Der Renault Twingo Electric ist einer der wenigen elektrischen Kleinwagen auf dem Markt – klein, wendig und viertürig. Nur die Langstrecke wird für den Stadtflitzer zum Problem.
Huiiiii! Was saust denn da über die Hauptstraße? Hätte ich das Fenster auf, würden mir die Ohren schlackern. So aber sitze ich einfach nur hinterm Lenkrad und staune, wie dieser Winzling beschleunigt. In 4,2 Sekunden von null auf 50 km/h: Klar, ein Porsche ist das nicht, aber an der Ampel reicht’s immer noch für eine kleine Staubwolke.
Theoretisch für vier Personen
Es geht um den Renault Twingo E-Tech Electric, einen elektrischen Kleinwagen, den der Hersteller auf seiner Homepage als „City-Car par excellence“ beschreibt. Mal davon abgesehen, dass wohl die wenigsten Franzosen Anglizismen benutzen würden, hat der Twingo wirklich die perfekten Stadtmaße. Er ist nur 3,62 Meter lang, 1,65 Meter breit (ohne Spiegel) und 1,54 Meter hoch. „Ist das noch ein Auto?“, will mein Nachbar wissen, als ich das blecherne Ei in die einzige freie Parklücke manövriere. Ja, es ist ein Auto. Ein „City-Car“.
Um gleich die wichtigste Frage zu beantworten: Vier Personen passen hinein, aber viel weiter als zum nächsten Supermarkt sollte man in dieser Konstellation nicht fahren, wenn man keine Thrombose bekommen möchte. Dafür sitzt man vorne erstaunlich luftig, was daran liegen mag, dass es keine Mittelarmlehne gibt. Außerdem kann ich den Sitz schön weit zurückschieben, wenn niemand hinter mir sitzt. Echter Komfort will trotzdem nicht aufkommen, weil es keine verstellbare Kopfstütze gibt und die Sitze an den Seiten kaum Halt bieten.
Die restliche Inneneinrichtung kommt ebenfalls ohne Extras aus, fast schon ein bisschen retro. So hat der Tacho neben einer digitalen Anzeige, die Reichweite und Tempo anzeigt, auch eine analoge Geschwindigkeitsnadel. Während viele Autos mit einer elektrischen Parkbremse ausgestattet sind, verfügt der Twingo über eine klassische Handbremse. Am Lenkrad gibt’s genau fünf Tasten, auch die Klimaanlage wird über einen traditionellen Drehregler bedient. Und dann wäre da noch der Schaltknüppel, der genau wie bei einem Verbrenner aussieht. Über ihn lassen sich auch die verschiedenen Stufen der Rekuperation (Energierückgewinnung beim Bremsen) einstellen.
Der Hauptbildschirm, auf dem unter anderem das Navi läuft, ist nur sieben Zoll groß – ausreichend für einen Kleinwagen, aber dass Renault ihn als „hochauflösend“ beschreibt, ist ein schlechter Witz. Mich erinnert er an ein ruckeliges Computerspiel aus den 1990er-Jahren. Ganz anders der Hauptkonkurrent: Der elektrische Fiat 500 kommt mit einem hochauflösenden Display daher, das deutlich moderner wirkt und schneller reagiert.
Vier von fünf Sternen im NCAP-Crashtest
Wie er so durch die Stadt stromert, macht der elektrische Twingo richtig Spaß. Das Gute an dem spartanischen Interieur ist, dass man sofort losfahren kann, ohne sich den Kopf über unzählige Funktionen zerbrechen zu müssen. Ob Kollisionswarner, Totwinkelassistent, Notbremsfunktion oder Verkehrszeichen-Erkennung: Nichts davon gibt es im Twingo. Das ist einerseits erfrischend, weil nicht alle paar Sekunden ein Warngeräusch ertönt. Andererseits könnte es die Unfallgefahr erhöhen, weshalb der ADAC dem Kleinwagen nur die Note 4,6 im Bereich Sicherheit ausgestellt hat.
Immerhin: Ein Spurassistent und ein elektronisches Fahrstabilitätsprogramm (ESP) sind serienmäßig an Bord, wobei Letzteres ohnehin gesetzlich vorgeschrieben ist. Trotz der kargen Assistenzausstattung hat es Renault aber geschafft, den kleinen Flitzer ruhig zu halten. Selbst auf der Autobahn habe ich nie das Gefühl, dass ein Windstoß ihn umwerfen könnte. Das war beim Dacia Spring, einem Elektro-Kleinwagen von Renaults Tochterkonzern, ganz anders. Dort fühlte sich die Fahrt geradezu wackelig an, wobei es sich um mehr als nur ein Gefühl handelte: Der Spring erhielt im EuroNCAP-Crashtest nur einen von fünf Sternen, unter anderem wegen eines hohen Verletzungsrisikos des Fahrers, vor allem im Brustbereich.
Der Renault Twingo schnitt mit vier von fünf Sternen deutlich besser ab. Allerdings bezieht sich der Crashtest auf die Verbrenner-Variante im Jahr 2014. Der Stromer ist noch nicht getestet. Heute würde der elektrische Twingo womöglich schlechter abschneiden, da EuroNCAP seine Anforderungen kontinuierlich verschärft.
Kommen wir zum praktischen Nutzen. Dank seiner kompakten Maße gelingt nicht nur das Einparken, sondern auch das Überholen ohne Probleme: Ein kurzer Schulterblick, schon sieht man, was ringsherum geschieht. Und erst der kleine Wendekreis – ein Segen in der engen Kölner Innenstadt! Das Geräuschniveau liegt im Stadtverkehr sehr niedrig. Es gibt eben keinen brummenden Benzinmotor. Bei Geschwindigkeiten, die über 50 km/h hinausgehen, macht sich allerdings die unzureichende Dämmung bemerkbar. Dann sind die Umgebungsgeräusche so laut, dass es nur noch hilft, das Radio aufzudrehen.
Wie bei Renaults Elektromodellen üblich, kann der Twingo mit 22 Kilowatt laden. Die meisten E-Autos schaffen nur elf Kilowatt, was dem Twingo einen echten Vorteil verschafft. Genauer gesagt, wird sein Akku in einer Stunde auf 80 Prozent aufgeladen, und das auch an einfachen Wechselstrom-Ladestationen, wie man sie oft in Innenstädten findet. Das funktioniert aber nur, wenn kein zweites Auto dort Strom zieht – dann teilt sich die Leistung meistens auf.
Sein größtes Manko: der fehlende CSS-Anschluss. Das bedeutet, dass Schnellladestationen für ihn tabu sind. Längere Reisen sind damit fast unmöglich – es sei denn, man fährt von der Autobahn ab und sucht dezidiert nach langsamen Ladestationen. Zwar will ich mir eine solche Monstertour nicht antun, aber zum Testen tippe ich die Strecke Bonn – Berlin ins Navi ein. Und siehe da: Nach 675 Kilometern und sieben Ladestopps wäre ich am Ziel. Das ist ein bisschen wie eine Reise zu Pferd, nur dass es in diesem Fall eine Klimaanlage gibt.
Die Reichweite gibt der Hersteller mit 190 Kilometern an. Im reinen Stadtbetrieb schaffe ich sogar über 200 Kilometer, wobei der Akku während meiner Testphase aber auch ideale Bedingungen (21 Grad) vorfindet. Im Winter und auf der Autobahn dürfte die Reichweite deutlich darunter liegen, weil Akkus unter solchen Umständen an Leistung einbüßen. Hier sollte man nicht mit mehr als 150 Kilometern rechnen, bei Minustemperaturen vermutlich sogar noch weniger. Sind Langstrecken damit gänzlich unmöglich? Natürlich nicht. Aber es dauert eben sehr lange und erfordert einen nicht unerheblichen Planungsaufwand.
Ab 23.000 Euro in günstigster Variante
Die Software funktioniert gut, ebenso der Sprachassistent. Zwar muss man beim Navi die Adresse in einer bestimmten Reihenfolge aufsagen. Doch die ist schnell erlernt, und dann klappt es gut. Auch Radiosender sind auf dem Touchscreen schnell gefunden, und in der Mittelkonsole gibt es zwei USB-Anschlüsse zum Anschluss von eigener Musik. Für wen eignet sich also dieses Auto? Kurz gesagt, für alle, die vor allem in der Stadt oder im Umland unterwegs sind und mit der überschaubaren Reichweite leben können. Ohne eigene Garage wird’s schwierig. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, kann der Twingo seine Stärken im Stadtverkehr voll ausspielen. Ob Pizza-Service, Pflegedienst oder Kurier: Dort, wo Parkplätze knapp sind, hat der Mini-Stromer einen Heimvorteil. Selbst als „Kinder-Taxi“ ist er geeignet, da er über vier Türen verfügt, die ein schnelles Ein- und Aussteigen ermöglichen.
Viel Auswahl gibt es aktuell nicht, was elektrische Kleinstwagen anbelangt. Der Renault Twingo kostet in der einfachsten Version etwa 23.000 Euro. Der Dacia Spring ist zwar mit knapp 17.000 Euro deutlich günstiger, bietet aber auch weniger Komfort und fiel beim Crashtest durch – für mich ein No-Go. Den Fiat 500 wiederum gibt’s als stylisches Cabrio, was seinen Preis hat. Wer noch etwas Geduld hat, sollte sich den Citroën ë-C3 anschauen, Einstiegspreis 23.300 Euro, Schnelllademöglichkeit und Assistenzsysteme inklusive. Er wird allerdings erst im Sommer ausgeliefert.
Transparenz-Hinweis: Der Hersteller hat das Fahrzeug für den Autotest 14 Tage zur Verfügung gestellt. Dies hat keinen Einfluss auf den Inhalt des Berichts.