Bob Marley war der erste Superstar des Reggaes. Er glaubte, dass „das Kraut“ wichtig für die Welt ist und gibt heute einer Cannabis-Marke ihren Namen. Am 6. Februar wäre sein 80. Geburtstag.

Er wurde nur 36 Jahre alt. Aber Bob Marleys Einfluss hatte die Intensität einer Kulturrevolution. Weltweit gilt der Sänger und Gitarrist als eine der ganz großen Musikikonen und als einer der wichtigsten Kämpfer gegen den Rassismus neben Nelson Mandela und Martin Luther King.
Robert „Bob“ Nesta Marley kommt am 6. Februar 1945 im Dorf Nine Miles, Landkreis Saint Ann auf Jamaika zur Welt. Er ist der Sohn eines britischen Offiziers, doch Norval Sinclair Marley verlässt seine schwangere Frau bereits einen Tag nach der Hochzeit. Robert wächst bei seiner Mutter Cedella, einer Sängerin und Autorin, in bescheidenen Verhältnissen auf, weshalb er sich in erster Linie mit seinen afrikanischen Wurzeln verbunden fühlt. In seiner Freizeit treibt er sich in den Armenvierteln von Kingston herum und schließt sich der Gang The Rudeboys an. Daraufhin kommt der zierliche Zehnjährige mit dem Spitznamen Tuff Gong in eine Privatschule. Ein Transistorradio ist seine einzige Ablenkung vom eintönigen Alltag.
Robert beziehungsweise Bob wird mit der Zeit zu einem Fan amerikanischer Rhythm & Blues-Musik. Bereits mit 17 Jahren bringt er im Dezember 1962 seine Debütsingle „Judge Not“ unter dem Pseudonym Bobby Martell heraus. Ein Jahr später trommelt er die Band The Teenagers zusammen – mit den heute legendären Musikern Peter Tosh († 1987), Junior Braithwaite († 1999) und Bunny Wailer († 2021) sowie den Backgroundsängerinnen Cherry Smith († 2008) und Beverley Kelso. Später ändern sie den Namen in Wailing Rudeboys, dann in Wailing Wailers und schließlich in The Wailers. Die Gruppe ist bis heute aktiv. Die erste Single „Simmer Down“, eine Aufforderung an die Gangs im Ghetto, Ruhe zu bewahren, wird 1964 in Jamaika ein Nummer-eins-Hit.
Bei Überfall daheim angeschossen

Der Besuch von Haile Selassie Ras Tafari 1966 in Jamaika ist für den jungen Marley ein Erweckungserlebnis. Der äthiopische Kaiser ist der Begründer der Rastafari-Bewegung. Selassie gilt seinen Anhängern als die in der Bibel angekündigte Wiederkehr Jesu Christi. Rastas haben sich zudem dem Kampf für die Gleichberechtigung der schwarzen Bevölkerung verschrieben. Bob Marley ist jetzt mit der Sängerin Alfarita Constantia „Rita“ Anderson verheiratet und trägt lange Dreadlocks. Er entdeckt seine spirituelle Ader und ernährt sich rein vegetarisch. Marihuana ist ihm als Heilkraut und Meditationsmittel unverzichtbar.
Ende der 60er-Jahre beginnt er eine Zusammenarbeit mit Lee „Scratch“ Perry († 2021) und den Upsetters. Doch der Producer verkauft die Bänder eigenmächtig an windige Plattenfirmen. Erst mit dem Wechsel zum renommierten britischen Island-Label wendet sich 1973 das Blatt. Dessen Gründer Chris Blackwell ist laut der Rock and Roll Hall of Fame zu verdanken, dass die Welt sich für Reggae begeistert. Bob Marleys Stil ist jetzt eine Mischung aus westindischer Folklore, Rockabilly-Klängen und Afro-Beats mit Soul-Techniken. Mit „Catch A Fire“ bringt Blackwell 1973 eines der ersten Reggae-Alben überhaupt auf den Weg. Die Produktion in London und Kingston hat zwar nur 8.000 Dollar gekostet, die poetischen Texte und die meditativen Rhythmen von Marley und den Wailers schlagen jedoch ein wie eine Bombe.
Kämpferische Politsongs wie „Get Up, Stand Up“ verleihen dem Sänger den Ruf eines modernen Propheten. In scharfen und bissigen Texten klagt er Korruption, Arbeitslosigkeit, Apartheid und religiöse Unterdrückung an. Dass er über diese ernsten Themen auf eine ganz zarte und anmutige Weise singt, lässt die Größten im Entertainment-Geschäft auf ihn aufmerksam werden: Bob Dylan, George Harrison, Ringo Starr und Jack Nicholson sehen sich am 13. Juli 1975 im Musikclub Roxy in Los Angeles den entspannten Auftritt der exotischen Truppe an.

Politischen Sprengstoff enthält das „Smile Jamaica“-Konzert vom 5. Dezember 1976 inmitten des jamaikanischen Bürgerkriegs. Das Reggae-Festival im National Heroes Park soll eigentlich der politischen Gewalt entgegenwirken. Doch zwei Tage zuvor wird Bob Marley in seinem Wohnhaus in Kingston von sieben Bewaffneten überfallen und in die Brust und in den Arm geschossen. Seine Frau Rita trifft eine Kugel in den Kopf, und sein Manager Don Taylor wird in die Beine und in den Oberkörper geschossen. Der behauptet später, dass die CIA hinter dem Anschlag stecke. Trotz der Schießerei steht Marley bei dem Konzert auf der Bühne, um den Song „War“ zu performen. Am Ende singt er 90 Minuten lang und krempelt an einer Stelle seinen Ärmel hoch, um seine Verletzung zu zeigen und zu sagen: „Bang bang, I’m o. k.“
Zwei Jahre später vermittelt der Star auf offener Bühne zwischen den bis dahin verfeindeten Politikern Michael Manley und Edward Seaga. Ungetrübt der Tatsache, dass Letztgenannter unter dem Verdacht steht, das Attentat auf Marley mit angezettelt zu haben. Für seinen beispiellosen Versöhnungsakt wird der Künstler mit der Friedensmedaille der Vereinten Nationen ausgezeichnet.
Das Album „Survival“ von 1979 wirft die Single „So Much Trouble in the World“ ab. Der Text ist ein Kommentar zu den verschiedenen Problemen und Konflikten seiner Zeit wie Armut, Ungleichheit, Krieg und Umweltzerstörung und heute noch relevant. Auf „Survival“ solidarisiert der sanfte Revolutionär sich mit den schwarzafrikanischen Befreiungsorganisationen der Politiker Joshua Nkomo und Robert Mugabe. Im Rahmen der Unabhängigkeitsfeierlichkeiten des heutigen Simbabwe spielt Marley erstmals in Afrika.

Am 23. September 1980 gibt er sein letztes Konzert im Stanley Theatre in Pittsburgh, USA. Hinter den Kulissen macht man sich zunehmend Sorgen um den Sänger, denn nur ein paar Tage zuvor war er beim Joggen im New Yorker Central Park zusammengebrochen. Doch Marley weigert sich trotz eines metastasierenden Melanoms, aufzuhören.
In seiner Verzweiflung wendet er sich an den umstrittenen deutschen Alternativmediziner Dr. Josef Issels. Die Behandlung bleibt ohne Erfolg. Bob Marley stirbt am 11. Mai 1981 in einem Hospital in Miami. Er hinterlässt zwei adoptierte und neun leibliche Kinder. Sechs davon sind unehelich. Ziggy, Julian, Stephen, Damian und Ky-Mani treten später erfolgreich in die Fußstapfen ihres Vaters.

Das ehemalige Wohnhaus der Familie in der Hope Kings Road 56 in Kingston ist heute ein hochfrequentiertes Museum. Im Garten ruhen die sterblichen Überreste des Musikers in einem marmornen Mausoleum. Bob Marleys friedliche Botschaft hat auch über vier Jahrzehnte nach seinem Tod noch einen Einfluss in Regionen, in denen kaum Englisch gesprochen wird. 2008 enthüllen zwei Musiker aus den verfeindeten Ländern Kroatien und Serbien eine Statue während eines Festivals in dem serbischen Dorf Banatski Sokolac. Sie enthält die Inschrift „Bob Marley, Kämpfer für Freiheit, bewaffnet mit einer Gitarre“.
Dank Marley und anderen jamaikanischen Künstlern gehört Reggae heute zum immateriellen Unesco-Kulturerbe der Menschheit. Sein Song „Get Up, Stand Up“ wird oft auf Konzerten zugunsten von Amnesty International gespielt, gesungen von Weltstars wie Peter Gabriel oder Bruce Springsteen.
Biopic ließ die Kassen klingeln

Mit dem Namen des Sängers lässt sich auch viel Geld verdienen. Nachdem seine Tochter Cedella die teure Kaffeemarke „Marley Coffee“ erfolgreich eingeführt hat, verkauft die Familie seit 2016 auch das Cannabis-Produkt „Marley Natural“. Es wurde in Zusammenarbeit mit der Private-Equity-Firma Privateer Holdings entwickelt. Und das Biopic „Bob Marley: One Love“ mit dem Briten Kingsley Ben-Adir in der Titelrolle hat 2024 weltweit die Kinokassen klingeln lassen. Es ist in Partnerschaft mit den Erben entstanden.
Auch die musikalische Leichenfledderei geht weiter. Zuletzt ist ein lange verschollenes Stück aus dem Jahr 1968 als Single veröffentlicht worden: „Selassie is the Chapel“ ist eine spirituelle Hommage an Kaiser Haile Selassie und enthält eine Botschaft der Hoffnung und des Friedens. Kommerz hin oder her: Bob Marley hat uns noch immer etwas zu sagen.