Auf der Zielgeraden der Transferphase hat Hertha BSC noch etwas bewegen können. Jetzt ist der Trainer gefragt.
Als Haris Tabakovic nach einer knappen Stunde Spielzeit Hertha BSC zum vierten Mal in Führung brachte, ahnte noch niemand, dass der 1. FC Magdeburg das Spiel am Ende noch mit 6:4 für sich entscheiden sollte. Vielmehr dürften sich alle, die es mit den Berlinern halten, an dem herrlich herausgespielten Treffer erfreut haben – obendrein war es von besonderer Bedeutung, dass es die Koproduktion zweier Neuzugänge war. Denn dem Schweizer aufgelegt hatte Smail Prevljak, der beim 5:0-Heimsieg gegen Fürth selbst schon einmal getroffen hatte. So scheinen die Verantwortlichen von Hertha BSC mit dem schmalen Budget zumindest offensiv gut gehandelt zu haben. Nach der Rekord-Torflaute zu Beginn der Saison in der Zweiten Liga (drei Spiele: kein Tor, kein Punkt) gelangen in zwei Partien immerhin gleich neun Torerfolge. Wichtig, um langsam in der Spielklasse anzukommen – mit über 20 Abgängen und finanziell bescheidenen Mitteln hatte sich die Transferphase ja durchaus heikel für Hertha BSC entwickelt. Das führte zwischenzeitlich dazu, dass etwa im Mittelfeld nur noch vier Spieler im Kader gelistet waren – von denen zwei noch gar keine Einsatzzeit im Profibereich zu verzeichnen hatten. Da wurde es selbst einem Realisten wie Pal Dardai doch etwas zu bunt, und er kitzelte die Verantwortungsträger mit der provokanten Frage im Fernsehen nach der 0:3-Pleite beim HSV, ob die Qualität im Kader vielleicht doch nicht ausreichend sei.
In der „wahrscheinlich schwierigsten Transferperiode der Vereinsgeschichte“ („Tagesspiegel“) war jedenfalls besonders auffällig, dass die sportliche Leitung nicht taktieren wollte beziehungsweise konnte: Reihenweise wurden die Spieler unter Marktwert, zum Teil mit gewaltigem Verlust abgegeben – auch ohne zunächst quantitativ gleichwertigen Ersatz vorweisen zu können. Einige potenzielle Zugänge wurden dazu gehandelt, deren Verpflichtung letztlich nicht zustande kam. Extremstes Beispiel war hier Diego Demme (SSC Neapel), mit dem die Einigung bereits Mitte Juni in den Medien vermeldet worden war, der letztlich aber kurz vor Ende des Transferfensters Hertha BSC absagte. Auch der Transfer eines Angreifers wie Serdar Dursun (Fenerbahce Istanbul) war offenbar nicht zu realisieren. So hatten sich die Club-Verantwortlichen zunächst auf ablösefreie Zugänge beschränkt, ähnlich wie bei den schon im vergangenen Winter verkündeten Verpflichtungen von Gustav Christensen (18) oder Fabian Reese (25). Hier hatte man ein Auge auf Spieler mit gewisser Erfahrung in der Ersten oder Zweiten Liga geworfen: etwa der neue Abwehrchef und Kapitän Toni Leistner (32, St. Truiden/BEL), die für die Außenverteidigerpositionen geholten Jeremy Dudziak (27, Fürth) und Anderson Lucoqui (26, Mainz 05) oder eben auch Angreifer Smail Prevljak. Für schmales Geld zu haben – sprich bis zu 500.000 Euro – waren dazu Außenstürmer Palko Dardai (24, FC Fehervar) sowie Tabakovic (29, Austria Wien), bei dem man von einer Ausstiegsklausel im Vertrag profitierte. Einen ganz besonderen Fall stellte der ursprünglich als neue Nummer eins verpflichtete Marius Gersbeck (28, vom KSC für 300.000 Euro) dar, der sich im Trainingslager in Österreich des Nachts einen Fehltritt inklusive mutmaßlicher Körperverletzung erlaubte, der zu seiner wohl bis zur gerichtlichen Klärung gültigen Suspendierung führte. Mit Tjark Ernst (20) ist dabei zwar ein Eigengewächs in die Bresche gesprungen – der Wunsch nach einem Torwart im Kader mit Erfahrung ist aber scheinbar so groß, dass über eine Rehabilitierung Gersbecks ebenso nachgedacht worden sein soll wie über eine Reaktivierung des ehemaligen Keepers Rune Jarstein (38). Obwohl mit dem Norweger aktuell ein Prozess vor dem Arbeitsgericht stattfindet – doch in der Lage, in der sich die „Alte Dame“ befindet, darf man (offenbar) auch in solchen Fällen nicht zimperlich sein.
Zwei neuzugänge fürs Mittelfeld
Vergleichsweise viel Geld nahm Hertha BSC hingegen für Michal Karbownik (22, Brighton/ENG) in die Hand: 2,5 Millionen Euro ließ man sich die Dienste des polnischen Linksverteidigers kosten, der in Düsseldorf bereits Zweitliga-Luft schnuppern konnte. In seinen erst zwei Einsätzen im blau-weißen Dress zeigte der noch – analog zur Mannschaft – Licht (gegen Fürth) und Schatten (in Magdeburg). Von vielen Leihrückkehrern trennte man sich dazu erwartungsgemäß, bei den Eigengewächsen Linus Gechter (20, Braunschweig) und Marten Winkler (20, Waldhof) war die Reintegration jedoch geplant. Beide stellten dabei zumindest ihren Wert als Ergänzungsspieler unter Beweis, während Trennungskandidat Deyovaisio Zeefuik (25) sich sogar für eine Weiterbeschäftigung empfehlen konnte. Nach starker Leistung zum Ligaauftakt in Düsseldorf war der Niederländer allerdings wegen muskulärer Probleme nicht mehr einsatzfähig. Die Lücke im Mittelfeld wurde dann kurz vor Ablauf der Transferfrist noch mit zwei Zugängen geschlossen. Andreas Bouchalakis bringt dabei viel Erfahrung mit, der 30-Jährige kam für Olympiakos Piräus schon zu Einsätzen in Champions- und Europa League und deutete nach seiner Einwechslung in Magdeburg bereits sein Potenzial an, ein Schlüsselspieler für mehr Stabilität zu werden. Allerdings stand er in der Ligapause zur weiteren Eingewöhnung nicht zur Verfügung, weil er zur griechischen Nationalelf berufen worden war. In Berlin bleiben konnte hingegen Bilal Hussein, obwohl der Mittelfeldspieler (bislang AIK Solna/SWE) bereits Einsätze für die schwedische Auswahl vorweisen kann. Der 23-Jährige blieb in Magdeburg noch auf der Bank, von ihm versprechen sich die Verantwortlichen jedoch ebenfalls die erforderlichen Impulse sowohl mit als auch gegen den Ball. Und dann gäbe es da eventuell auch noch einen „Zugang“, der eigentlich gar keiner ist: Denn bei Offensivspieler Kelian Nsona (21), der im Winter 2022 trotz Knieverletzung unter Vertrag genommen wurde, besteht inzwischen mehr als die Hoffnung, dass er nach anderthalb Jahren in Berlin bald seinen ersten Pflichtspieleinsatz für Hertha BSC bestreiten kann. In jedem Fall zeigte sich Pal Dardai letztlich doch noch zufrieden mit den Transferaktivitäten: „Im Rahmen unserer Möglichkeiten haben wir gute Jungs geholt, menschlich und sportlich.“ Bis zum Ende des Herbsts, so die Prognose des Ungarn, soll ein starkes Team auf dem Platz stehen – mit dem Thema „Wiederaufstieg“ braucht man dem Trainer von Hertha BSC vorerst aber nicht zu kommen.