Zweieinhalb Jahre SPD-Alleinregierung, zweieinhalb Jahre CDU-Opposition. Die einen sagen: „Wir machen unser Saarland stark“, die anderen bilanzieren: „Die Regierung hat keinen Plan.“ Der Blick bei der Bilanz ist bereits auf den nächsten Wahltermin gerichtet.
Zur Halbzeit der Legislaturperiode erklärt die Regierung, was sie alles schon hingekriegt hat – und die Opposition erklärt, was die Regierung alles nicht hingekriegt hat. Gemeinhin könnte man also schlussfolgern, dass die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegt: Es hat sich einiges verändert, seit die SPD alleine die Regierung stellt, aber naturgemäß sind etliche Baustellen offen. Wenn sich nun CDU und SPD darüber im Landtag eine Debatte liefern, wie auf Antrag der CDU im September geschehen, dann steckt schon ein Stück weit mehr dahinter. Beide Parteien haben bekanntlich lange in einer Großen Koalition zusammengearbeitet, keineswegs immer in harmonischer Eintracht. Nun kann man aber in den neu verteilten Rollen auch alte Konfliktfelder offen gegenseitig beackern. Halbzeitbilanz heißt zugleich, die ersten Weichen bereits im Blick auf die Landtagswahl 2027 zu stellen.
Bildungspolitik
Ein zentraler Bereich, in dem man sich schon zu gemeinsamen Regierungszeiten immer in die Haare gekommen war, ist die Bildung.
Als eine der ersten Entscheidungen hat die neue Landesregierung ihr Wahlversprechen über die Rückkehr zu G9 eingelöst, sowie das zweite große Projekt, nämlich schrittweise beitragsfreie Kitas, aufs Gleis gesetzt. Ab 2027 sind Kitas komplett beitragsfrei. „Familien im Saarland werden massiv entlastet sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert“, notiert die SPD-Fraktion. Die CDU wirft der Landesregierung vor, der Beitragsfreiheit alles andere unterzuordnen. „Dadurch leiden Qualität und Verlässlichkeit in der Betreuung massiv“, heißt es in einem Antrag der CDU-Landtagsfraktion. Die SPD wiederum verweist auf Studien, die zeigen: „Das Saarland ist im bundesweiten Vergleich Bildungsaufsteiger Nummer eins.“ Kein anderes Bundesland habe sich so stark verbessert wie das Saarland, vor allem bei der Bildungsgerechtigkeit. Und: „Wir investieren jeden dritten Euro in Bildung.“
Ein weiterer Kritikpunkt der CDU: „Der Lehrermangel wird größer“, es fehle ein Konzept, „stattdessen setzt sie (die Landesregierung) hauptsächlich auf Quereinsteiger“. Die SPD verweist darauf, dass mit dem neuen Bildungscampus die Lehrerausbildung „auf neue Füße gestellt“ und der „Quereinstieg in den Lehrberuf erleichtert“ worden sei. Gleichzeitig würden aber Jahr für Jahr mehr Lehrerinnen und Lehrer eingestellt, „1.200 Lehrkräfte seit Beginn der Legislaturperiode“.
Die CDU hält die Abschaffung des Programms „Früh Deutsch lernen“ angesichts der steigenden Zahl von Schülerinnen und Schülern, die kein oder nur unzureichend Deutsch können, für einen Fehler. Umgekehrt verweist die SPD-Fraktion darauf, dass in den letzten Jahren 200 Sprachförderkräfte eingestellt worden.
Bei der Digitalisierung von Schulen sei das Saarland bundesweit Vorreiter, betont die SPD. Seit diesem Schuljahr wären alle Kinder ab Klassenstufe drei mit einem Laptop oder Tablet ausgestattet und 96 Prozent der Schulen seien ans Glasfasernetz angeschlossen.
Transformation
Für das Saarland ist die Transformation der Wirtschaft existenziell. Die SPD-Landesregierung hat das zum zentralen Projekt gemacht und mit einem Drei-Milliarden-Transformationsfonds untermauert. Die CDU hat immer wieder kritisiert, dass damit der Schuldenberg des Landes enorm ansteigen wird, verbunden mit den entsprechenden Risiken. Ein eigener Vorschlag der CDU umfasst zwar in etwa die gleiche Größenordnung, sollte aber mit lediglich einer Milliarde Landesschulden auskommen. Ansonsten müssten vor allem Mittel des Bundes und der EU beschafft werden. Diese Forderung erhebt die Opposition auch in ihrer Halbzeitbilanz an die Landesregierung. Wenn die schon erkläre, dass im Saarland der „Lackmustest für das Gelingen der Transformation in Deutschland und Europa“ erbracht werde, dann müsse die Regierung auch entsprechende Mittel von dort besorgen. Zudem hat die Opposition einen Katalog von wirtschaftspolitischen Forderungen vorgelegt – unter anderem zu Ansiedlungspolitik, Flächenmanagement, Mittelstand, Bürokratieabbau –, „um der drohenden beziehungsweise teilweise bereits eingetretenen Deindustrialisierung mit der notwendigen Entschlossenheit entgegenzutreten“. Zudem kritisiert die CDU, dass es keine wettbewerbsfähigen Strompreise gibt. Die Landesregierung müsse sich deshalb auf Bundesebene für den von der SPD versprochenen Industriestrompreis einsetzen.
CDU wirft der SPD-Regierung „Politik gegen das Auto“ vor
Die SPD verweist auf Ansiedlungen wie Fricke, Wolfspeed und Vetter als „wichtige Erfolge auf dem Weg, die unserer Wirtschaft resilienter machen“. Wichtig sei zudem, das Saarland ans Wasserstoffnetz anzuschließen, nicht nur für die Umstellung auf grünen Stahl, sondern um überhaupt „energieintensive Industrie langfristig abzusichern“. Für die zweite Hälfte der Legislatur soll die Gewinnung und Sicherung von Fachkräften zu einem Schwerpunktthema werden, schließlich würden sich Unternehmen dort ansiedeln, wo sie Fachkräfte finden. Fachkräftemangel sei folglich „eine der größten Herausforderungen“ für das Saarland neben dem Strukturwandel.
Klima
In Sachen Klimaschutz werden im Saarland dieselben Debatten mit weitgehend denselben Argumenten geführt wie an anderen Stellen.
In der Regierungsbilanz für die erste Hälfte der Legislatur steht ein saarländisches Klimaschutzgesetz. Das Saarland war zwar damit nicht gerade Vorreiter, dafür sind die Ziele für ein industriegeprägtes Land einigermaßen ehrgeizig formuliert worden. Die konkreten Umsetzungen stehen in einem Klimaschutzkonzept, das derzeit in der öffentlichen Diskussion ist. Begleitet werden soll dieser Prozess zu einem klimaneutralen Land durch einen „Bürger:innenrat Klima“, der im Landtag auf den Weg gebracht worden ist. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist in den letzten Jahren vorangekommen, bei Photovoltaik um fast 60 Prozent, womit das Land im Vergleich Spitzenreiter ist, und bei Windenergie um knapp zehn Prozent.
Insbesondere bei Windenergie fordert die CDU, dass Natur, Landschaft und Lebensqualität in ländlichen Räumen nicht „für einen äußerst geringen ökonomischen Nutzen geopfert“ werden dürften.
Besonders heftig umstritten sind Pläne der Landesregierung zum Ausbau des ÖPNV (öffentlicher Personennahverkehr) mit dem Ziel, mehr Autofahrer zum Umstieg zu bewegen. Die CDU-Opposition wirft der Landesregierung eine „Politik gegen das Auto“ vor, die SPD hält dagegen: „Während uns andere ideologische Diskussionen aufdrücken wollen, arbeiten wir an konkreten Lösungen.“
Innere Sicherheit
Auch das Thema innere Sicherheit ist ein klassisches Feld landespolitischer Auseinandersetzungen und ist zuletzt durch die bundesweite Diskussion um Asyl- und Migrationspolitik verschärft worden.
Eine große Polizeireform ist in der Umsetzung. Innenminister Jost verweist darauf, dass es bei der Polizei wieder einen personellen Aufwuchs gibt, nachdem über lange Jahre eher ein Abbau im Gange war. Bis 2023 soll nach den Plänen der Landesregierung eine Personalgröße von 2.900 bei der Polizei erreicht werden. Zudem sei der Verfassungsschutz personell gestärkt worden.
Die CDU wirft der Landesregierung dagegen „Wortbruch“ vor. Im Wahlkampf sei die Neueinstellung von 150 Anwärterinnen und Anwärtern pro Jahr angekündigt worden, diese Marke sei „in drei Haushaltsjahren hintereinander gerissen“ worden.
Ausblick
Mit der Auseinandersetzung um die Halbzeitbilanz der SPD-Alleinregierung haben die Parteien ihre Positionierungen in den zentralen landespolitischen Feldern beschrieben, die absehbar auch eine wichtige Rolle im nächsten Wahlkampf spielen werden. Der ist zwar für das Land noch einigermaßen weit weg. Aber bereits im kommenden Jahr wird die Bundestagswahl ihre Schatten auch auf die landespolitischen Debatten werfen.