Elegant und zeitlos schön: Das sind die Kreationen der österreichischen Textildesignerin Anita Keckeis. Die Vorarlbergerin entwirft Colliers, Broschen oder Gürtel aus filigranster Spitze – und die verleihen ihren Trägerinnen königliche Haltung.
Herzlich willkommen in meinem Spitzen-Reich", grüßt Anita Keckeis mit breitem Lächeln und öffnet die Tür zu einer textilen Wunderwelt. Wer bei Spitze entweder an biedere Häkeldeckchen im Großmutter-Stil oder an verruchte Unterwäsche à la Rotlichtmilieu denkt, der irrt auf jeden Fall. Was Keckeis in ihrem Atelier in der kleinen Alpenstadt Bludenz präsentiert, ist nichts anderes als absolut außergewöhnlicher, einzigartiger Schmuck aus zarter Spitze. „Welche lebendige, sinnliche Frau vermag der Seidenfäden lockendem Spiel zu widerstehen?", fragt die Designerin auf ihrer Website. In der Tat: Es sind wunderschöne Colliers, die Keckeis kreiert – teils geometrisch-streng, teils romantisch-verspielt, verleihen sie ihrer Trägerin Schwanenhals und Haltung zugleich. Mehr noch.
„Die Frauen werden wieder sichtbar", sagt Keckeis. „Viele schreiben mir, dass sie ganz anders wahrgenommen werden, wieder Komplimente erhalten." Neben den Colliers kreiert die Vorarlbergerin Broschen, Schals und Gürtel. 2014 benutzte der mittlerweile verstorbene Karl Lagerfeld zwei von ihren Kreationen in einem Mode-Shooting für die „Vogue". Die Galeries Lafayette Berlin und die Tate Modern in London verkauften ihre Designs. In Japan reißen sich die Kundinnen um jede neue Kollektion aus dem Hause Keckeis.
„Frauen werden wieder sichtbar"
Dass ihre Accessoires aus Spitze sein würden, zeichnete sich früh ab. Vorarlberg war lange Zeit ein Zentrum der Textilproduktion. Keckeis Mutter arbeitete in einer Spitzen-Manufaktur. Schon damals dachte die kleine Anita: „Das kann man doch anders machen – nicht immer nur blöde Blümchen kreieren." Also studierte sie Textildesign an der Fachhochschule Vorarlberg in Dornbirn. Vier Jahre arbeitete sie danach als Stickereidesignerin in Liechtenstein. Doch Keckeis ist ein überaus neugieriger, kreativer Mensch. Jemand, der ständig den eigenen Horizont zu erweitern versucht. Schnell war klar: Sie musste raus aus dem Korsett der Festanstellung und auch raus aus der Enge alpenländischen Konservatismus.
Keckeis ging erst nach Wien, dann nach Berlin. Bei einem Urlaub verliebten sie und ihr Ehemann sich in die kreative Energie der deutschen Hauptstadt, zogen spontan nach Schöneberg und blieben 17 Jahre. „In Berlin habe ich meine Metamorphose durchgemacht", sagt die Mittfünfzigerin heute. „Dort habe ich mich von vielen Ängsten befreit. Vor allem von diesem ständigen ‚Das geht doch nicht‘." Keckeis gründet ihr Label „Kex Spitzenkultur", entwirft die ersten Kollektionen, die sie über Salonabende verkauft. Auch diese Abende sind Kunst. In Verbindung mit ausgewählten Weinen und kleinen kulinarischen Köstlichkeiten präsentiert sie ihren Schmuck vor ausgewähltem Kundinnenkreis. So macht sie es hin und wieder auch in Bludenz. Der Eltern wegen, die allmählich alt werden, ist das Ehepaar 2017 zurück in die Heimat gezogen. Doch Keckeis hat in dem malerischen Städtchen am Fuße des Lechquellengebirges auch ein stilvolles Atelier eröffnet, in dem man sie mit persönlichem Termin besuchen kann. Im Erdgeschoss einer gelben Villa, liebevoll renoviert und mit historischen Dielenböden ausgestattet, sind ihre Atelierräume ganz in Grau und Weiß gehalten. Die dortigen Schaufensterpuppen tragen Keckeis – natürlich – sowie Chanels Kleines Schwarzes oder japanische Designermode von Issey Miyake. „Zu diesem Stil passen meine Entwürfe besonders gut", sagt Keckeis, die selbst nie ohne eins ihrer Schmuckstücke aus dem Haus geht. „Lediglich beim Wandern schnalle ich mein Collier mal ab", verrät sie lachend. Die Farbpalette ihrer Designs ist überschaubar: Schwarz, Weiß, Kupfer, Rot.
Ihr Schmuck erinnert an Gemälde des spanischen Barockmalers Diego Velázquez. „Ich bin eine alte Seele", sagt Keckeis, „ich muss schon mal im 16. oder 17. Jahrhundert gelebt haben." Anregungen findet die Designerin in der Musik, in Kunst, Literatur und Film, aber auch in guten Gesprächen oder vorzüglichem Essen. Im Sommer unternimmt sie Inspirationsreisen nach Frankreich. Sie zeichnet viel im Kopf, geht mit wachem Blick durchs Leben.
In minutiöser Handarbeit entstanden
Von jedem ihrer Schmuckstücke gibt es maximal 98 Exemplare – weil sie die Zahl 98 erotisch findet und weil die Kex-Designs ihre Exklusivität und ihren zeitlosen Wert behalten sollen. Die Colliers kosten zwischen 150 und 400 Euro, Schals gibt es ab 200 und Broschen ab 50 Euro. Die Spitze wird in Vorarlberg hergestellt. Pro Farbe sind es maximal neun Meter, die aus kleinen Stickereien aus Lustenau kommen. Genäht wird von der 75-jährigen Frau Schmitz in Berlin – einer „Perle von Schneiderin", die Keckeis auch nach fast 20 Jahren immer noch siezt. Den letzten Schliff erhalten die textilen Schmuckstücke dann von der Designerin selbst. So stellt sie sicher, dass jede Kreation ihrem Qualitätsanspruch standhält. Ob es in Zukunft auch Ohrschmuck aus dem Hause Keckeis geben wird? Vielleicht, doch im Moment findet sie den Hals noch „spannender". „Es ist so interessant zu sehen, was mit dem Dekolleté einer Frau passiert, wenn sie meine Kreationen trägt", sagt Keckeis. Dabei wird sie oft genug gefragt, wer denn „so etwas überhaupt trage"? Dann antwortet sie gern: „Frauen, die sich mögen." Und nicht nur die. Den einen oder anderen Mann konnte sie bereits überzeugen, Krawatte oder Fliege im Schrank zu lassen und stattdessen zu ihren Designs – wie sie selbst sagt, alle unisex – zu greifen. „Mein erster Kunde in Bludenz war ein 19-jähriger junger Mann namens Jakob", erzählt sie. „Er absolvierte damals gerade die Hotelfachschule in Amsterdam und beginnt demnächst einen Job im ‚Mandarin Oriental‘ in Hongkong." Vorbei scheinen die Zeiten, als Anita Keckeis zu verrückt, zu kreativ und progressiv für ihre Heimat war. Fragt man sie heute, was sie sich für die Zukunft wünscht, lautet ihre Antwort klar und eindeutig: „Ich möchte noch viele weitere Menschen zur Spitze verführen."