert zu arbeiten, dass du was aus Frankfurt mitnehmen kannst“, sagte Khedira.
Lothar Matthäus ist dennoch vom Klassenerhalt des 1. FC Union fest überzeugt. Die Eisernen hätten eine Mannschaft, „die in der Bundesliga bleibt“, sagte der Rekordnationalspieler. Jüngste Auftritte wie bei der 0:6-Klatsche in Dortmund seien zwar klare Rückschläge, „aber sie werden ihre Spiele gewinnen und werden in den letzten Spielen, wo sie nicht mehr gegen den Abstieg spielen werden, einen sicheren Platz in der Bundesliga haben.“ Auch Union-Legende Torsten Mattuschka glaubt, dass der Sechs-Punkte-Vorsprung reicht, „um drinzubleiben. Und dann musst du Baumi mit Horst Heldt zusammen die Chance geben, den Kader nach seinen Vorstellungen umzubauen, damit er seine Spieler für seinen Fußball zur Verfügung hat.“

Bei der Mission Klassenerhalt wird Aljoscha Kemlein nicht mehr mithelfen können. Der 20 Jahre alte Mittelfeldspieler musste sich einer Operation unterziehen und fällt für den Rest der Saison aus, wie der Club bekannt gab. Was genau das Problem ist und wie schwerwiegend es ist – darüber schweigen die Berliner. Zuletzt hatte Kemlein über Fußprobleme geklagt. Zunächst hatte man versucht, eine Operation und damit einen längeren Ausfall zu vermeiden. „Wir haben ihn ja bewusst rausgenommen, um in den Heilungsprozess zu gehen“, erklärte Baumgart. Er hofft, dass Kemlein im Laufe der Vorbereitung auf die kommende Saison wieder zum Team stößt. Im aktuellen Abstiegskampf aber wird der Youngster fehlen. „Mir fällt ein Spieler weg, der mit seinen jungen Jahren schon eine wichtige Rolle auf seiner Position im Verein gespielt hat. Einer, der eine sehr gute Entwicklung genommen hat“, sagte Baumgart.
Personelle Verstärkung gibt es womöglich auf der Manager-Ebene. Der 53-jährige Oliver Ruhnert will mit der Clubführung über eine Rückkehr als Chefscout sprechen, nachdem seine Partei BSW bei der Bundestagswahl am Sonntag an der Fünf-Prozent-Hürde und damit am Einzug in den Bundestag gescheitert war. Auch ein Direktmandat konnte sich Ruhnert im Wahlkreis Berlin-Marzahn-Hellersdorf mit 8,6 Prozent der Stimmen nicht ergattern. Da sein Vertrag mit Union seit Anfang Januar nur ruht, ist eine Rückkehr nach dem Ausflug in die Politik möglich. „Jeder weiß, wie sehr ich meinen Job im Fußball liebe. Selbstverständlich möchte ich dort weiterhin aktiv sein“, sagte Ruhnert bei „t-online.de“. Es sei ja auch nichts Außergewöhnliches, dass Menschen, die sich um ein öffentliches Mandat bewerben und dabei scheitern, in ihren ursprünglichen Job zurückkehren. Ruhnert, der in der Vergangenheit auch immer mal wieder bei anderen Clubs als Sportdirektor oder gar Sportvorstand gehandelt worden war, würde gern in der zweiten Reihe bleiben. „Ehrlicherweise fühle ich mich in meiner Funktion des Chefscouts sehr wohl und strebe gerade nicht nach anderen Funktionen“, sagte er.