Während in Europa Grenzkontrollen für heftige Diskussionen sorgen, wirbt „Via Democratia Europa“ für die großen europäischen Errungenschaften. Immer mehr Städte und Gemeinden machen mit und zeigen dies mit der blauen Plakette an prominenten Orten.
Der Zeitpunkt war ideal. In Deutschland und bei den europäischen Nachbarn wird heftig um Grenzschließungen und Zurückweisungen diskutiert, gleichzeitig liefen gerade die allerletzten Vorbereitungen für das große Fest im luxemburgischen Grenzort Schengen. Jenem Ort, der für einen wahren Meilenstein in der Entwicklung eines geeinten Europas steht.

Einen Katzensprung vom saarländischen Grenzort Perl entfernt. Dort war vor dem Rathaus alles für eine feierliche Zeremonie gerichtet. Nach und nach trafen die Gäste aus Luxemburg und Frankreich ein. Die Bürgermeister von Schengen und Remich, Michel Gloden und Jacques Sitz, und die Bürgermeisterin von Apach, Émilie Villain, herzlich begrüßt vom Perler Rathauschef Ralf Uhlenbruch. Man kennt sich von vielen Begegnungen – und vielen gemeinsamen Beschlüssen und Resolutionen für die Grenzregion.
Im Dreiländereck im Herzen Europas lebt die europäische Idee wie kaum sonst irgendwo: die Idee von Freiheit, Freizügigkeit, Demokratie, einem Europa der Menschen und einem Europa der offenen Grenzen.
Dieses Europa hat eine lange Geschichte und viele bedeutende Stationen, die Wegmarken sind für die vielen Etappen.
Diese Etappen sichtbar, erlebbar, im wahrsten Sinn des Ortes er-fahrbar zu machen, steht als Idee hinter der „Via Democratia Europa“. Im Kern ist es ein besonderer Reiseführer, der über 850 Kilometer von Straßburg nach Brüssel die Orte verbindet, „wo alles angefangen hat“. Die „eindrucksvollen Stationen der europäischen Integration“, wie es der langjährige saarländische Europaabgeordnete Jo Leinen nannte.
Und diese „eindrucksvollen Orte“ werden nun nach und nach zusätzlich sichtbar, indem bedeutende Orte auf dieser Strecke sich mit einer einheitlichen Plakette als eine Station auf der „Straße der Demokratie“ zu erkennen geben.
Eine solche Plakette wurde jetzt auch am Rathaus in Perl feierlich von Bürgermeister Uhlenbruch und Vertretern des Vereins „Via Democratia Europa“, Joachim Kiefaber und Dieter Quack, enthüllt.
Die Idee zur „Via Democratia Europa“ stammt weder aus einer Kommunikationsabteilung einer europäischen Institution noch von Reisebuchverlagen. Sie ist ein Initiative von Privatpersonen, die zur Realisierung den entsprechenden Verein gegründet haben.
„Eine Reise auf der ‚Europastraße der Demokratie‘ soll dazu beitragen, die europäischen Werte – Menschenrechte, Demokratie, kulturelle Vielfalt, gegenseitiges Verständnis – mit Leben zu füllen und das Bewusstsein für Europa und die europäische Geschichte zu verbessern“, beschreibt der Vereinsvorsitzende Gerhard Laux die Intention. So geht es nicht nur darum, Straßburg, Luxemburg und Brüssel, sondern auf dieser Strecke auch die vielen Orte miteinander zu verbinden, die mit der Gründung und Entwicklung der Europäischen Union in enger Verbindung stehen.
Natürlich gehört dazu auch Schengen, wo die erste Plakette am Europäischen Museum angebracht worden war. Diese Plakette soll nun als eine Art Wegweiser die ganze Strecke von Straßburg bis Brüssel säumen.
Bislang wurde die Plakette bereits an einzelnen Stationen (wie etwa Schloss Berg, Victor’s Residenz Hotel) angebracht.
Die feierliche Enthüllung am Rathaus in Perl war nun der Auftakt, um in diesem Sommer an vielen Etappen den Weg Europas sichtbar zu machen. Nach Angaben des Vereinsvorsitzenden Gerhard Laux haben bislang neben den großen europäischen Städten Brüssel, Straßburg, Luxemburg auch Saarbrücken, Trier, Saarlouis sowie Eupen und Malmedy, Waimes (Belgien), Vianden (Luxemburg) und Wissembourg (Frankreich) fest zugesagt, eine ganze Reihe weiterer wird noch dazukommen.
Zur gleichen Zeit wie in Perl wurde die Plakette auch in Apach (Frankreich) und Remich (Luxemburg) feierlich enthüllt. Am Ende wird die blaue Plakette nicht nur als touristischer Wegweiser durch die Region führen, deren Grenzen in früheren Jahrhunderten immer umkämpft waren, die größtenteils Aufmarsch- und Kampfgebiet in einer Vielzahl von Kriegen waren.
Ein Kompass mit vielen Facetten Europas
Jetzt soll die „Europastraße der Demokratie inhaltliche Tiefe und das Zusammenwachsen Europas erlebbar machen“, beschreiben die Initiatoren ihre Idee.
Und gerade mit Blick auf Schengen, den Ort, den die erste „Via Democratia Europa“-Plakette ziert, sind die aktuellen Entwicklungen mit Grenzkontrollen und Zurückweisungen beim Verein auf heftige Kritik gestoßen. „Landesweite stationäre Grenzkontrollen, wie sie Deutschland als schlechtes Beispiel seit Längerem praktiziert, widersprechen der Grundidee eines vereinten und demokratischen Europas, wie sie in den europäischen Verträgen und der historischen Vereinbarung von Schengen festgelegt wurde“, hieß es in einer Erklärung des Vereins bereits Ende vergangenen Jahres. Eine „extreme Ausnahmesituation“, die eine solche Maßnahme rechtfertigen würde, sei „nicht gegeben“.
Die „Via Democratia Europa“ will dagegen das andere, freizügige Europa zeigen, entlang der prägenden Orte. Und das sind neben den schon erwähnten Brüssel, Straßburg und Luxemburg natürlich auch Maastricht oder Aachen – und die vielen kleinen Orte, in denen das erlebbar wird, was in den großen Städten bei feierlichen Unterzeichnungen europäischer Verträge und Vereinbarungen besiegelt wurde.

Der Reiseführer verbindet dabei historische Hintergründe mit einer Vielzahl ganz praktischer Hinweise und lässt sich entsprechend vielfältig nutzen. Als detailreicher Führer „durch schöne Landschaften mit einer Vielzahl von Sehenswürdigkeiten und einem besonderen, regional-multinationalen Flair“, sehr übersichtlich, mit empfohlenen Stadtrouten an den großen Stationen auf diesem besonderen Weg durch Europa, ergänzt durch viele sehr spezielle Tipps, die deutlich machen, dass jede Station für sich schon einen Tag (oder mehr) lohnt. Was nicht zuletzt auch dadurch unterstrichen wird, dass jede der Regionen auf der Strecke mit kulinarischen Spezialitäten aufwartet, „zwischen Sauerkraut-Pol im Süden bis Pommes-frites-Pol im Norden“, so formuliert es Peter Michael Bitz, einer der Autoren des Reiseführers. Testen lässt sich das nach den Etappen-Empfehlungen wahlweise für Auto-, Motorrad-, Wohnmobil- sowie Radfahrer.
Diese Idee hat auch an höchster Stelle überzeugt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen würdigt in einem Vorwort das Projekt als „Kompass“, mit dessen Hilfe man sich den unterschiedlichen Aspekten nähern könne: „der kulturellen Tiefe und Schönheit unserer Gemeinschaft, aber auch ihren Wurzeln und dem schrittweisen Entstehen der Verfassung unseres heutigen Europas. Wer sich auf den Weg macht, kann nachempfinden, dass Weitsicht, Mut und Ausdauer notwendig waren, um unsere Europäische Gemeinschaft zu bauen.“