In „Ein Glücksfall“, dem neuen Film von Woody Allen, beginnt eine Pariserin eine Affäre. Der zwielichtige Ehemann will seine Ehe mit aller Gewalt retten, hat aber nicht mit seiner Schwiegermutter gerechnet.

Woody Allen ist einer der produktivsten Filmemacher der USA. Mehr als 50 Filme hat der Drehbuchautor und Regisseur geschaffen, in vielen seiner Filme ist er auch als Schauspieler aufgetreten. Für Cineasten gelten seine frühen Filme wie „Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten“ (1972) und „Der Stadtneurotiker“ (1977) als Perlen des unabhängigen US-Kinos. In den 1980er- und 1990er- Jahren verbucht Allen große Erfolge wie „Hannah und ihre Schwestern“ (1986) und „Bullets Over Broadway“ (1994). Auch im Alter drehte er vom Publikum und Kritikern geliebte Filme („Match Point“ 2005, Blue Jasmine 2013). Inzwischen ist Woody Allen 88 Jahre alt – und bringt mit „Ein Glücksfall“ nun erneut einen sehenswerten Film in die Kinos.
Das perfekte Ehepaar?
Fanny und Jean sind das perfekte Ehepaar – beide haben Erfolg im Beruf, leben in einer prächtigen Wohnung in einem exklusiven Viertel von Paris und scheinen noch genauso verliebt zu sein wie am ersten Tag. Doch da trifft Fanny zufällig ihren ehemaligen Klassenkameraden Alain. Bald darauf sehen sie sich wieder und kommen sich immer näher.

Was wie ein recht durchschnittliches Drama beginnt, stellt in Woody Allens Karriere eine Besonderheit dar. Denn gedreht hat der Regisseur den Film ausschließlich in französischer Sprache komplett in Frankreich und mit französischen Schauspielern und Schauspielerinnen. Der Grund, warum Woody Allen sein geliebtes New York (in dem fernab von Hollywood viele seiner vorherigen Filme spielen) verlassen hat, sind Vorwürfe, die in den USA gegen ihn erhoben wurden. Der Filmemacher soll in den 1990er-Jahren seine Adoptivtochter sexuell missbraucht haben. In den jüngeren Jahren ist diese Klage mit der Me-too-Debatte erneut erhoben worden, wodurch er in den USA kaum mehr finanzielle Unterstützung für seine Filme bekam. Anders in Frankreich, wo seine Filme schon immer besonders geschätzt wurden. Der Filmmeister Woody Allen scheint keine Probleme zu haben, seinen typischen Stil in Paris statt in New York umzusetzen und mit „Ein Glückfall“ einen seiner besten Filme zu präsentieren.
Typischer Stil, anderes Setting

Denn aus der anfänglich noch vorhersehbaren Geschichte wird eine spannende Gesellschaftskomödie mit einem Touch von Krimi. Der gehörnte Ehemann Jean erfährt, dass seine Frau einen anderen Mann trifft und beginnt, um seine Ehe zu kämpfen. Um sein Ziel zu erreichen, greift er zu zweifelhaften Mitteln, die ihm im Beruf Reichtum und einen fragwürdigen Ruf in Frankreichs Hauptstadt gebracht haben. So wie Jean in seinem smarten Büro von zwielichtigen Geschäftsleuten Aufträge annimmt, „sie irgendwie noch reicher zu machen“, macht er es sich zur Aufgabe, seine Frau mit drastischen Maßnahmen zurück in die gemeinsame Edel-Wohnung zu holen. Das bringt wiederum seine Schwiegermutter auf den Plan. Die Kämpfernatur kennt so einige Tricks, um ihre Tochter vor Jeans Machenschaften zu schützen. Sie holt t Nachforschungen über ihn ein und erfährt Details, die Jean doch lieber geheim gehalten hätte.
Woody Allen hat für seinen Film den passenden Cast gefunden. Lou de Laâge verleiht der Rolle einer Frau, die sich in ihrer Ehe nicht mehr wohlfühlt und eine Affäre mit einem alten Freund beginnt, einen leichten und unschuldigen Charme. Melvil Poupaud ist als schmieriger Ehemann mit morbidem Hang zu Modelleisenbahnen schnell anzusehen, dass er kein guter Mensch ist. Als Ehepaar mit wachsenden Differenzen harmonieren die beiden, in Deutschland eher unbekannten Akteure, gut. Aber was wäre ein guter Krimi ohne eine Figur, die nach und nach die Aufmerksamkeit auf sich zieht? In „Ein Glückfall“ übernimmt diesen Part die Schauspielerin Valérie Lemercier, die als Fannys Mutter ein Glanzstück abliefert. Anfangs ist sie als Jeans Bewunderin auf seiner Seite und drängt ihre Tochter sogar, ihre Ehe und ihr Leben in Wohlstand nicht für einen dahergelaufenen Nichtsnutz aufs Spiel zu setzen. Dann wird sie misstrauisch und schnüffelt in seinen Unterlagen, da hätte Miss Marple noch was lernen können. Dumm nur, dass die frisch gebackene Detektivin vergisst, ihre Tabletten einzunehmen und ein bisschen paranoid wird. So entwickelt sich „Ein Glücksfall“ zu einem handfesten Krimi mit einem überraschend makabren Ende.