Im Jahr 2014 wurde eine für alle EU-Mitglieder verbindliche Verordnung verabschiedet. Sie schuf die Grundlage für ein einheitliches, länderübergreifendes Vorgehen gegen die problematischsten invasiven Arten, die auf einer sogenannten Unionsliste geführt werden.
Mit der am 22. Oktober 2014 verabschiedeten und am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen (EU-)Verordnung Nummer 1143/2014 „über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten“ wurde erstmals ein für alle EU-Mitgliedsstaaten verbindlicher Rechtsrahmen zum Umgang mit invasiven Arten, Neozoen und Neophyten gleichermaßen, geschaffen. Die EU-Parlamentarier und die Verantwortlichen des EU-Rats hatten seinerzeit dringenden Handlungsbedarf gesehen, weil etwa zehn Prozent der etablierten gebietsfremden Arten zunehmend erhebliche Probleme für den Naturschutz, beispielsweise durch Verdrängung einheimischer Arten aus ihrem angestammten Lebensraum, und wirtschaftliche Folgeschäden bereitet hatten. Damit hatten diese Arten auch die Bestimmungen des am 29. Dezember 1993 in Kraft getretenen wichtigsten multilateralen Vertragswerks zum Schutz der globalen Biodiversität, dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt, erheblich tangiert.
Einheitlicher Mindeststandard
Mit ihrer Verordnung 1143/2014 hatte sich die EU das Ziel gesetzt, einheitliche Mindeststandards im Umgang mit problematisch invasiven Arten zu setzen, um die Ausbreitung dieser Spezies von vornherein verhindern oder zumindest frühzeitig erkennen zu können und um mögliche Schäden besser kontrollieren und verringern zu können. Die Verordnung enthält ein gestuftes System von Prävention, Früherkennung, möglichst umgehender Beseitigung und ein Management bereits weit verbreiteter invasiver Arten. Das zentrale Element der Verordnung ist die „Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung“. Sie wird meist nur kurz als „Unionsliste“ bezeichnet und ist die Grundlage für konkretes Handeln in den jeweiligen EU-Mitgliedsländern.
Ihre erste Fassung mit 37 Tier- und Pflanzenarten wurde im Sommer 2016 veröffentlicht und seitdem mehrmals aktualisiert. Derzeit umfasst sie 88 invasive Arten, von denen aktuell mindestens 46 in Deutschland anzutreffen sind. Für alle Arten der Unionsliste gelten weitreichende Verbote hinsichtlich Besitz, Handel, Zucht, Transport und Freisetzung in der Natur. Den EU-Einzelstaaten ist es erlaubt, weitere Arten bei nationalem Bedarf auf Basis naturschutzfachlicher Invasivitätsbewertung auf die gleiche Stufe wie die Spezies der Unionsliste zu hieven. Hierzulande sind unter Federführung des Bundesamtes für Naturschutz und gemäß dem Bundesnaturschutzgesetz in der Regel die einzelnen Bundesländer mit ihren jeweiligen Landesämtern für Umwelt für sämtliche konkreten Maßnahmen im Umgang mit invasiven Arten zuständig. In Sonderfällen, beispielsweise für Forschungszwecke oder um Fortschritte für die menschliche Gesundheit erzielen zu können, sind nach vorheriger Genehmigung auch für Arten, die auf der Unionsliste geführt werden, Ausnahmen von den strikten Verbotsbestimmungen erlaubt.
Laut der Verordnung 1143/2014 müssen für sämtliche Arten der Unionsliste Sofortmaßnahmen zur Früherkennung eingeleitet werden, um mit einer verpflichtenden sofortigen Beseitigung eine Etablierung und Ausbreitung möglichst noch verhindern zu können. Jedes erstmalige Auftreten einer invasiven Art muss unverzüglich der EU-Kommission gemeldet werden, die die Angaben in einer Online-Datenbank namens European Alien Species Notification System (EASIN Notsys) sammelt. Innerhalb von drei Monaten müssen bei der EU-Kommission dann auch die geplanten Sofortmaßnahmen gemeldet werden, mit denen die Art durch tödliche oder andere Mittel mit Rücksicht auf die menschliche Gesundheit, die Umwelt und den Tierschutz beseitigt werden soll.
Nach erfolgter Aktion oder nach Ablauf der festgelegten Dauer der Maßnahmen muss eine dritte Meldung bei der EU-Kommission erfolgen. Bei Fortbestehen des Problems ist eine neue Sofortmaßnahme zu prüfen, die dann wieder gemeldet werden muss. Sollte ein EU-Mitgliedsstaat die Beseitigung einer invasiven Art trotz der eingeleiteten Sofortmaßnahmen als nicht mehr möglich erachten, muss er dies der EU-Kommission mitteilen, die dann eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen muss. Sie kann wahlweise eine Wiederholung der Aktion anordnen oder den Übergang zu den sogenannten Managementmaßnahmen für bereits weit verbreitete Arten einleiten.
Detaillierte Maßnahmenblätter
Da neben der vorsätzlichen, durch Menschen bewirkten Einbringung oder Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten (die in diesem Fall als Neobiota bezeichnet werden) auch Spezies der Unionsliste ohne menschliches Zutun in artfremde Gebiete gelangen können, sieht die Verordnung 1143/2014 auch einen Aktionsplan vor, mit dem die wichtigsten Pfade oder Einfallwege dieses Vordringens analysiert und möglichst frühzeitig unterbrochen werden sollen. Die Umsetzung dieses Aktionsplans, der alle sechs Jahre aktualisiert werden soll, wurde hierzulande 2018 in einer Schriftenreihe des Bundesamtes für Naturschutz veröffentlicht und seine Annahme durch Publikation im Bundesanzeiger am 9. August 2021 beschlossen. Neben der Minimierung der Kontaminierung von Waren oder Fahrzeugen durch invasive Arten auf dem Transportweg aus Drittländern enthält der Aktionsplan auch eine Kosten-Nutzen-Analyse. Sofern eine flächendeckende Bekämpfung von invasiven Arten der Unionsliste nach Einschätzung der Mitgliedsstaaten auf ihrem Hoheitsgebiet nicht mehr möglich sein sollte, weil die jeweilige Spezies sich schon zu weit ausgebreitet hatte, sieht die Verordnung 1143/2014 sogenannte Managementmaßnahmen vor. Durch diese Maßnahmen sollen die Auswirkungen dieser Arten auf die Biodiversität und die damit verbundenen Ökosystemdienstleistungen sowie gegebenenfalls auf die menschliche Gesundheit oder die Wirtschaft minimiert werden. Für die betroffenen Arten der Unionsliste wurden und werden hierzulande von den Bundesländern in gemeinsamer Arbeit sogenannte Maßnahmenblätter erarbeitet, die als einheitliche Richtlinie und Grundlage für das Management dieser Arten dienen sollen. Diese Blätter sind größtenteils sehr dezidiert gehalten, über den Waschbär wurden beispielsweise gut neun Seiten verfasst, um unter anderem die Kosten für Schutzmaßnahmen zugunsten der von ihm gefährdeten Tierarten oder die Sinnhaftigkeit von Jagdabschüssen einschätzen zu können. Die konkrete Auswahl und Umsetzung der Maßnahmen vor Ort kann die zuständige Behörde in jeden Einzelfall nach eigenen Ermessen vornehmen. Manche Arten wie der Götterbaum oder das Drüsige Springkraut dürften kaum mehr in den Griff zu bekommen sein. Schwierig und extrem aufwendig dürfte es bei Arten wie der Chinesischen Wollhandkrabbe, dem Schwarzen Zwergwels, dem Marderhund oder dem Nordamerikanischen Ochsenfrosch werden.