Der Frauensport ist auf dem Vormarsch. Sowohl in Einzeldisziplinen als auch im Mannschaftssport machen erfolgreiche Saarländerinnen immer wieder auf sich aufmerksam.
Als 1900 zum ersten Mal Frauen an den modernen Olympischen Spielen teilnehmen durften, lag ihr Anteil bei 2,2 Prozent aller Teilnehmenden. Bei den Olympischen und Paralympischen Spielen 2024 in Paris starteten erstmals in der Geschichte ebenso viele weibliche wie männliche Athletinnen und Athleten. Dieser Meilenstein ist dem unermüdlichen Einsatz von Sportlerinnen zu verdanken, die Rekorde brechen, Stereotype überwinden und künftige Generationen inspirieren, sowie von Organisationen und Unterstützenden, die sich dafür einsetzten. Auch einige Spitzenathletinnen aus dem Saarland haben ihren Anteil daran, dass der Frauensport in vielen Bereichen wächst und die Athletinnen die Anerkennung erhalten, die sie sich durch herausragende Leistungen verdienen. Von Leichtathletik über Radsport bis hin zu Kunstturnen haben saarländische Frauen Maßstäbe gesetzt und sind Vorbilder für viele junge Sportbegeisterte. Hinzu kommen die erfolgreichen Mannschaften beispielsweise der Basketballerinnen der Saarlouis Royals, der Volleyballerinnen des TV Holz oder die vielen weiteren Teams unterschiedlicher Sportarten wie Tanzen oder Rhythmische Sportgymnastik.
Viel Talent in der Leichtathletik
Angeführt werden die Spitzensport-Frauen im Saarland derzeit von Lisa Klein. Die Radsportlerin aus Lauterbach holte 2021 in Tokio olympisches Gold in der Mannschaftsverfolgung und wurde 2024 – ebenfalls im Bahnrad-Vierer – Vize-Weltmeisterin sowie Vize-Straßen-Europameisterin mit der Mixed-Staffel. Und dies sind nur die jüngsten Erfolge. Die 28-Jährige wurde seit 2018 fünfmal zur „Saarsportlerin des Jahres“ gewählt und ist damit Rekordhalterin der seit 1995 jährlich vom Verein Saarländischer Sportjournalisten durchgeführten Wahl. Eine große Konkurrentin für Lisa Klein ist dort stets die Leichtathletin Laura Müller. Die in Dudweiler geborene 29-jährige Läuferin hat sich auf die 400 Meter spezialisiert und feierte neben zahlreichen Medaillen bei Deutschen Meisterschaften auch schon internationale Erfolge. Beispielsweise wurde sie 2017 Team-Europameisterin mit der deutschen Mannschaft und gehört zum Olympiakader des Deutschen Leichtathletik-Verbands.
Ihre größten Erfolge feierte Helga Bühler-Hoffmann in den 1950er- und 1960er-Jahren. Damals war die in Alt-Saarbrücken aufgewachsene Saarländerin eine der besten Weitspringerinnen weltweit. Die Saarländerin ist heute noch vielen als „Miss sechs Meter“ bekannt, da sie damals so beständig wie kaum eine andere Leichtathletin diese wichtige Marke im internationalen Weitsprung immer wieder übersprungen hatte. Dreimal nahm sie an Olympischen Spielen teil: 1956 in Melbourne, 1960 in Rom und 1964 in Tokio – und landete stets unter den ersten Zehn. Außerdem gewann sie zweimal EM-Bronze: im Fünfkampf 1962 sowie im Weitsprung 1966. Zwischen 1957 und 1966 sammelte sie unglaubliche 14 deutsche Titel, weshalb sie mit dem Silbernen Lorbeerblatt ausgezeichnet wurde. Sie ist bis heute die einzige Saarländerin, die zweimal als deutsche Sportlerin des Jahres ausgezeichnet wurde.

Als Saarsportlerin des Jahres 2020 wiederum wurde mit Melitta Czerwenka-Nagel eine Athletin ausgezeichnet, die bis ins hohe Alter sportlich aktiv und erfolgreich war. Erst im Alter von 48 Jahren hatte sie mit dem Laufsport begonnen. In der Folge lief sie vier Jahrzehnte lang ihren Konkurrentinnen davon, wurde mehrfache Weltmeisterin bei den Senioren-Leichtathleten und hält bis heute zwölf Weltrekorde in unterschiedlichen Altersklassen auf Strecken zwischen 400 und 10.000 Metern. Neben vielen anderen Ehrungen wurde sie 2006 auch zur Weltleichtathletin gekürt. Noch bis wenige Wochen vor ihrem Tod am 2. April 2024 war die damals 93-Jährige ständig in Bewegung und für ihre herausragenden sportlichen Leistungen mit dem saarländischen Verdienstorden ausgezeichnet worden. Auf ihre ganz eigene Art war und bleibt sie eine große Inspiration für Frauen – nicht nur im Sport und nicht nur im Saarland.
Auch im Para-Sport sind Saarländerinnen überaus erfolgreich. Hier seien beispielhaft die Schwestern Claudia und Nicole Nicoleitzik, Anita Raguwaran sowie Johanna Recktenwald genannt. Bei den Weltmeisterschaften 2006 und den Paralympics 2008 in Peking gewann Claudia Nicoleitzik (35) jeweils die Silbermedaillen über 100 und 200 Meter. Es folgten weitere Silber- und Bronzemedaillen bei Weltmeisterschaften und den Paralympics 2012 in London und 2016 in Rio de Janeiro, wofür sie am 1. November 2016 das Silberne Lorbeerblatt erhielt. Ihre sechs Jahre jüngere Schwester Nicole Nicoleitzik, die wie Claudia aufgrund einer Ataxie in der Bewegungskoordination beeinträchtigt ist, setzt die familiäre Erfolgsgeschichte fort und wurde 2018 Europameisterin über 100 und 200 Meter. Auch sie nahm an den Paralympics 2016 teil sowie an den Spielen in Tokio 2021 und Paris 2024.
Immer mehr Frauen in Saar-Vereinen
Para-Winter- und -Radsportlerin Johanna Recktenwald feierte im zurückliegenden Winter ihre bisher erfolgreichste Saison. Die 23-jährige Langläuferin und Biathletin aus Marpingen wurde bei der Para-Weltmeisterschaft im slowenischen Pokljuka Weltmeisterin im Biathlon-Einzel in der sehbehinderten Startklasse über 12,5 Kilometer. Während bei ihr in den Wintermonaten das Biathlon-Training im Vordergrund steht, ist es im Sommer das Radfahren. Dabei soll der Radsport nicht nur als Training und Abwechslung zum Wintersport dienen, sondern wird seit einem Jahr von ihr ebenfalls auf Leistungsebene betrieben. Die Teilnahme an der Straßen-WM Ende August in Belgien hat die ehrgeizige Athletin als Ziel ausgerufen.
Auf internationalem Parkett kennt sich auch Anita Raguwaran aus. Sie ist als Para-Boccia-Nationalspielerin erfolgreich und reist mit Teamkollege Boris Nicolai, der ihre Faszination für diesen Präzisionssport weckte, zu Turnieren in der ganzen Welt. Ihr erster größerer Erfolg, der Sieg gegen die Slowakei im Pair-Wettbewerb beim Para-Boccia-Weltcup 2022 in Rio de Janeiro, war gleichzeitig der erste deutsche Pair-Sieg in der Geschichte des Para Boccia.
Über die Genannten hinaus gibt es zahlreiche weitere Frauen aus dem Saarland, die in ihren Sportarten national wie international für Furore sorgten und sorgen. Neben bekannten Größen wie Kunstturn-Weltmeisterin Pauline Schäfer-Betz, die den nach ihr benannten „Schäfer-Salto“ erfunden hat, Fußball-Olympiasiegerin Dszenifer Marozsán oder die mehrfache Deutsche Weitsprung-Meisterin und EM- und WM-Teilnehmerin Bianca Kappler oder die ehemaligen Tennis-Profis Claudia Kohde-Kilsch (Olympia-Bronze 1988, Dritte der Weltrangliste 1987) und Kristina Barrois (57. der Weltrangliste 2011). Weniger bekannt dürften die aktuelle Judo-Weltmeisterin der Veteranen, Jessica Lindner, die Welt- und Europameisterin im Kegeln, Elke Radau-Lambert, die Weltmeisterin im Gewichtheben, Vera Loch, oder auch die Motorsportlerin Carrie Schreiner sein.
Nach der aktuellen Bestandserhebung des Landessportverbandes für das Saarland (LSVS) sind zum Stichtag 1. Januar 2024 exakt 370.302 Menschen in Sportvereinen des kleinsten Flächenlandes der Bundesrepublik organisiert. Aus den Zahlen geht nicht hervor, wie viele davon aktiv und wie viele passiv Mitglied in einem der zahlreichen Sportvereine im Land sind. Sehr wohl aber, dass rund 60 Prozent von ihnen männlich und nur rund 40 Prozent weiblich sind. „Allerdings sind die Zahlen insgesamt sehr gut und in allen Bereichen wachsend, und der Frauensport holt schon seit einiger Zeit auf“, merkt Johannes Kopkow an. „Unser Angebot steht allen offen. Wir freuen uns über alle, die sich dem organisierten Sport im Saarland anschließen wollen“, sagt der LSVS-Vorstand und betont: „Der Sport und die mit ihm verbundenen Werte stehen bei uns im Vordergrund, völlig unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion oder anderer Merkmale. Natürlich gibt es Sportarten wie beispielsweise Cheerleading, in denen schon immer mehr Frauen aktiv waren. Aber das kann sich auch ändern. Wir freuen uns über jedes neue Mitglied in der Sportfamilie.“