Klare Gewinner, klare Verlierer, und eine Partei im unbestimmten Mittelfeld. Dazu eine Rekordwahlbeteiligung. Union, AfD und Linke legen zu, die SPD stürzt ab, die Grünen in der Opposition, die FDP ist raus und das BSW äußerst knapp gescheitert.
Es war ein langer Wahlabend. Am Ende haben Wählerinnen und Wähler ein Ergebnis zustande gebracht, das rein rechnerisch die immer wieder von einer Mehrheit genannte Wunschkoalition ermöglicht, nämlich eine schwarz-rote Koalition. Es ist auch rechnerisch die einzige Variante, solange eine Koalition mit der AfD von allen anderen Parteien ausgeschlossen wird. Bis zu diesem Ergebnis brauchte es aber eine Zitterpartie bis nach Mitternacht, bevor mit der Auszählung der allerletzten Stimmbezirke feststand, dass es das BSW haarscharf nicht über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen würde.
Knapp 50 Millionen Stimmen abgegeben
Klarer Wahlsieger ist die Union, die zwar ein angestrebtes Ergebnis von über dreißig Prozent deutlich verfehlte, aber mit 28,6 Prozent mit deutlichem Abstand stärkste Kraft geworden ist. Dazu haben Gewinne beider Schwesterparteien beigetragen. Die CDU verbesserte sich von 19 auf 22,6 Prozent, die bayrische Schwesterpartei von 5,2 auf 6,0 Prozent (bundesweites Ergebnis). Trotz dieser Zugewinne ist es für die Union das zweitschlechteste Ergebnis. Nur bei der letzten Wahl 2021 war es mit 24,2 Prozent noch geringer.
Die AfD hat ihr Ergebnis verdoppelt, von 10,4 auf 20,8 Prozent, und sich damit als zweitstärkste Kraft bei dieser Wahl positioniert. Die SPD gehört zu den klaren Verlierern. Die ehemalige Kanzlerpartei stürzt von 25,7 auf 16,4 Prozent ab und muss sich mit Platz drei begnügen.
Dahinter reiht sich eine weitere ehemalige Ampel-Partei ein. Die Grünen erreichen mit 11,6 Prozent noch ein deutlich zweistelliges Ergebnis, die Verluste von 3,1 Prozentpunkten bleiben überschaubar.
Einen nicht erwarteten Überraschungserfolg verzeichnet Die Linke mit 8,8 Prozent (nach 4,9 Prozent bei der letzten Wahl). Das BSW verpasst als Newcomer bei dieser Wahl nur äußerst knapp den Sprung in den Bundestag. Bei 4,97 Prozent fehlen nur wenige tausend Stimmen. Die FDP wird dem Bundestag nicht mehr angehören. Nach 11,4 Prozent bei der letzten Wahl reichte es diesmal nur für 4,3 Prozent.
Der Bundestag wird also nicht ganz so bunt, die Verhältnisse in dem jetzt deutlich kleineren Bundestag sind ziemlich übersichtlich. Nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis hat die Union 208 Sitze (CDU: 144, CSU: 44). Dahinter die AfD mit jetzt 152 Sitzen und damit dann wohl Oppositionsführerin. Die SPD muss sich mit 120 Mandaten begnügen, die Grünen mit 85. Die Linke entsendet 64 Abgeordnete. Da keine der anderen Parteien mit der AfD koalieren will, bleibt also rechnerisch nur eine Mehrheit für eine Koalition von Union und SPD.
Im neuen Bundestag werden die Parteien der Mitte (CDU/CSU, SPD, Grüne) zusammen weniger als zwei Drittel der Mandate haben. Da aber bestimmte Entscheidungen (beispielsweise bei Personalentscheidungen) sowie auch mögliche Änderungen des Grundgesetzes (etwa bei der Schuldenbremse) eine Zweidrittel-Mehrheit benötigen, wird den Linken eine besondere Bedeutung zukommen (wegen der Absagen an jede Form von Zusammenarbeit mit der AfD).
Letzte Chance für die geschrumpfte Mitte
Spannend für das Ergebnis sind die Verschiebungen, also Wählerwanderungen. Die Union hat deutlich von ehemaligen SPD- und FDP-Wählern sowie aus dem Nichtwählerbereich profitiert, gleichzeitig sind aber auch über eine Million ehemaliger Union-Wähler diesmal zur AfD gegangen. Das könnte Indiz für die These sein, dass bei bestimmten Themen (etwa Migration) eher „das Original gewählt“ wird. Zusätzlich hat die AfD sehr stark aus dem Nichtwählerbereich gewonnen. Von ehemaligen SPD-Wählern sind fast 1,8 Millionen zur Union gegangen, aber auch über 700.000 zur AfD und über 500.000 zur Linken. Auch die Grünen haben über 700.000 an die Linke verloren. Das erklärt den Erfolg der Linken und könnte ebenfalls Indiz dafür sein, dass bei bestimmten Themen das Original bevorzugt wird.
Ehemalige Wählerinnen und Wähler der ehemaligen Regierungspartei FDP sind vorwiegend (rund 1,3 Millionen) zur Union gewandert, aber auch zu einem ganz erheblichen Teil (knapp 900.000) zur AfD. Das knapp gescheiterte BSW hat zu etwa gleichen Teilen Stimmen von SPD, Linken, „sonstigen Parteien“ und aus dem Nichtwählerbereich gewinnen können.
Entscheidend bei dieser Wahl war natürlich der große Frust über die bisherige Ampel-Regierung, eine große allgemeine Unzufriedenheit und viel Verunsicherung, sowohl bezüglich der persönlichen Lebensverhältnisse als auch grundsätzlich angesichts globaler Entwicklungen.
Die Stimmungslage war vor der Wahl auf einem ziemlichen Tiefpunkt. Gut 80 Prozent waren pessimistisch wegen der wirtschaftlichen Lage, fast 60 Prozent fanden, dass es nicht besonders gerecht zugeht, das allgemeine Sicherheitsempfinden war stetig gesunken.
Gleichzeitig war die Bevölkerung schon lange nicht mehr so politisiert, was sich schließlich auch in der Rekordwahlbeteiligung von 82,5 Prozent (2021: 76,4 Prozent) ausdrückt. Allerdings ist die Gesellschaft auch sehr fragmentiert, die Motive für die jeweiligen Wahlentscheidungen waren sehr heterogen, ein Themenmix aus Innere Sicherheit, soziale Sicherheit, Zuwanderung, Wirtschaftswachstum, Umwelt und Frieden.
Insgesamt ist die Wählerschaft in der Mitte geschrumpft, Polarisierungen haben weiter zugenommen. Nach vielen Einschätzungen ist das Ergebnis dieser Wahl so etwas wie eine letzte Chance für die politische Mitte.