Die SV Elversberg dreht einen Rückstand in Nürnberg zu einem 3:1-Auswärtssieg und springt auf den Relegationsplatz. Zwei Spieltage vor Schluss ist damit alles möglich.

Der 1. FC Nürnberg hatte sich seinen 125. Geburtstag sicherlich anders vorgestellt. Große Emotionen, ein eindrucksvolles Rahmenprogramm, und idealerweise ein Heimsieg zum Jubiläum – doch die SV Elversberg erwies sich als alles andere als ein höflicher Gratulant. Statt Geschenke aus dem Saarland mitzubringen, raubte die Mannschaft von Trainer Horst Steffen dem „Club“ die festliche Stimmung – mit einem 3:1-Auswärtssieg – nach Halbzeitrückstand. In einem Spiel, das vor allem in der zweiten Halbzeit eine beeindruckende Wendung nahm, bewies Elversberg Moral, Qualität und jene Reife, die sie in dieser Saison zu einem der Aufstiegsaspiranten der 2. Bundesliga gemacht hat.
SVE legte den Schalter um
Schon vor dem Anpfiff war klar: Dieser Tag sollte für Nürnberg ein ganz besonderer werden. Zehntausende Fans zogen in einem Fanmarsch zum Max-Morlock-Stadion, wo eine eindrucksvolle Choreografie den historischen Moment zelebrierte – auf den Tag genau 125 Jahre nach Vereinsgründung. Die Spieler liefen in rot-weiß gestreiften Traditionsjerseys auf, die Atmosphäre war feierlich und aufgeladen zugleich. Und zunächst schien auch alles nach Plan zu verlaufen. Zwar war die erste Halbzeit insgesamt zäh und arm an Höhepunkten – beide Mannschaften begannen vorsichtig und ohne großes Risiko –, doch unmittelbar vor dem Pausenpfiff sorgte Janis Antiste für das Highlight des Abends aus Sicht der Gastgeber. Der 22-jährige Franzose legte sich den Ball selbst vor und traf mit einem spektakulären Fallrückzieher zur 1:0-Führung.
Wer jedoch geglaubt hatte, die Elversberger würden sich davon einschüchtern lassen, sah sich schnell getäuscht. Die Mannschaft aus dem Saarland zeigte sich von dem Rückstand unbeeindruckt und kam mit deutlich mehr Schwung aus der Kabine. Es war spürbar, dass die Gäste sich nicht mit der Rolle des Statisten in einer fränkischen Festveranstaltung zufriedengeben wollten. Bereits in der 52. Minute war es Elias Baum, der den Spielverlauf auf den Kopf stellte. Der Mittelfeldspieler fasste sich ein Herz und zog aus rund 20 Metern ab – ein sehenswerter Distanzschuss, bei dem Nürnbergs Keeper Jan Reichert zwar noch mit den Fingerspitzen dran war, den Ball jedoch nicht mehr entscheidend ablenken konnte. Das 1:1 markierte die Wende, denn fortan spielte nahezu nur noch Elversberg. Zehn Minuten später war es erneut Baum, der seine starke Leistung krönte. Die Defensive des FCN war zu passiv, Baum nutzte den Raum und verwandelte mit einem platzierten Schuss zur 2:1-Führung (63.). Die Nürnberger Defensive, in der ersten Halbzeit noch solide organisiert, wirkte plötzlich fahrig und unsortiert – ein Zustand, den die SVE konsequent auszunutzen wusste. In der 79. Minute setzte Tom Zimmerschied den Schlusspunkt. Nach einem weiteren unzureichend verteidigten Angriff traf der Offensivspieler zum 3:1 – die endgültige Entscheidung in einem Spiel, das man unter den bekannten Umständen erst mal so herumreißen muss. Während die Elversberger jubelten und sich über drei immens wichtige Punkte freuten, war die Enttäuschung aufseiten der Nürnberger greifbar. „Ich bin froh, dass wir eine schwache erste Halbzeit so beantwortet haben – mit viel Power, tollen Schüssen und tollen Toren nach der Halbzeit und das Spiel auf unsere Seite gedreht haben“, analysierte Elversbergs Cheftrainer Horst Steffen am Mikrofon der ARD. Und ergänzte sichtlich zufrieden: „Wir waren sehr effizient heute.“
Ein Sonderlob hatte Steffen für Doppeltorschütze Elias Baum parat: „Solche Tore habe ich nicht oft gesehen.“ Der 23-Jährige, der sich mehr und mehr zu einer Schlüsselperson im Offensivspiel der SVE entwickelt, blieb bei aller Euphorie besonnen: „Klar spricht man darüber“, sagte Baum auf die Frage nach den Aufstiegsambitionen bei „Sky“. „Wir sind aber alle reflektiert genug, wir wissen, wie wir das einzuschätzen haben. Wir machen uns keinen Druck, dass wir aufsteigen müssen. Wir wissen, wo wir herkommen, die Fähigkeit der Selbstreflexion hat uns stark gemacht.“
Der direkte Aufstieg ist drin

Miroslav Klose, Trainer des 1. FC Nürnberg, zeigte sich nach dem Abpfiff tief enttäuscht. Der ehemalige Weltmeister war sichtlich bemüht, die zweite Halbzeit seiner Mannschaft nicht schönzureden: „Es ist schon bitter. In der ersten Halbzeit können wir zufrieden sein. Da waren die Abläufe da, Kompaktheit war da. In der zweiten Halbzeit war davon dann gar nichts mehr zu sehen.“ Gerade angesichts des besonderen Anlasses war die Enttäuschung groß: „Wenn man sich anschaut, was hier bei jedem Heimspiel und auch auswärts los ist, wie viele uns da begleiten und uns bedingungslos unterstützen – die hätten zu diesem Jubiläum sicherlich diese Punkte verdient“, so Klose weiter. In der Tabelle ist der FCN damit endgültig aus dem Rennen um die oberen Plätze ausgeschieden und muss sich auf einen weiteren Zweitligajahreszyklus einstellen.
Ganz anders die Perspektive der SV Elversberg. Durch den Sieg kletterte das Team auf den Relegationsplatz und steht punktgleich mit dem SC Paderborn, dank der besseren Tordifferenz jedoch knapp vorn. Der direkte Aufstiegsplatz – derzeit vom 1. FC Köln belegt – ist bei nur drei Punkten Rückstand ebenfalls noch in Reichweite, vor allem aufgrund des besseren Torverhältnisses. Beeindruckend ist dabei nicht nur die tabellarische Situation, sondern auch die Formkurve der Saarländer.
Nur eine Niederlage aus den letzten 13 Spielen spricht eine klare Sprache. Der Traum vom Aufstieg in die Bundesliga lebt, auch wenn man bei der SVE weiterhin auf Demut setzt. Spieler, Trainer, Verantwortliche – sie alle betonen, dass der Fokus immer nur auf dem nächsten Spiel liegt.
Doch die Fans dürfen träumen – und sie tun es. Die nächsten Aufgaben gegen Eintracht Braunschweig und beim FC Schalke 04 scheinen lösbar. Gelingt es der SVE, diese Form zu konservieren, ist der Sprung ins Oberhaus des deutschen Fußballs plötzlich mehr als nur eine romantische Idee.