Hertha BSC hat es lange spannend gemacht, sichert sich in der Nachspielzeit dann aber drei wichtige Punkte gegen Fortuna Düsseldorf. Doch das ist erst das erste von drei Heimspielen innerhalb einer Woche.
Stefan Leitl überlegte vergebens: „Ich kann mich gar nicht daran erinnern, wann ich als Trainer mal über einen so späten Siegtreffer jubeln konnte“, sagte der 48-Jährige nach dem Abpfiff vergangenen Sonnabend. Der in der 60. Minute für Kennet Eichhorn eingewechselte Maurice Krattenmacher („Dann dachte ich mir: ‚komm, probier’s“) hatte mit einem sehenswerten Distanzschuss nach einem Konter sowie Vorarbeit von Fabian Reese den entscheidenden Treffer in der sechsten Minute der Nachspielzeit erzielt und Hertha BSC damit einen eminent wichtigen Dreier gegen Fortuna Düsseldorf beschert. Nach der Niederlage in Bochum konnte also mit dem späten 1:0 ein Zeichen gesetzt werden bezüglich der eigenen Ambitionen. Dabei war an diesem Abend vor 40.000 Zuschauern im Olympiastadion längst nicht alles Gold, was glänzt: Denn die Blau-Weißen präsentierten mal wieder zwei Gesichter während eines Spiels. Die erste Halbzeit jedenfalls verschliefen die Hausherren, ließen den Düsseldorfern dabei mit 15 Torschüssen einen Rekordwert in dieser Saison zu. Da die Gäste mit ihren Chancen jedoch wucherten und Tjark Ernst im Hertha-Tor erste Kostproben einer insgesamt starken Leistung ablieferte, blieb es zur Pause beim 0:0. Erst nach dem Wechsel kam Hertha BSC dann richtig ins Spiel, vergab aber etwa durch Jón Dagur Thorsteinsson und Reese seinerseits gute Gelegenheiten. In den Schlussminuten spitzte sich die Partie dann noch einmal zu, denn auch die zwischendurch müder wirkenden Fortunen drückten nun noch mal im Wissen um die Wichtigkeit von drei Punkten auf das Gaspedal. Der „Lucky Punch“ sollte dann aber den Hauptstädtern gelingen – auch, weil Ernst in der neunten Minute der Nachspielzeit noch einmal glänzend reagierte und damit den Erfolg sicherte.
Mit einem 0:0 in die Halbzeitpause
Personell hatte Stefan Leitl dabei wieder Entscheidungen zu treffen: Michaël Cuisance (nach Oberschenkelproblemen) stand gegen die Fortuna so wieder zur Verfügung und übernahm im offensiven Mittelfeld den Part von Thorsteinsson (Ersatzbank, später eingewechselt) – der Isländer war aufgrund der Personalsituation auf dieser Position in den letzten Wochen ohnehin eher eine „1b-Lösung“. In der Abwehr musste der Coach dagegen weiter improvisieren: Während Linus Gechter zwar Startelfspieler blieb, aber erneut auf der rechten Außenbahn statt wie gewohnt in der Innenverteidigung agieren musste, blieb auf der linken Seite mit Michał Karbownik für den verletzt fehlenden Deyovaisio Zeefuik ebenso nur eine Alternative. Der Pole ist zwar vielseitig einsetzbar, hat im dritten Jahr an der Spree aber immer noch nicht konstant überzeugt und soll, da sein Vertrag im nächsten Sommer ausläuft, sogar bereits „unter Bewährung“ stehen. Bereits im Vorfeld der Partie hatte sich Stefan Leitl dazu auf eine interessante Frage festgelegt: Denn „Supertalent“ Eichhorn bekam von Herthas Trainer eine Startelfgarantie für einen der beiden Plätze im defensiven Mittelfeld ausgesprochen. Die Routiniers Diego Demme und Paul Seguin, der letztlich zum Anpfiff neben dem erst 16-Jährigen im Team stand, müssen sich also aktuell noch hinter Eichhorn einreihen. Nicht zuletzt aber eben auch, weil beide wegen Verletzungen eine längere Pause hinter sich haben – sollten beide nun fit bleiben, dürfte sich die Konkurrenzsituation für Herthas Trainer in diesem Bereich erhöhen. Stefan Leitl wird dies aber positiv sehen nach der bisherigen Situation in dieser Saison, die ihn immer wieder zu Improvisationen zwang. Dazu könnte Eichhorn in dem Fall nun auch die für heranwachsende Talente immer wieder erforderlichen Auszeiten erhalten. Der Teenager steht aber auch in anderem Zusammenhang weiter im Mittelpunkt: Das Interesse an ihm potenziert sich förmlich mit jedem Einsatz. Durch die Zweitligaspiele hat er seinen Marktwert bereits auf sechs Millionen Euro verdoppelt und ist damit inzwischen der am höchsten bewertete Spieler im Hertha-Kader. Damit wäre er auch eine mögliche Größe bei der künftigen Sanierung des Clubs – schließlich hat der gerade für die aus der (Finanz-)Not bis November 2028 verlängerte Nordic-Bond-Anleihe über 40 Millionen Euro im selben Schritt eine Teilrückgabe in Aussicht gestellt. Das Angebot bezieht sich auf den vorzeitigen Rückkauf von Anteilen bis zur Hälfte des Gesamtbetrags – möglich macht das dem Vernehmen nach auch der Transfererlös von Ibrahim Maza (für zwölf Millionen Euro zu Bayer Leverkusen) vor dieser Saison. Beobachter trauen Eichhorn dabei einen Sprung auf einen Transferwert von 20 Millionen Euro bis zum Sommer 2026 zu – womit sich Hertha BSC der für jedes Lizenzierungsverfahren problematischen Altlast der Anleihe endgültig entledigen könnte.
„Die Woche der Wahrheiten“
Die Partie gegen Düsseldorf war dabei nur das erste von drei Heimspielen innerhalb von acht Tagen – deshalb war in Berliner Medien bereits im Vorhinein von der „Woche der Wahrheit“ die Rede. Die Pokalaufgabe gegen Ligakonkurrent SV Elversberg am vergangenen Dienstag (bei Redaktionsschluss nicht beendet) sollte dabei als weiterer Gradmesser für den zuletzt gezeigten leichten Aufwärtstrend dienen. Schließlich gelang dem Topteam aus dem Saarland in der Liga erst Ende August noch ein souveräner 2:0-Sieg in Berlin. Dazu war ein mögliches Erreichen des Achtelfinals im DFB-Pokal, verbunden mit einer Einnahme von knapp 850.000 Euro, auch in finanzieller Hinsicht attraktiv. Die Kassen klingeln auch rund um das Gastspiel von Dynamo Dresden an diesem Samstag – diese Partie sorgte wiederum bereits auf andere Art für Schlagzeilen. Denn dem Wunsch der Sachsen nach Aufstockung des Gästekontingents von 11.000 Tickets wurde sogar im Bereich der Geschäftsstelle von Hertha BSC mutmaßlich von Dynamo-Ultras durch großflächige Schmierereien Nachdruck verliehen. Offensichtlich deckten sich dann einige von ihnen nach Start des freien Verkaufs letzte Woche noch mit Karten ein, sodass mit mindestens 15.000 Gäste-Fans im Stadion gerechnet wird. Spekulationen gehen allerdings noch weiter: Schließlich wollten die Dresdner wie beim DFB-Pokalspiel im Oktober 2019 eine Zahl von 30.000 Schwarz-Gelben im Olympiastadion erreichen. Den zu erwartenden stattlichen Einnahmen allerdings steht die vom sportlichen Aspekt eher nachteilige Tatsache gegenüber – dass die Partie dann für Hertha BSC eher den Charakter eines Auswärtsspiels haben könnte.