Große Erleichterung: Auch ohne den in die Bundesliga gewechselten Torjäger Haris Tabakovic gelingt Hertha BSC der erste Saisonsieg. Aber was könnte noch bis zum Ende des Transferfensters passieren?
Eine Woche, nachdem Felix Gebhardt die Rolle des Pokalhelden bei Jahn Regensburgs Erstrundensieg gegen den Bundesligisten VfL Bochum eingenommen hatte, war der Auftritt des Torwarts beim Gastspiel im Berliner Olmpiastadion eher tragisch zu nennen. Denn Hertha BSC hatte zwar bereits in der 4. Minute eine dicke Torchance durch Luka Schuler, der den Ball aus der Drehung jedoch deutlich über Gebhardts Gehäuse drosch – viel mehr produzierte der bis dato noch sieglose Gastgeber aber bis zur 90. Minute offensiv nicht. Nach einer Stunde hatte Hertha-Trainer Cristian Fiel deshalb gleich einen Dreifachwechsel vorgenommen und dabei mit Diego Demme auch den Kapitän nicht verschont – vor allem die Hereinnahme von Florian Niederlechner sollte sich aber noch auszahlen. Der 33-Jährige wurde zunächst eine Viertelstunde vor Schluss vom ebenfalls eingewechselten Ouro-Tagba übermotiviert im Zweikampf getroffen, weshalb der Regensburger die Rote Karte sah.
Die nötige Schubkraft für die Saison
Doch selbst in Überzahl taten sich die Hausherren weiter schwer, ehe Ibrahim Maza in der 90. Minute noch eine zündende Idee hatte: Der unermüdliche 18-Jährige spielte den Ball nach gelungenem Doppelpass mit Jonjoe Kenny aus spitzem Winkel scharf nach innen, wo eben jener Gebhardt die Kugel mit der Ferse ins eigene Tor beförderte. Und dem noch nicht genug, ließ der Jahn-Torwart dann bereits tief in der Nachspielzeit einen scharfen, aber nicht platzierten Schuss Niederlechners durch die Hände rutschen, sodass der Ball sich bereits hinter die Torlinie gedreht hatte, bevor der Unglücksrabe ihn im Nachsetzen wieder herausbefördern konnte. Damit war der erste Saisonsieg von Hertha BSC unter Dach und Fach, frei nach dem Motto: „In einer Woche fragt keiner mehr danach, wie dieser zustande gekommen ist.“ Und in der Tat kann ein solcher Erfolg, wie auch immer errungen, einer Mannschaft die nötige Schubkraft für den Einstieg in eine Spielzeit verleihen. An diesem Samstagabend muss Hertha BSC dann allerdings beim Gastspiel in Kaiserslautern (31. August, Anstoß: 20.30 Uhr) auch den Nachweis dafür erbringen.
Beide Mannschaften waren im Übrigen wegen der Messerattacke von Solingen mit Trauerflor aufgelaufen– Hertha BSC dazu noch zu Ehren des Ex-Spielers Hans Weiner (73), der vergangene Woche nach langer Krankheit verstorben war. Der Verteidiger prägte in den 70er-Jahren die erfolgreichste Ära des Vereins in der Nachkriegszeit maßgeblich mit. Bemerkenswert dabei, dass man selbst in dieser Phase letztlich ohne Titelgewinn blieb: mit der Vizemeisterschaft 1975, dem zweimaligen Erreichen des DFB-Pokalendspiels (Niederlagen gegen Köln 1977 beziehungsweise Düsseldorf 1979) sowie dem Halbfinal-Aus im Uefa-Cup 1979 gegen Roter Stern Belgrad setzte die damalige Mannschaft dennoch Maßstäbe, die bis heute nicht überboten werden konnten. Weiner kehrte nach Stationen beim FC Bayern und in den USA zu Hertha zurück und blieb Berlin auch nach dem Karriereende unter anderem als Wirt der Kult-Fußballkneipe „Hanne am Zoo“ treu.
Zwei Tage vor dem Regensburg-Spiel hatten sich die Kommentarspalten in den sozialen Netzwerken sowie Fanforen von Hertha BSC aber auch aus anderem Grund gefüllt – denn die Gerüchte um einen Transfer von Haris Tabakovic zum Bundesligisten TSG Hoffenheim hatten sich zuvor verdichtet und letztlich bewahrheitet. Interessant dabei: Das Gros der Meinungen in der blau-weißen Anhängerschaft war geprägt von Sachlichkeit. Zwar verliere man mit dem gebürtigen Schweizer den Torschützenkönig der abgelaufenen Spielzeit (22 Treffer wie Glatzel / HSV) und Tziolis / Düsseldorf)– damit gehörte Tabakovic jedoch auch zu den Spielern, die der Verein aufgrund der weiterhin angespannten finanziellen Situation diesen Sommer ins „Schaufenster“ gestellt hatte.
Aufstieg nahezu unabdingbar
Die zwischen vier und fünf Millionen Euro bezifferte Ablösesumme ist dabei zufriedenstellend – angesichts von 500.000 Euro, die die Berliner vor einem Jahr an Austria Wien überwiesen hatten, kann die Gewinnspanne sogar als hervorragend bezeichnet werden. Immerhin ist Tabakovic auch schon 30 Jahre alt und litt zum Start dieser Saison spürbar unter der Systemänderung des neuen Trainers– sowie der verletzungsbedingten Abwesenheit von Fabian Reese, der ihm letzte Saison noch zahlreiche Treffer aufgelegt hatte. Hier und da war ihm zuletzt auf dem Platz sogar der Ärger über die fehlenden, passenden Anspiele seiner Kollegen anzumerken – dazu war er letzte Saison tatsächlich auch in 19 seiner 33 Einsätze ohne Torerfolg geblieben, dafür aber öfters zwei- und einmal sogar dreifach erfolgreich. In jedem Fall kam der Abgang des Torjägers nicht überraschend– sorgte dann durch das Bekanntwerden seines Vollzugs aber ebenso erwartungsgemäß für Diskussionsstoff. Der Wechsel offenbart allerdings auch noch einmal das ganze Dilemma, in dem Hertha BSC steckt – denn als wirtschaftliches Gebot der Stunde ist einerseits der Aufstieg in die Bundesliga zwar unabdingbar, andererseits sind aber auch die erwähnten Verkäufe von Spielern mit höherem Marktwert notwendig.
Zu jenen Kandidaten zählten auch bis kurz vor Ende des Transferfensters nach wie vor Maza und Reese – letzterer soll aktuell das Interesse des SC Freiburg geweckt haben, der aber wohl die noch höher als bei Tabakovic liegende Ablösesumme für den derzeit verletzten Außenstürmer nicht aufbringen will. Im Fall von Maza könnte der Verkauf Tabakovics wiederum finanzielle Mittel freisetzen, die eine Verlängerung mit dem „Supertalent“ ermöglichen könnten. In diesem Zusammenhang verschaffte auch der Transfer von Myziane Maolida Luft– schließlich wurde der Franzose diesmal nicht erneut ausgeliehen, sondern vom saudischen Verein Al-Kholood Club verpflichtet. Dabei dürfte die zitierte „Ablösesumme in unbekannter Höhe“ zwar alles andere als einen Rekord bedeuten, dafür aber sparen die Berliner zumindest Maolidas Gehalt für die letzte Saison seines ursprünglich bis kommenden Sommer gültigen Arbeitspapiers.
Kurz vor Redaktionsschluss wurde auch ein möglicher Transfer von Abwehrchef Marc Kempf zu Como 1907 publik, im Gespräch sei eine Ablöse von zwei Millionen Euro plus Boni. Der 29-Jährige sollte Anfang der Woche zum abschließenden Medizincheck beim italienischen Serie A-Verein erscheinen – auch auf dem Transfermarkt blieb es also bei Hertha BSC bis zum Schluss am heutigen Freitag um 20 Uhr spannend.