Die zweite Niederlage gegen Bayern München innerhalb kurzer Zeit schmerzt Alba besonders. Der Meister verliert die Tabellenführung, baut den Erzrivalen auf und muss eine neue Siegesserie starten.
Nur zwei Spiele in zwei Wochen? Für die stressgeplagten Basketballer von Alba Berlin war das eine fast schon vergessene Erfahrung. „Das waren so entspannte Wochen“, sagte Nationalspieler Johannes Thiemann. Nach höchst strapaziösen Monaten hatten die Profis des deutschen Meisters endlich mal Zeit, kleinere Wehwehchen auszukurieren, im Training an Automatismen zu feilen, Kraft zu tanken und die mentale Frische zurückzubekommen. „Das war die Ruhe vor dem Sturm“, meinte Jonas Mattisseck, „und wir haben die Zeit genutzt, um im Training an ein paar Schrauben zu drehen, damit wir bereit sind für den Rest der Saison“.
Nach der Länderspielpause ging es für den Tabellenführer in der Basketball-Bundesliga gleich mit einem Kracher weiter: Beim Heimspiel gegen den FC Bayern München waren alle Berliner bis in die Haarspitzen motiviert, schließlich hatten sie gegen den Dauerrivalen noch eine Rechnung offen. Beim Pokal-Halbfinale zwei Wochen zuvor hatten die Bayern ihnen eine schmerzhafte 77:83-Niederlage zugefügt und damit den Traum vom erneuten Double zerstört. „Natürlich wollen wir uns revanchieren“, hatte Mattisseck vor dem Anwurf gesagt: „Wir wollen ein Zeichen setzen.“ Doch statt einer gelungenen Revanche gab es den nächsten Rückschlag.
Mit 71:76 musste sich der Titelverteidiger dem Herausforderer in der heimischen Halle vor 13.666 Zuschauern geschlagen geben. „Es war ein weiteres Kapitel dieser epischen Rivalität“, sagte Gäste-Trainer Andrea Trinchieri: „Dem Spiel zuzuschauen war ein Genuss.“ Auch die Alba-Fans waren vom Niveau begeistert – vom Endergebnis aber überhaupt nicht. Die Niederlage tat in mehrfacher Hinsicht weh: Albas Erfolgsserie von zwölf Siegen riss, der größte Titelrivale tankte noch mehr Selbstvertrauen – und die Tabellenführung war futsch. Alba musste den Spitzenplatz, der in den Play-offs bis zu einem möglichen Finale mit dem Heimrecht belohnt wird, an die Telekom Baskets Bonn abtreten. „Wir haben jetzt die gleiche Bilanz wie Bonn, alles läuft auf ein Entscheidungsspiel um Platz eins in der Hauptrunde bei den Telekom Baskets hinaus“, sagte Thiemann mit Blick auf das Duell am 24. April.
Doch bis dahin sind noch viele Spiele zu spielen, Ausrutscher darf sich Alba für Platz eins wohl keine mehr erlauben. In den kommenden Ligapartien zu Hause gegen Chemnitz (11. März) und beim Mitteldeutschen BC (14. März) sind Pflichtsiege fest eingeplant. Die deutlich größere Herausforderung wartet dann am 19. März bei den heimstarken Ludwigsburgern. Zwei Tage davor kommt es zum nächsten Aufeinandertreffen zwischen Alba und Bayern, diesmal aber in der Euro League. Eine dritte Niederlage in Folge gegen die Münchener wollen die Berliner mit aller Macht verhindern, auch wenn es für den Tabellenletzten der Euro League rein sportlich betrachtet um nichts mehr geht.
Im Liga-Duell gaben am Ende Kleinigkeiten für Bayern den Ausschlag, Alba war keineswegs schlechter. Zu Beginn hatte das Team die Partie mit ihrer Präsenz unter dem Korb sogar bestimmt, vor allem der 2,24 Meter große Center Christ Koumadje bereitete München Probleme. „Uns ist mehr gelungen als im Pokalspiel, und es fühlt sich sehr bitter an. Ich glaube, das Spiel war zu gewinnen“, meinte Thiemann: „Aber leider haben wir viele unnötige Fehler gemacht.“ Damit haderte auch Trainer Israel González. „Es ist schwer, Spiele zu gewinnen, wenn wir uns 21 Ballverluste leisten“, sagte der Spanier, „das konnte auch unsere starke Dreierquote nicht ausgleichen.“ Es hätte „wieder nur ein kleines Bisschen“ zum Sieg gefehlt, und das sei „bitter“. González drückte zwar erneut seinen Stolz auf das Team aus, er stellte aber auch klar: „Diese Lücke müssen wir bis zum Ende der Saison schließen.“
Die Pokal-Pleite gegen die Bayern hatte angeblich keinen größeren Einfluss gehabt. „Solche Sachen musst du schnell aus dem Kopf rauskriegen“, sagte Thiemann: „Du darfst solchen Sachen nicht nachtrauern, sonst wirkt sich das auf die nächsten Spiele aus.“ Vom späteren Münchener Pokaltriumph erfuhren die meisten Berliner erst hinterher aus den Medien. „Ich schaue eigentlich sehr viel Basketball, aber das Finale habe ich mir nicht angeschaut, da hat es noch zu doll wehgetan“, gab Jonas Mattisseck zu. Doch der Schmerz habe sich schnell in Motivation gewandelt: „Das hat uns eher zusammengeschweißt.“
„Haben bis zum Ende gekämpft“
Vor dem Bundesliga-Duell gegen den Erzrivalen musste Alba in der Euro League gleich zweimal in Serbien antreten. Zunächst gelang dem Tabellenletzten beim 87:72-Sieg gegen Roter Stern Belgrad nach zuvor sechs Niederlagen in Folge eine Überraschung auf internationalem Parkett. Und das, obwohl der Rückstand Ende des ersten Viertels bereits zweistellig war. „Wir schreiben in der Euro League kein Spiel ab“, betonte Mattisseck.
Das war auch sechs Tage später bei Partizan Belgrad zu sehen, auch wenn am Ende ein 74:88 auf der Anzeigetafel stand. Grund für die 19. Saisonniederlage war der Einbruch im dritten Viertel, das die Albatrosse mit 9:35 beendeten. „Wir haben ein wenig den Fokus verloren“, haderte Trainer González, „wir haben zu viel über andere Dinge wie Schiedsrichterentscheidungen nachgedacht“. Dass Alba aber nicht aufgab und immerhin noch das Schluss-Viertel (21:11) klar für sich entschied, stimmte den Coach zufrieden: „Wir haben bis zum Ende gekämpft, das ist wichtig und ein Zeichen für einen guten Mannschaftsgeist.“
Gegen Partizan trat Alba ohne sechs Akteure an, darunter war auch der Langzeitverletzte Marcus Eriksson. Der schwedische Flügelspieler hat seit über einem Jahr kein Spiel mehr bestritten, sein bislang letzter Auftritt war im Euro League-Spiel am 20. Januar 2022 gegen Real Madrid, als ihm zehn Punkte gelangen. Danach meldete er sich zunächst mit „leichten Fußproblemen“ ab, die sich dann aber doch als schwerwiegender herausstellten. „Ich hatte natürlich erwartet, dass es schneller geht, und es ist hart“, sagte der 29-Jährige, „aber ich versuche, positiv zu bleiben“. Doch das fiel ihm zunehmend schwerer, denn auch ein angestrebter Einsatz in der Finalserie gegen München zerschlug sich.
Also volle Konzentration auf die Vorbereitung zur neuen Saison – doch auch die stand unter keinem guten Stern. Beim Training brach die Verletzung wieder auf, gemeinsam mit den Ärzten und Verantwortlichen entschied Eriksson, die Belastung wieder stark zu verringern. Er ging wieder an Krücken statt auf dem Parkett zu springen. „Das war mental sehr schwierig und frustrierend für ihn“, berichtete Sportdirektor Himar Ojeda. Doch die Maßnahme fruchtete, Eriksson macht Fortschritte – aber alle Beteiligten sind extrem vorsichtig. Klar ist ebenso, dass der Club den Leistungsträger lieber heute als morgen dabeihaben will. „Wir haben letzte Saison zwei Titel gewonnen und stehen auch jetzt wieder gut da. Aber man sollte nie vergessen, dass uns einer unserer drei besten Spieler seit einem Jahr fehlt“, betonte Ojeda.
Für Eriksson selbst wäre eine baldige Rückkehr auch deshalb wichtig, weil sein Vertrag in Berlin am Saisonende ausläuft. Er zählt zu den Topverdienern im Club, die Frage über eine Verlängerung gestaltet sich schwierig.