Die SPD ist wieder mal auf der Suche nach ihren ureigenen Inhalten, doch auch der Bundesparteitag konnte da nicht weiterhelfen. Endgültige Entscheidungen wurden verschoben.
Die SPD ist seit jeher eine Partei, in der sich unter einem Dach die unterschiedlichsten Strömungen versammeln, die ihre jeweils eigene Lesart von dem entwickelt haben, was sozialdemokratische Politik sein soll. Linke in der SPD, Jusos oder der „Seeheimer Kreis“ mit eher konservativ denkenden Sozialdemokraten. Dazwischen so etwas wie ein ausgleichendes Korrektiv: die Netzwerker. Die sollen oder wollen zwischen den Strömungen in der Partei vermitteln. Doch derzeit ist von mindestens zwei Strömungen zwar öfter mal was in den Schlagzeilen zu lesen, aber von erfolgreichem Agieren innerhalb der SPD ist nur wenig zu merken.
Der sogenannte linke Flügel, für den insbesondere auch Ralf Stegner steht, hat mit seinem „Manifest“ zur Rückbesinnung auf die Friedenspartei SPD von sich reden gemacht. Doch spätestens mit dem Bundesparteitag Ende Juni in Berlin scheint das Thema nun auch wieder abgeräumt zu sein, auch mangels prominenter Unterstützung durch die eigenen Flügelleute. Auf dem Parteitag selber fand das Thema „Frieden schaffen ohne Waffen“ nicht weiter statt.
Die Wunden sind noch ziemlich frisch
Die Jusos wiederum sind gegen die Widereinsetzung der Wehrpflicht. Steven Commey-Bortsie, Landeschef der Jusos im Saarland, hat da eine sehr dezidierte Meinung: „Es geht hier nicht grundsätzlich um die Aufgabe, dass Deutschland wieder verteidigungsfähig sein muss, sondern es geht darum, dass es bei den jetzigen Planungen zur Wiedereinsetzung erneut keine Wehrgerechtigkeit geben wird.“ Doch auch der 28-jährige Jurist muss sich nun mit einem Parteikompromiss zufriedengeben, der im Übrigen dem Koalitionsvertrag entspricht: Vorerst bleibt es beim freiwilligen Dienst an der Waffe. Wenn das nicht funktioniert, also nicht genügend Soldaten rekrutiert werden können, dann muss mit mehr Pflichtelementen nachgeholfen werden. „Mit so einem Beschluss lässt sich natürlich in Zukunft nur schwer Wahlkampf machen“, kommentiert Steven von den Jusos trocken die zukünftige Marschrichtung seiner Partei.
Wehrpflicht und Rüstung sind Themen, die aus Sicht von Partei-Linken und Jusos eindeutigere Antworten gebraucht hätten. Dazu kommt der Ärger mit dem Mindestlohn, dem 15-Euro-Wahlkampfschlager der SPD.
Die Mindestlohnkommission hat anders entschieden, trotz massivem Druck. Ein selbstproduzierter Rückschlag, den unter anderem auch die SPD-Chefetage mit zu verantworten hat, indem sie eine politische Festlegung wollte.
Die Kommission hat einigermaßen selbstbewusst ihre Unabhängigkeit unter Beweis gestellt. Am Ende stehen jetzt 14,60 Euro, das allerdings erst in einem zweiten Schritt ab 2027. Für das kommende Jahr 2026 ist ein Anstieg auf 13,90 Euro vorgesehen. Der Frust bei vielen, vor allem auch an der Basis, war unverkennbar.
Aber vielleicht weniger wegen der konkreten Vereinbarungen, die die Kommission gefunden hat, sondern eher über die eigene Parteiführung, namentlich Parteichef Lars Klingbeil, zugleich Bundesfinanzminister. Der wurde zwar als Parteichef wiedergewählt, bekam aber nicht einmal zwei Drittel aller Delegiertenstimmen (64,9 Prozent). Dagegen kam die neue Co-Vorsitzende Bärbel Bas, zugleich Arbeitsministerin, auf 95 Prozent.
„Wir muten den Jungen viel zu“
Die Partei hat erkennbar noch lange an ihrem historisch schlechten Ergebnis von 14,6 Prozent bei der Bundestagswahl zu laborieren. Und vielleicht noch mehr an dem, was danach passierte. Lars Klingbeil gab sich auf dem Parteitag zwar selbstkritisch, verteidigte aber zugleich, dass er noch in der Wahlnacht die Ambition auf künftige Ämter kundtat: Er habe die Handlungsfähigkeit der Partei nach der Wahlschlappe sichern wollen.
Die „Netzwerker“ als pragmatisch orientierte Strömung haben es in dieser Situation der SPD alles andere als leicht.
Eine Netzwerkerin ist Wiebke Dorfs, Büroleiterin bei einem Bundestagsabgeordneten. Die 28-Jährige steht nicht nur zwischen den Parteiflügeln. Sie ist zudem eben noch unter 30 und steht damit für eine beinahe aussterbende Klientel in ihrer Partei. „Wir muten den Jungen gerade sehr viel zu, sei es mit den Diskussionen über Wehrpflicht, über Rente oder aktuell das Verbot von Social Media, was nur noch Über-16-Jährigen zugestanden werden soll! Das finde ich persönlich sehr schwierig, wenn nur die älteren Funktionsträger über solche Themen befinden.“ Wiebke Dorfs setzt darauf, dass künftig die Jungen, also die Jusos, wieder mehr Gewicht und Einfluss bekommen, „sonst wandern die uns einfach auch an die Ränder ab“. Eine Herausforderung für die SPD angesichts der Altersstruktur auf Funktions- und Mandatsebene.