Cupping kann als moderne Variante des Schröpfens bezeichnet werden. Als angesagter Beauty-Trend beschränkt sich der Anwendungsbereich allerdings hauptsächlich auf die Gesichtsregion.
Auch wenn die riesige Anhängerschaft der Tiktok-Community wahrscheinlich davon ausgehen dürfte, dass der angesagte Beautytrend Facial Cupping mal wieder auf der Video-Plattform das Licht der Welt erblickt hatte, so muss doch festgestellt werden: Die Prozedur des Schröpfens ist mindestens 5.300 Jahre alt und reicht bis in die Hochkultur Mesopotamiens zurück. Später sollten sich die Menschen im europäischen Kulturkreis die Wirkungsweise des Schröpfens im Sinne der körperlichen Säftelehre erklären. Denn durch die bei Kranken auf die Haut aufgesetzten Gläser konnte das gestörte Gleichgewicht der Körperflüssigkeiten und damit die Gesundheit wiederhergestellt werden. In der traditionellen chinesischen Medizin versprach man sich vom Schröpfen einen Abbau der Blockaden, die den perfekten Fluss von Blut und der Lebensenergie Qi krankmachend beeinflussen konnten.
Vor einigen Jahren hatten sich einige Promi-Ladys mit Lifestyle-Guru Gwyneth Paltrow, Schauspielkollegin Jennifer Aniston und Design-Queen Victoria Beckham an der Spitze an das uralte Verfahren zurückerinnert, weil sie sich davon erhofft hatten, mittels Unterdruck etwaige Verspannungen lösen und sogar Schmerzen lindern zu können. Doch so richtig Fahrt hatte die Diskussion um Sinn und Nutzen des Cuppings eigentlich erst bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 aufgenommen, als US-Schwimmstar Michael Phelps mit großen roten Flecken auf dem gesamten Oberkörper gesichtet worden war. Womit sich Phelps als Cupping-Fan geoutet hatte, obwohl der eindeutige wissenschaftliche Nachweis der gesundheitsförderlichen Wirksamkeit des Schröpfens bislang noch nicht erbracht werden konnte. Dennoch versprach sich der renommierte Sportwissenschaftler Prof. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln schon damals mit Blick auf Phelps recht viel von dieser bewährten naturheilkundlichen Methode: „Höchste Belastung, etwa im Training, führt immer auch zu Gewebezerstörungen, es kommt zu entzündlichen Prozessen. Und das führt sehr oft zu Verklebungen und Reizungen von Gewebe. Durch die Schröpfung, eine ganz einfache mechanische Art und Weise, helfe ich dem Körper, diese Verklebungen aufzulösen, Strukturen wieder besser zu durchbluten und dementsprechend auch eine höhere Leistungsfähigkeit zu garantieren.“
Förderung von Kollagenbildung
Die eigentliche Tiktok-Innovation bestand darin, die Methode des Schröpfens in Richtung einer Körperregion, nämlich des Gesichts, zu verschieben, die bis dahin vom Cupping ausgespart worden war, und die Anwendung auch außerhalb spezialisierter Kosmetik-Salons in den eigenen vier Wänden zu empfehlen. Allerdings mussten für das Facial Cupping auch etwas andere, deutlich kleinere und weniger martialische Applikationen verwendet werden als die kugelförmigen, gläsernen Schröpfgläser, die mit ihren kreisrunden Öffnungen und Durchmessern von drei bis sechs Zentimetern optisch an Glocken erinnern und deren luftiger Inhalt zum besseren Aufbau eines Unterdrucks vor dem Platzieren auf der Haut meist erhitzt wird. Glücklicherweise konnte man einfach auf kegelförmige Gefäße zurückgreifen, die aus dem biokompatiblen Material Silikon hergestellt sind und die seit zwei Jahrzehnten Einzug in den Bereich der Physiotherapie und in Teile der Alternativmedizin gehalten hatten. Einfache Silikon-Kegeln, die zur Erzeugung des Unterdrucks einfach nur kurz zusammengedrückt werden müssen, werden im Set in verschiedenen Größen für alle Gesichtsbereiche von diversen Herstellern angeboten. Daneben gibt es auch hochwertigere Schröpfgefäße aus Echtglas mit Saugbällen, auch im Set und in verschiedenen Größen zusammengestellt. Während die Silikon-Variante günstiger und einfacher zu reinigen ist, wird Glas auf der Haut meist als angenehmer empfunden.
Was die durch Facial Cupping möglicherweise erzielbaren Effekte betrifft, so klingen die Versprechungen wie bei vielen anderen Beauty-Anwendungen wieder viel zu schön, um wahr zu sein. Laut der deutschen „Vogue“ kann dadurch ein „natürliches Facelifting – fast wie durch Photoshopping“ erzielt werden, ohne dass dabei Nadeln oder Injektionen ins Spiel kommen müssten. Das Magazin ließ einige internationale Hautspezialistinnen zu Worte kommen: „Das Face Cupping ist eine sanfte Saugbehandlung, bei der weiche Silikon- oder Glasgefäße verwendet werden, um die Lymphdrainage zu fördern.“ „Durch das sanfte Zusammendrücken des Facial Cups auf einem bestimmten Bereich des Gesichts wird ein leichter Sog erzeugt, der Blut in diesen Bereich zieht. Das erhöht die Durchblutung der Haut unter dem Cup und des umliegenden Gewebes und regt die Bildung neuer Blutgefäße an.“ „Das Schröpfen des Gesichts ist äußerst effektiv und hilft, die Blutzirkulation und die Kollagenbildung zu fördern. Es löst nicht nur Muskelverspannungen, sondern hilft auch bei der Zellreparatur und -regeneration. Es hilft bei der Entgiftung der Haut, verlangsamt den Alterungsprozess, fördert die Lymphdrainage und reduziert das Erscheinungsbild von feinen Linien, Schwellungen und Fältchen und hinterlässt eine strahlendere und straffere Haut.“
Auch „Harper’s Bazaar“ versprach seinen Leserinnen dank Facial Cupping, das ganz unprätentiös durchaus auch als Gesichtsschröpfen bezeichnet werden könnte, eine frische und straffe Haut sowie einen strahlenden Glow: „Facial Cupping soll dafür sorgen, dass die Haut im Gesicht leicht aufgepolstert und definierter wirkt als noch zuvor. Der erzeugte Unterdruck, der beim Schröpfen entsteht, fördert nämlich die Durchblutung, löst Anspannungen, unterstützt die Zellreparatur und wirkt sich generell positiv auf regenerative Prozesse der Haut aus. Außerdem soll durch die regelmäßige Anwendung die Elastizität der Haut verbessert und langfristig ein frisches, gesundes Hautbild entstehen können.“ Laut dem Magazin ist damit das Facial Cupping auch ein ernsthafter Konkurrent von Jaderollern, was die „Neue Zürcher Zeitung“ genauso sieht: „Schröpfgläser sind die neuen Jaderoller“. Aber laut der „Vogue“ sind sie ebenso eine Alternative zur chinesischen Gesichtsmassage mit Natursteinen namens Gua Sha: „Das Face Cupping nutzt die Saugmethode, um die Kollagenbildung zu fördern und die Haut zu straffen, obwohl es wie die anderen Methoden auch dazu beiträgt, dem Gesicht Spannkraft zu verleihen und die Haut von innen heraus zu beleben.“ Der TV-Sender Pro Sieben deklarierte Facial Cupping zum Gesichts-Wundermittel für „pralle Haut“. Weil neben all den schon genannten Effekten auch noch der Abfluss angestauter Flüssigkeit und die Bildung von Elastin gefördert werden soll und Puffy Eyes nach dem Cupping der Vergangenheit angehören sollen.
Maximal zweimal pro Woche
Im Unterschied zum klassischen Schröpfen besteht beim Facial Cupping nicht die Gefahr, dass man sich wegen möglicher Blutergüsse im Gesicht nicht mehr vor die Haustüre wagen mag. Vor der eigentlichen Behandlung sollte das Gesicht gründlich gereinigt werden. Danach sollte ein Serum, eine Creme oder ein Gesichtsöl aufgetragen werden. So kann die Reibung zwischen den nach Eindrücken der Schröpfgläser-Saugbälle oder Silikonsaugnäpfe aufgesetzten Cups und der Haut möglichst minimiert werden. Am besten mittig im Gesicht beginnen und dann die Cups langsam streichend oder kreisförmig in Bewegung setzen, statt sie nur an einer einzigen Stelle zu fixieren (nur wenn die Cups zu lange an einer Stelle haften bleiben, können sich dort blaue Flecken ausbilden). Bei der Prozedur, die stets nach außen gerichtet und niemals wegen eines möglichen Lymphflüssigkeitsstaus nach oben oder unten gehen sollte, wird die Haut durch den Sog leicht angehoben. Das sollte jedoch keinerlei Schmerzen verursachen. Und kann im Idealfall schon eine leichte und sofort erkennbare Aufpolsterung der Haut mit einem rosigen Glanz zur Folge haben. Mehr als eine kurzfristige subtile Rötung der Haut sollte nach dem abgeschlossenen Cupping, das kaum länger als fünf Minuten dauert, nicht zu sehen sein.
Die „Vogue“ riet vor einem Einbau in die alltägliche Beautyroutine ab: „Verwenden Sie die Cups nicht öfter als zweimal die Woche, da die Haut durch übermäßiges Schröpfen elastischer wird, was dazu führen kann, dass sie mit der Zeit erschlafft.“ Ansonsten ist der Einsatz der Cups gesundheitlich unbedenklich und harmlos, da sie das Bindegewebe nur oberflächlich tangieren und daher keinerlei Schaden anrichten können. Nur bei akuten Entzündungen oder Verletzungen der Haut sollte auf Facial Cupping unbedingt verzichtet werden. Wobei viele Experten dazu raten, sich die Behandlung erst mal bei den Profis in einem Beauty-Studio anzuschauen und erst danach zu Hause mit dem eigenen Treatment zu beginnen.