Nach dem WM-Gold der Männer wollen nun auch die deutschen Basketballerinnen etwas Historisches schaffen. Beim Qualifikationsturnier in Brasilien können sie erstmals das Olympia-Ticket lösen. Große Hoffnungen liegen vor allem auf einer Spielerin.
Satou Sabally hat keine Probleme damit, im Mittelpunkt zu stehen. Selbstbewusst, eloquent und meinungsstark tritt die 1,93 Meter große Athletin auf. Für den Deutschen Basketball-Bund (DBB) ist die gebürtige New Yorkerin ein Geschenk, zumal sie auch mit Abstand die beste Spielerin in der Nationalmannschaft ist. „Mir ist auf jeden Fall bewusst, dass ich eine Vorzeigeperson im deutschen Basketball bin“, sagte Sabally, die mit dieser Rolle alles andere als fremdelt. „Das hat sich ganz natürlich entwickelt und ich finde, das ist eine schöne Verantwortung. Ich finde das cool.“ Und es entspricht ihrem Naturell. „Das ist mein Talent, das Gott mir gegeben hat. Jetzt kann ich zeigen, was alles möglich ist, und dass andere Leute das genauso tun können.“ Im Rampenlicht könne sie auch auf Themen abseits des Sports eingehen. Gegen Rassismus und für mehr Gleichberechtigung und eine bessere Förderung von Mädchen, auch dafür kämpft die frühere Berlinerin. Und kämpfen – das hat Satou Sabally früh gelernt.
„Mein Talent, das Gott mir gegeben hat“
„Ich habe einen Vater mit Migrationshintergrund. Ich bin eine Zeit lang in Gambia aufgewachsen. Ich habe sechs Geschwister und weiß, was es heißt, arm zu sein, wie es ist, von Hartz IV zu leben“, sagte die Profispielerin der Dallas Wings: „Ich weiß, wie es ist, in einer Gesellschaft zu leben, in der man oft übersehen wird oder in der auf einen herabgeschaut wird. Das hat mich alles geprägt.“ Sich nahezu alleine vom Ausbildungsclub TuS Lichterfelde in Berlin bis zur nordamerikanischen Profiliga WNBA hochgearbeitet zu haben, hat ihr Selbstvertrauen enorm gestärkt. Die herausragende letzte Saison in Nordamerika, in der sie im Schnitt 18,6 Punkte und 8,1 Rebounds pro Spiel erzielte, den Preis für die Spielerin mit dem größten Leistungssprung (Most Improved Player) überreicht bekam und ins All-WNBA First Team gewählt wurde, erst recht.
„Ich möchte die beste Spielerin sein, die ich sein kann – und ich weiß jetzt, dass ich auch die Beste auf der Welt sein kann“, sagte Sabally mit einem Selbstbewusstsein, das in Deutschland nicht selten mit Argwohn begegnet wird. Doch die 25-Jährige ist ohnehin nur selten im Geburtsland ihrer Mutter, wo sie aufgewachsen ist und das Basketballspielen erlernt hat. Nach vier Jahren Pause ist sie in die Nationalmannschaft zurückgekehrt, denn es stehen aufregende Zeiten an: Olympia 2024 in Paris, EM 2025 mit einer Vorrunde in Hamburg und WM 2026 in ihrer Heimatstadt Berlin. „Die nächsten zwei Jahre sind so wichtig für den deutschen Frauen-Basketball – da muss ich jetzt dabei sein“, sagte sie. Der erste Schritt ist das Olympia-Qualifikationsturnier im brasilianischen Belém vom 8. bis zum 11. Februar. Für ein Ticket nach Paris müssen die DBB-Damen in ihrer Vierergruppe mit Gastgeber Brasilien, Australien und Serbien mindestens Dritte werden. Es wäre eine Olympia-Premiere für Deutschlands Basketballerinnen. Doch Sabally schaut schon voraus. „Ich will eine Olympia-Medaille. Ich will nicht nur bei Olympia dabei sein“, sagte sie. Man müsse jetzt alles investieren und vorbereiten, um „als deutsche Frauen-Mannschaft irgendwann eine Medaille holen zu können“.
Nur Wunschdenken? Der sensationelle WM-Titel der deutschen Basketball-Männer im vergangenen Sommer beflügelt auch die Frauen. Aktuell auf Rang 25 der Weltrangliste platziert, fehlt ihnen noch etwas zur Weltspitze. Aber die Entwicklung der vergangenen Jahre unter der kanadischen Bundestrainerin Lisa Thomaidis ist sehr positiv. Der hervorragende sechste Platz bei der jüngsten EM in Slowenien spricht Bände. Jetzt haben sie in Satou Sabally auch noch einen zusätzlichen Trumpf. Und dass die offensiv wie defensiv herausragende WNBA-Spielerin in der Nationalmannschaft zusammen mit ihrer Schwester Nyara (23) ein kongeniales Duo bildet, kann nur ein Vorteil sein. Dass die Sabally-Schwestern die DBB-Auswahl spielerisch noch mal auf ein anderes Niveau heben können, zeigten sie im EM-Qualifikationsspiel in Tschechien: Beim klaren 85:41-Sieg überzeugte die Rückkehrerin als Anführerin, und das Zusammenspiel mit ihrer Schwester war eine Augenweide. Zusammen kamen sie in ihrem ersten gemeinsamen Länderspiel auf 38 Punkte. „Das ist unbeschreiblich. Auch ein cooler Moment für meine Familie“, sagte Nyara Sabally, die für New York Liberty ebenfalls in der WNBA aufläuft.
Eine Weltmeisterschaft in der Heimatstadt
Mindestens bis zur Heim-WM 2026 in ihrer Heimatstadt Berlin wollen die Sabally-Schwestern für Deutschland auf Korbjagd gehen. „Das ist wirklich ein Traum. Dass ich eine WM spielen werde in meiner Heimatstadt, dort wo alles begonnen hat – da schließt sich ein Kreis“, sagte Satou Sabally mit Stolz in der Stimme. Sie, die in New York geboren ist, ein paar Jahre in Gambia gelebt hat, in Berlin aufgewachsen und als Teenagerin in die USA zurückgegangen ist, fühlt sich nur in Berlin so wirklich heimisch. „Das merke ich jedes Mal, wenn ich zurückkomme. Ich muss auch ein bisschen unterdrücken, wie sehr ich Berlin vermisse.“ Doch zunächst zählt nur die Olympia-Quali. „Momentan ist es jeden Tag in meinem Kopf. Ich trainiere mit dem Gedanken, dass wir nach Paris kommen wollen, und bin schon sehr darauf gespannt“, sagte Satou Sabally. Ihre Aufgabe sei es, die richtige Balance zwischen Erfolg versprechenden Einzelaktionen und dem notwendigen Teamplay zu finden. „Ich denke, dass ich mir schon sehr viel Druck mache zu performen. Ich weiß aber auch, dass ich einfach mein Ding machen muss und 100 Prozent gebe. Darauf kann ich vertrauen“, sagte sie: „Im Endeffekt ist es ja auch ein Team-Sport, und ich kann mich auf ein sehr gutes Team verlassen und Unterstützung finden.“
Doch die Auslosung im ungarischen Sopron Anfang Oktober dämpfte ein wenig die Euphorie. Die Gegner Serbien (8. Februar), Australien (10. Februar) und Brasilien (11. Februar) haben es in sich. Australien und Brasilien gewannen je einmal den Weltmeistertitel, der Gastgeber ist zudem amtierender Südamerika-Champion. Serbien hat bereits zweimal EM-Gold eingeheimst und bei der jüngsten EM das deutsche Team im Spiel um Platz fünf mit 78:62 relativ deutlich geschlagen. DBB-Vizepräsident Armin Andres sprach von einer „Hammergruppe“. Leichte Gegner habe er zwar ohnehin in dieser finalen Phase nicht erwartet, aber das war dann doch ein kleiner Schock. Doch Andres vertraut Bundestrainerin Thomaidis und dem Team: „Sie haben bei der EM bereits bewiesen, dass sie über sich hinauswachsen können, und wir gehen mit einem gesunden Selbstbewusstsein nach Brasilien.“ Thomaidis sprach von einer „spannenden Gruppe“, in der „jedes Team, das teilnimmt, sehr stark“ sei. Also auch die deutsche Mannschaft. Im Kampf um die ersten drei Gruppenplätze, die ein Ticket für Paris bedeuten, ist die DBB-Auswahl keineswegs chancenlos.
Thomaidis hat für das wichtige Turnier insgesamt 13 Spielerinnen nominiert, die zum Großteil auch bei der EM-Qualifikation im November vergangenen Jahres dabei gewesen waren. Neben den Sabally-Schwestern sind also auch die Leistungsträgerinnen Leonie Fiebich, Marie Gülich und Luisa Geiselsöder dabei. Sie bringen reichlich Erfahrung aus den europäischen Topligen in Frankreich beziehungsweise Spanien und aus der EuroLeague mit. „Wir haben ein wirklich krasses Talent“, sagte Marie Gülich vom Valencia Basket Club, „aber manchmal geht es auch darum zusammenzufinden. Ich sehe uns mit sehr viel Potenzial, aber auch noch sehr viel Raum zum Wachsen.“
Niveau hat sich deutlich angehoben
In den vergangenen Jahren ist schon einiges gewachsen im deutschen Frauen-Basketball, das Niveau hat sich deutlich angehoben. Auch, weil der DBB in den vergangenen Jahren seinen Anstrengungen und Investitionen in dieser Sparte deutlich erhöht hat. „Ich glaube, die packen das jetzt richtig an“, meinte Satou Sabally, „die haben jetzt wirklich alle realisiert, was für einen Schwung das mit sich bringt und wie wichtig es ist, auch in die Frauen zu investieren“. Ein Beispiel? „Jetzt werden wir, wie die Männer, erste Klasse eingeflogen.“ Keine unbedeutende Kleinigkeit bei einer 1,93 Meter großen Athletin wie ihr. „Jetzt sind die ganzen Rahmenbedingungen professioneller. Es geht immer besser, aber man merkt, dass der DBB echt viel für die Frauen tut“, sagte sie: „In fünf Jahren wird es schon wieder ganz anders aussehen.“
Zumal, wenn der Erfolg parallel weiter Einzug hält. So wie bei der EM. Fiebich hatte das deutsche Team beim dramatischen 71:69 in der Platzierungsrunde gegen Tschechien mit einem versenkten Korb 0,4 Sekunden vor Ende der regulären Spielzeit in die Verlängerung gerettet, in der am Ende der Sieg und das damit verbundene Olympia-Quali-Ticket stand. „Das war der größte Wurf, den ich in meiner Karriere getroffen habe“, sagte die 23-Jährige vom spanischen Erstligisten Casademont Zaragoza hinterher.
Aus dem EM-Kader gestrichen sind Emily Bessoir, Ama Degbeon und Emma Stach. Bessoir hatte sich gegen Tschechien am Knie schwer verletzt und fehlt deshalb bei der Olympia-Qualifikation. Doch andere sollen in die Bresche springen. So wie Jenny Crowder. „Wir wollen unbedingt das Olympiaticket lösen“, sagte die Aufbauspielerin der Medical Instinct Veilchen. Sie gehe ohne Angst vor einem Scheitern aufs Parkett: „Wir fahren mit viel Selbstbewusstsein nach Brasilien und haben ein tolles Team. So eine Chance bekommt man nicht alle Tage.“
Die gute Nachricht für alle Basketball-Fans: Die Begegnungen in Brasilien sind jeweils zur Abendzeit kostenlos bei MagentaSport zu sehen, dem Streamingdienst der Deutschen Telekom. „Nachdem wir im vergangenen Jahr mit dem sensationellen Weltmeistertitel bereits das Basketball-Highlight der Herren im Programm hatten, bieten wir Fans nun auch die Top-Begegnungen der Frauen auf dem Weg zu den olympischen Spielen“, sagte Dorothea Jacob von der Telekom. Und Sabally und Co. hätten absolut nichts dagegen, wenn auch ihr Turnier ein historischer Erfolg werden würde.