Weihnachtszeit ist Videospiel-Zeit – auch in diesem Jahr. Dabei steckt die Branche weltweit in einer Art Rosskur nach den zwei goldenen Jahren, die ihr die Corona-Pandemie bescherte: Sie muss abspecken.
Sie soll im kommenden Jahr erstmals auch in Brasilien stattfinden – die Gamescom, weltgrößte Spielemesse, hat neben ihrem Heimatstandort Köln mit Singapur und São Paulo nun zwei internationale Veranstaltungsorte.
Die Gamescom ist der weltgrößte Branchentreff für Computerspiele und Videospiele. Im August dieses Jahres präsentierten sich in Köln 1.227 Aussteller aus 63 Staaten den Fans und potenziellen Geschäftspartnern. Rund 320.000 Besucher kamen zu der fünftägigen Veranstaltung – der bisherige Höchstwert war 2019 mit 373.000 erreicht worden. Zu den Ausstellern gehörten unter anderem Anbieter wie Nintendo, Xbox, Tencent und Ubisoft sowie die Streamingdienste Netflix, Amazon Prime und Crunchyroll.
Ein Jahr voller Entlassungen
Die Branche ist schon seit Jahren auf Wachstumskurs, deutsche Entwickler spielen hierbei aber nur eine Nebenrolle. Es dominieren weiterhin die großen US-Studios, zu denen das chinesische Tech-Unternehmen Tencent aufschließt. Der Branche wird großes Potenzial bescheinigt, zumal ihre Entwicklungen auch Impulse in anderen Wirtschaftsbereichen setzen könnten, etwa mit Künstlicher Intelligenz (KI) und Virtuellen Realitäten (VR). Mittlerweile übertreffen die Einnahmen der Gamesbranche diejenigen der Kinos weltweit um das Siebenfache.
Trotzdem erfuhr die Branche einen deutlichen Einbruch, ausgelöst durch die „Normalisierung“ des Marktes nach den Monaten der Pandemie-Lockdowns. Die Folge waren Studioschließungen und - verkleinerungen, massiver Jobabbau und Aufkäufe: Laut der inoffiziellen Tracking-Liste videogamelayoffs.com wurden in diesem Jahr 7.000 Menschen entlassen.
Dennoch: Laut Angaben des Marktforschungsunternehmens Newzoo erreicht der globale Umsatz Ende des Jahres 184 Milliarden US-Dollar, 0,6 Prozent mehr als im vergangenen Jahr, nachdem 2022 ein Einbruch von mehr als fünf Prozent gegenüber 2021 zu verzeichnen war – die Jahre der Pandemie, in denen Spiele zum Zeitvertreib in den Lockdowns gefragt wie nie waren, schlugen sich deutlich in den Umsätzen und Stellenausschreibungen nieder. Die Unternehmen wuchsen. Nun wird vieles zurückgedreht.
Dabei war das Jahr 2023 vor allem für Videospiel-Fans ein Fest: Große Produktionen wie „Baldur’s Gate 3“, ein neues „Legend of Zelda“ sowie „Starfield“ oder die langersehnte Fortsetzung von „Alan Wake“ ließen die Kassen klingeln. Die Macher aber sehen sich einem harten Konsolidierungswettbewerb gegenüber, hoher Kostendruck und extreme Hire-and-Fire-Politik der Studios kommen hinzu. So hat beispielsweise der Entwickler Bungie („Destiny 2“) noch im August mit Ausschreibungen für Remote-Arbeit geworben und ein neues Projekt angekündigt, um im Oktober acht Prozent seiner Belegschaft, etwa 100 Angestellte, plötzlich zu entlassen. Und Bungie war nicht das einzige Game-Unternehmen: Ubisoft, Relic, 343 Industries, Harebrained Schemes, Epic Games und Unity sind nur einige derer, die sich von einem Teil ihrer Mitarbeiter getrennt haben.
„Crunch“ öffentlich machen
Auch deutsche Firmen waren darunter, etwa Fishlabs, die 2022 mit dem Weltraum-Shooter „Chorus“ den Deutschen Computerspielpreis abräumten. Der schwedische Mutterkonzern Embracer, der in den vergangenen Jahren ein Milliarden-Vermögen für Studios wie Gearbox („Borderlands“) hinblätterte, muss nun offenbar sparen. Epic-Games-Chef Tim Sweeney gab zu, dass Epic eine Weile mehr ausgegeben als eingenommen habe. Dennoch bleiben Spiele für Investoren hochinteressant, jedoch verhindert die Jagd auf kurzfristige Profite in einem Markt, der auf mehr als 300 Milliarden US-Dollar im Jahr 2026 geschätzt wird, häufig stabile Entwicklungen. Denn ob der Markt dies nach dem Ende der Pandemie noch erreichen kann, ist zumindest fraglich.
Die Leidtragenden sind, wie so oft, die Mitarbeiter, die sich ohnehin in den vergangenen Jahren oft im Fokus der übrigen Medien wiederfanden. Denn die Arbeitsbedingungen sind oftmals nicht die besten: Große Produktionen beschäftigen heute zeitweise bis zu 1.500 Personen. Für einige von ihnen spielt der sogenannte Crunch, die Zeit kurz vor Veröffentlichung eines Spiels, in der die letzten Überarbeitungen vorgenommen werden, eine wichtige Rolle. Eine Zeit, in der in einigen Firmen auch schon mal am Schreibtisch übernachtet wird. Mittlerweile trauen sich mehr Entwickler, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Industrie hat in vielen Fällen diese Praktiken eingestanden, Unternehmen arbeiten aktiv daran, sie zu unterbinden. Ob die Industrie in den kommenden Jahren dadurch resilienter gegenüber Krisen wird, ist aber noch zweifelhaft.