Der Saarbrücker Illustrator Eric Schwarz hat seine erste Graphic Novel veröffentlicht. „Ein bisschen Freiheit“ behandelt existenzielle Themen mit Ernsthaftigkeit und gleichzeitiger Leichtigkeit.
Herr Schwarz, ihre erste Graphic Novel erzählt von Zwillingsbrüdern, die mit zwei Freunden an die Atlantikküste fahren und dort eine Woche zusammen verbringen. Was sich simpel anhört, hat es in sich. Wie viel davon ist autobiografisch?
Ich habe selbst einen Zwillingsbruder und die zwei Freunde sind echten Freunden nachempfunden, mit denen wir oft an die Atlantikküste gefahren sind. Ich kenne also das Setting und die Charaktere ziemlich gut, dann werfe ich diese in eine fiktive Situation und stelle mir vor, wie sie darauf reagieren würden. Das Buch ist am Ende also komplette Fiktion, auch wenn ich einige der Situationen und Charaktere aus meinem Leben ziehe.
Der Ich-Erzähler sagt: „Ich kann mich kaum daran erinnern, mal frei gewesen zu sein.“, was die Suche nach der eigenen Antwort an den Leser weiterreicht. Eine Graphic Novel ermöglicht Entschleunigung. Was fasziniert Sie am Comic beziehungsweise am Comic zeichnen?
Ich liebe diese Spannung zwischen Bild und Text. Ich kann mich damit so gut ausdrücken. Ich liebe es, wenn die Bilder etwas anderes zeigen als der Text. Manchmal kann man mit einem Bild ein Gefühl besser beschreiben als mit tausend Worten.
Ein Thema: Die Konkurrenz der Brüder. Und: Wie entsteht Gewalt? Über elf Seiten loten Sie zeichnerisch diesen menschlichen Abgrund, die grundsätzliche Frage, aus. War diese Strecke besonders herausfordernd?
Das war sie tatsächlich. Auch wenn es wie gesagt alles Fiktion ist, war es hart sich in diese Situation hineinzuversetzen und dann aus der Ich-Perspektive so hart über Familie und Gewalt zu schreiben. Irgendwie identifiziert man sich dann doch mit dem Protagonisten. Aber ich glaube, das ist auch gut, dass das etwas auslöst bei mir beim Schreiben, dann hat es hoffentlich auch eine Wirkung auf die Leser und Leserinnen.
Ich habe bei der Verlagsleitung nachgefragt, ab welchem Alter das Buch empfohlen wird. Es geht um Liebe und um Sex. Die Zeichnungen sind teils drastisch. Welche Reaktionen haben Sie darauf bekommen?
Bei den Lesungen und Vorträgen, die ich gehalten habe, gibt es immer zwei Reaktionen auf die Sexszene, entweder lautes Gelächter oder betretene Stille. Finde ich beides passende Reaktionen. Die Stelle ist lustig, aber auch hart. Ich wollte kein Kinderbuch schreiben, sondern ein Buch über Freundschaft und Liebe, und da gehört eben auch Sex dazu. Ich glaube, die Leute verstehen das ganz gut.
Trotz existenzieller Fragen, die Sie in der Graphic Novel behandeln, wirkt die Geschichte nicht beschwerend, weil die Dramaturgie klug austariert ist und poetische Sequenzen einfließen. Haben Sie Freunden vorab Seiten gezeigt und mit anderen diskutiert?
Ja, ich hatte eine ganze Handvoll an Testlesern. Mein Bruder und enge Freunde und andere Autoren und Autorinnen. Das hat mir sehr dabei geholfen zu verstehen, wie die Geschichte gelesen wird.
Das Buch hat über 300 Seiten. Wie lange haben Sie daran gearbeitet?
Ich hatte damals das Glück, gerade das Kunststipendium der Stadt Saarbrücken (Die Landeshauptstadt Saarbrücken vergibt alle zwei Jahre Förderstipendien an Künstlerinnen und Künstler. Anm. d. Red.) bekommen zu haben. Dadurch konnte ich es mir erlauben, mich drei bis vier Monate abzukapseln und an nichts anderem zu arbeiten. Da habe ich erst die Geschichte geschrieben und dann jeden Tag von morgens bis abends gezeichnet. Teilweise bis zu zehn Seiten an einem Tag. Und dann folgte noch eine lange Zeit mit Bearbeitungen und Änderungen und Layout und Cover und und und… Aber den Großteil habe ich in diesen drei Monaten gezeichnet.
Beim österreichischen Luftschacht Verlag gehen pro Tag 3-4 Manuskripte ein. Über ihre Coming-Of-Age-Geschichte war man in Wien „gerührt, bewegt, begeistert“. Hatten Sie weitere Verlage angefragt?
Ich bin so froh, dass Jürgen (Jürgen Lagger, Luftschacht-Verleger; Anm. d. Red.) direkt verstanden hat, was meine Idee ist. Und dass er direkt so hinter mir stand. Viele andere Optionen hatte ich nämlich nicht. Ich glaube, ich hatte das Manuskript noch an zwei oder drei andere Verlage geschickt, bei denen ich es mir hätte vorstellen können. Von einem bekam ich eine sehr nette Absage, mit Feedback, was ich sogar teilweise noch in die finale Version einbauen konnte. Vom anderen habe ich bis heute nichts gehört.
Planen Sie Ihre zweite Graphic Novel oder zeichnen Sie sogar schon?
In der Zwischenzeit habe ich ein Kindercomic geschrieben. Eine Art Märchen, das hoffentlich für Jung und Alt schön zu lesen sein wird. Da arbeite ich gerade an den letzten Seiten. Außerdem wird im Oktober eine Sammlung meiner einseitigen Webcomics erscheinen, die ich regelmäßig auf meinem Instagram @comicblues publiziere. Jetzt habe ich langsam wieder Lust, eine längere Geschichte zu schreiben. Ich muss mir nur noch überlegen, wo ich dieses Mal ein Stipendium herbekomme (lacht).