Von E-Autos als effizienteste Alternative zum Verbrenner sind politisch nicht alle Parteien überzeugt. Dabei spricht die Forschung eine deutliche Sprache. Wie Deutschland seine selbstgesteckten Ziele erreichen kann, diskutieren Parteien und die Wissenschaft.
Das Ziel: 15 Millionen E-Autos bis 2030 auf deutsche Straßen zu bringen. Der Stand der Dinge: Heute, knapp fünf Jahre vor Ende der Frist, sind es gerade einmal drei Millionen. Der Enthusiasmus für batterieelektrische Autos in Deutschland hat in diesem und bereits im vergangenen Jahr stark nachgelassen. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Ohne Kaufprämien, wegen wachsender technologischer Konkurrenz aus China und mit einer durch Krisen und Russlands Krieg befeuerten Kaufzurückhaltung in Deutschland sind E-Autos derzeit Ladenhüter. Doch welche Methoden gibt es, das Ziel bis 2030 zu erreichen? Die SPD brachte erneut Abwrackprämien ins Gespräch. Diese erwiesen sich jedoch bereits nach der Finanzkrise als Strohfeuer. Zwar zogen viele Käufer dadurch ihre Käufe vor, doch nach Auslaufen der Prämie fehlten die Käufer einige Jahre später in den Büchern der Autohäuser. Gleichzeitig brach der Gebrauchtwagenmarkt ein. Außerdem subventionierte die Prämie nicht nur die kriselnden heimischen Automarken. In diesem Falle könnte eine neue Abwrackprämie auch chinesischen Modellen zugutekommen.
Das Ziel: 15 Millionen E-Fahrzeuge
Die FDP ist von solcherlei Subventionen nicht begeistert und plädiert, wen wundert‘s, für Technologieoffenheit. Das schließt allerdings einen sparsamen Verbrenner mit ein, der Bio- oder Synthetikkraftstoff tankt. Auch CDU-Chef Friedrich Merz, designierter Kanzlerkandidat der Union für 2025, hält eine einseitige Festlegung auf die Elektromobilität für einen Fehler. Die Probleme, die die deutsche Autoindustrie habe und dort besonders Volkswagen als größter deutscher Autokonzern, sieht Merz als Indikator für mangelnde Wettbewerbsfähigkeit insgesamt. Er, ebenso wie die FDP, will die EU-Regelung kippen, wonach nach 2035 keine neuen Verbrenner mehr in Europa zugelassen werden sollen.
Doch selbst der Spitzenverband der deutschen Autoindustrie spricht sich für das Auslaufen von Benziner und Diesel an der Tankstelle aus. „Im Sinne des Klimaschutzes sollten ab 2045 keine fossilen Kraftstoffe mehr an deutschen Tankstellen verkauft werden dürfen“, heißt es in einem vom VDA veröffentlichten Positionspapier. Dahinter steht nicht nur Klimaschutz, sondern auch der Wunsch nach Sicherheit: egal ob Wasserstoff, Brennstoffzellen oder Batterie, ein solches Auslaufen des Kraftstoffverkaufs würde eine zweite entscheidende Linie ziehen, die den Verkauf von klimafreundlicheren Autos aus Sicht der Autoindustrie weiter ankurbeln würde.
Dann wäre da noch das chinesische Problem. China betreibt eine umfassende Subventionspolitik, von der insbesondere der Sektor der grünen Technologien profitiert. Schätzungen des Kiel Instituts für Weltwirtschaft zufolge liegen die Gesamtsubventionen drei- bis neunmal höher als in vergleichbaren OECD-Ländern. Dies zeigt sich in direkten Subventionen, günstigen Krediten und Steuererleichterungen. Die massiven Subventionen stärken die Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Unternehmen. Dies führt zu einem Preisdruck auf europäische Hersteller, die oft nicht mit den niedrigen Preisen mithalten können. Gleichzeitig profitiert Europa von günstigeren Importen für Technologie, die dort zum Erreichen der Klimaziele wichtig sind, beispielsweise bei Solaranlagen oder Batteriezellen, aber eben auch bei E-Autos.
Nach einer Auswertung des Kiel-Instituts erhält der derzeit erfolgreichste chinesische E-Auto-Hersteller BYD auch die meisten Subventionen aus Peking: 2020 waren es noch umgerechnet 220 Millionen Euro an direkten Subventionen, 2022 jedoch bereits 2,1 Milliarden Euro. Hinzu kommen Subventionen für die Batterieherstellung von BYD und Kaufprämien für Elektrofahrzeuge. Zum Vergleich: Auch deutsche Konzerne erhalten teils Subventionen vom Bund. Im Falle des kriselnden Volkswagen-Konzerns waren dies in den Jahren 2016 bis heute 6,4 Milliarden Euro, so eine Studie des privaten Bankhauses Flossbach von Storch.
Derzeit drohen chinesischen E-Autos Zollaufschläge bis zu 35,3 Prozent, je nach Anbieter. Deutschland entschloss sich in letzter Sekunde zu einem Nein zu Zöllen, wurde jedoch von einer Mehrheit aus zehn anderen EU-Staaten überstimmt. Laut ADAC-Umfrage sind Zweidrittel der Deutschen bereit, auch ein chinesisches Auto zu kaufen.
Der Think Tank Agora Verkehrswende weist darauf hin, dass laut Koalitionsvertrag die Bundesregierung mithilfe der hohen Zahl an E-Autos nicht nur die Klimaziele im Verkehrssektor erreichen will, sondern auch Beschäftigung in Deutschland sichern möchte. Allerdings zog die deutsche Automobilindustrie bei diesem Unterfangen nicht so schnell wie erforderlich mit und verpasste den Zeitpunkt, mit Innovationen die Branche weiterhin weltweit anzuführen. Trotzdem gebe es noch Möglichkeiten, die Zahl von 15 Millionen bis 2030 zu erreichen, so der Think Tank. Dafür wären verschiedene Maßnahmen notwendig.
Prämien und Steuererleichterung
So sollen die Gesamtkosten für den Besitz eines Elektroautos über die gesamte Lebensdauer unter die eines vergleichbaren Verbrenners gedrückt werden. Dazu gehören Maßnahmen wie die ohnehin bereits steigenden CO2-Abgaben für Verbrenner, eine CO2-basierte Reform der Dienstwagenbesteuerung, eine Reform der Kfz- und Energiesteuer, Kaufprämien und Steuererleichterungen für Elektroautos sowie reduzierte Strompreise an Ladesäulen. Derzeit beobachtet Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer eine Preissteigerung bei den Verbrennern und den Elektroautos, wobei letztere jedoch deutlich weniger stark im Preis gestiegen sind. Ob sich diese Strategie der Konzerne am Markt durchsetzen wird, muss sich jedoch noch zeigen. Es könnte jedoch ein erstes Indiz für eine marktgetriebene Strategie sein, die Kosten von E-Autos im direkten Vergleich mit Verbrennern zu verringern, indem Verbrenner schlicht verteuert werden.
Auch der Firmenwagenmarkt sollte laut Agora Verkehrswende ebenfalls stärker für die Elektromobilität genutzt werden, da Gewerbetreibende einen großen Teil der Pkw-Neuzulassungen ausmachen. Schon jetzt will die Bundesregierung den 0,25-Prozent-Steuervorteil für Dienstwagen bis auf Fahrzeuge im Wert von 95.000 Euro ausweiten– wohl mit dem Hintergedanken, mit dieser Maßnahme gleich ganze Dienstwagenflotten von Großunternehmen zu elektrifizieren. Es könnten, so der Think Tank, deutlich steigende Mindestquoten für Elektroautos in gewerblichen Flotten eingeführt werden, um den Hochlauf der Elektromobilität zu beschleunigen. Ein finanzieller Ausgleich sollte sicherstellen, dass Herstellern und Flottenbetreibern durch die Quotenregelung keine schwerwiegenden Nachteile entstehen. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur, insbesondere im privaten und öffentlichen Bereich, könnte ebenso beschleunigt werden, um Bedenken hinsichtlich der Verfügbarkeit von Ladepunkten und Wartezeiten auszuräumen.
Und letztlich müsste man auch die chinesischen Marken in die Kalkulation miteinbeziehen – denn nur sie bauen derzeit genügend günstige Modelle, um einen schnellen Hochlauf zu ermöglichen.
Dass Elektroautos die effizienteste Technologie darstellen, rasch zusammen mit erneuerbaren Energien den Verkehrssektor zu dekarbonisieren, darüber herrscht wissenschaftlich Klarheit. Über ihren Lebenszyklus hinweg sind E-Autos derzeit deutlich emissionsärmer als Benziner oder Dieselfahrzeuge – trotz Kohlestrom, der zugunsten der Erneuerbaren auf dem Rückzug ist, trotz der CO2-Fußabdrücke in der Batterieproduktion, in der es immer mehr Produkte ohne Seltene Erden gibt. Gemessen am Klima wäre Auto-Deutschland also mit einer schnell elektrifizierten Flotte und einem schnellen Ausbau der Erneuerbaren gut beraten. 22 Prozent der schädlichen Emissionen 2023 in Deutschland entstammten laut Umweltbundesamt dem Verkehrssektor. Finanzielle Anreize, Verbrenner durch effiziente E-Autos zu ersetzen, fehlen jedoch seit diesem Jahr. Die Beharrungskräfte bleiben stark und gefährden damit weiter Deutschlands Wirtschaft.