Mukoviszidose ist eine seltene, angeborene Multisystem-Erkrankung, bei der das entstehende zähe Sekret lebenswichtige Organe verstopft. Ein Interview mit PD Dr. med. Sebastian Fähndrich über Symptome, Ursachen, Behandlung und Aussichten.

Herr Dr. Fähndrich, welche Symptome verursacht Mukoviszidose?
Symptome der Mukoviszidose sind im Kindesalter Verdauungsprobleme, Wachstumsstörungen und häufige Infekte der Atemwege. Zu Beginn der Erkrankung stehen eher die Verdauungsprobleme im Vordergrund, da wichtige Verdauungsenzyme aus der Bauchspeicheldrüse nur unzureichend sezerniert werden. Die Folge sind Bauchschmerzen und Durchfälle. Daraus resultieren auch die Wachstumsprobleme. Die Veränderungen in der Lunge kommen erst später zum Tragen, da sich der durch die wiederkehrenden Entzündungen resultierende Umbau der Lunge über einen längeren Zeitraum vollzieht. Die Kinder klagen oft über zähes Sekret, das sich kaum abhusten lässt. Die Folge sind fiebrige Atemwegsinfekte, welche auch im Falle eines schweren Verlaufs mit Luftnot einhergehen können.
Welche Probleme können noch auftreten?
Bei Neugeborenen mit Mukoviszidose kann es bereits zu einem Mekoniumileus kommen, also einem Darmverschluss, der durch die Verstopfung mit zähem, klebrigem fetalem Stuhl verursacht wird und häufig operativ behoben werden muss. Die Mehrzahl aller Patienten weist eine exokrine Pankreasinsuffizienz auf, die unbehandelt zu Gedeihstörungen, Wachstumsverzögerungen und unzureichender Resorption an fettlöslichen Vitaminen führt. Nicht selten ist neben dem exokrinen auch der endokrine Anteil der Bauchspeicheldrüse betroffen: Durch Schädigung der insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse haben Patienten nicht selten auch eine behandlungsbedürftige Zuckerkrankheit, Diabetes mellitus. Die chronische Malabsorption kann zu frühzeitiger Osteoporose und Gelenkmissbildung führen.
Selbst die Geschlechtsorgane sind bei der Mukoviszidose in ihrer Funktion beeinträchtigt. Bei mehr als 90 Prozent aller männlichen Patienten findet sich eine obstruktive Azoospermie, also ein Fehlen von funktionsfähigen Spermien, aufgrund einer Verlegung des Samenleiters.
Welche Ursachen hat Mukoviszidose?
Aktuell sind über 2.100 Mutationen bekannt. Von den meisten Genen hat jeder Mensch zwei Kopien, auch Allele genannt. Eine davon wird von der Mutter geerbt, die andere vom Vater. Bei circa 70 Prozent aller Betroffenen ist auf mindestens einem Allel die Mutation F508del nachgewiesen. Der Erbgang ist autosomal rezessiv, das heißt es erkranken Kinder, die zwei kranke Genkopien haben. Menschen, bei denen nur eine Kopie des CFTR-Gens („Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator“-Gen; Anm. d. Red.) von einer krankheitsverursachenden Mutation betroffen ist, sind hingegen in der Regel gesund. Sie können jedoch das krankhafte Allel an ihre Kinder vererben. Sind beide Eltern Träger eines krankhaften Gens, ist das Risiko 25 Prozent, dass das Kind zwei kranke Allele erhält und erkrankt.

Wie kann man Mukoviszidose diagnostizieren?
Die Mukoviszidose wird im Rahmen des Neugeborenen-Screenings in den ersten Wochen nach der Geburt festgestellt. Bei Hinweisen für eine Mukoviszidose im Neugeborenen-Screening wird ein Schweißtest durchgeführt, der je nach Gehalt an Chloridionen im Schweiß positiv ausfällt. Bestehen nun Hinweise für eine Mukoviszidose, sollte die Diagnostik mit einer genetischen Untersuchung komplettiert werden, da den Patienten je nach Art der Mutationen eine personalisierte Therapie angeboten werden kann.
Wird die Erkrankung immer gleich im Kindesalter entdeckt oder manchmal erst viel später?
Da es erst seit wenigen Jahren das Neugeborenen-Screening für die Mukoviszidose gibt, kann es sein, dass die Mukoviszidose noch bei „älteren“ Patienten entdeckt wird. Es gibt Genotypen, die ein „mildes Krankheitsbild“ verursachen. Daher kann es sein, dass es erst im späteren Leben der Patienten zu einer Diagnosestellung kommt (bei häufigen Atemwegsinfekten und vielleicht auch typischen Veränderungen in der radiologischen Bildgebung).
Wie erklärt man Kindern, dass sie eine so schwere Erkrankung haben – was können Ärzte oder Psychologen hier raten?
Die Diagnose Mukoviszidose ist eine Herausforderung für die betroffenen Kinder und natürlich auch für die gesamte Familie. Hier ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den behandelnden Ärzten, Psychologen, Psychosomatikern, Sozialarbeitern sehr wichtig, um erkrankten Kindern sowie deren Familien möglichst ein normales Leben mit der Erkrankung zu ermöglichen. Wichtig ist es, dass Kinder und deren Eltern genügend Hilfestellungen und Ansprechpartner bezüglich alltäglicher Therapien wie Inhalationen, Medikamenteneinnahmen und der Ernährung der Kinder bekommen. Gerade eine ausreichende, hochkalorische Ernährung stellt die Familien bei kleinen Kindern vor große Herausforderungen.
Wovon ist der Schweregrad der Erkrankung abhängig?
Der Verlauf und Schweregrad sind abhängig von den Genmutationen. Es gibt Genmutationen, die zu einem milderen Verlauf führen, und es gibt dagegen auch Mutationen, die rasch zu einem schweren Krankheitsbild führen. Die molekularen Konsequenzen der Mutationen auf das Schicksal des sogenannten CFTR-Proteins, ein Eiweiß, das die Mineralsalzkonzentration in den Drüsen auf der Haut und in den inneren Organen reguliert (ein sogenannter Ionenkanal), lassen sich in sechs verschiedene Klassen einteilen: Während bei Klasse-I-Mutationen nur ein stark verkürztes oder gar kein Eiweiß synthetisiert wird, sind bei den Klasse-II–VI-Mutationen entweder die unvollständige Weiterverarbeitung (Modifikation) des Eiweißes zu einem funktionsfähigen Ionenkanal gestört oder es liegt ein gestörter Transport zu der Zelloberfläche und/oder ein gestörter Einbau des Eiweißes an der Zelloberfläche vor. Manche Mutationen führen auch zu einer verringerten Öffnungswahrscheinlichkeit des CFTR-Ionenkanals. Manchmal liegt auch eine Kombination aus einem defekten Molekül und einer reduzierten Ionenleitfähigkeit vor.

Wie sieht die Behandlung aus?
Die Behandlung ist eine Kombination aus einer Behandlung der Ursache und der Folgen der Genmutation. Heute wird bereits im Kindesalter eine Kombinationstherapie aus sogenannten Proteinkorrektoren, die das fehlgefaltete Eiweiß in der Zelle korrigieren, und sogenannten Kanalöffnern, die die Öffnungswahrscheinlichkeit der Ionenkanäle an der Zelloberfläche der Drüsenzellen erhöhen, verabreicht. Die Therapien sind davon abhängig, welche Genmutationen vorliegen. Die Einführung dieser Therapien war ein Quantensprung in der Behandlung der Mukoviszidose. Seitdem gelingt es immer mehr, das Fortschreiten der Erkrankung in der Lunge – aber auch außerhalb der Lunge, zum Beispiel im Magendarmtrakt – zu verhindern. Leider stehen aber derzeit nicht für alle Mutationen solche CFTR-Modulator-Therapien zur Verfügung. Allerdings ist in der Zukunft zu erwarten, dass für immer mehr Genmutationen eine entsprechende Proteinkorrektur und Ionenkanalöffnung des fehlerhaften Ionenkanalproteins entwickelt wird.
Weitere Bestandteile der Therapie sind Inhalationen, um das verdickte Bronchialsekret aus den Atemwegen zu mobilisieren, welches ansonsten ein Nährboden für Bakterien und Pilze ist. Zudem ist eine hochkalorische Ernährung sowie die Einnahme von Verdauungsfermenten angezeigt. Im Fall einer Zuckererkrankung müssen auch Diabetesmedikamente eingenommen werden. Infekte sollten entsprechend der nachgewiesenen Keime im Bronchialsekret antibiotisch behandelt werden.
Wann benötigen Patienten dauerhaft Sauerstoff?
Sauerstoff benötigen Patienten mit einer sehr fortgeschrittenen Zerstörung des Lungengewebes infolge der chronischen Entzündung mit immer wiederkehrenden Infekten. Hier sind insbesondere Patienten betroffen, die schon älter sind und für die die oben erwähnten CFTR-Modulator-Therapien erst sehr spät kamen. Heute ist davon auszugehen, dass bei vielen Genmutationen durch eine rechtzeitige Einleitung einer CFTR-Modulator-Therapie eine derartige Zerstörung des Lungengewebes vermieden werden kann. Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass in Zukunft immer weniger Patienten noch eine Lungentransplantation benötigen werden. Es ist davon auszugehen, dass sich die Lebenserwartung in Zukunft bei Betroffenen normalisiert.
Sind auch neue, vielversprechende Behandlungsmöglichkeiten in Aussicht?
In Zukunft erwarten wir immer bessere und passendere molekulare Therapien, die das defekte CFTR-Protein adressieren. Es ist davon auszugehen, dass für immer mehr Mutationen passende Therapien gefunden werden.

In welchen Fällen ist denn eine Lungentransplantation sinnvoll, und kann sie das Leben stark verlängern?
In Fällen, in denen die Lunge bereits sehr (unwiderruflich) fortgeschritten zerstört ist und eine stark eingeschränkte Lungenfunktion vorliegt sowie die Notwendigkeit von Sauerstoffverabreichung besteht, ist die Lungentransplantation die Ultima Ratio. Es wird jedoch versucht, die Lungentransplantation nach Möglichkeit zeitlich hinauszuzögern, da das mediane Überleben nach fünf Jahren bei 53 Prozent liegt.
Wovon ist es abhängig, ob die Krankheit langsam oder schnell voranschreitet?
Es gibt nach wie vor auch Genmutationen, zu denen es noch keine passende CFTR-Modulator-Therapie gibt. Risikofaktoren für einen ungünstigen Krankheitsverlauf sind immer wiederkehrende Lungenentzündungen, insbesondere wenn noch Problemkeime vorliegen, die resistent gegen Antibiotika sind (Pseudomonas aeroginosa, Burkholderia spp., Acinetobacter spp. et cetera.). Auch Untergewicht stellt ein Risiko dar, weswegen stets auf eine ausreichende Kalorienzufuhr zu achten ist.