Das niederländische Rotterdam hat sich zum Biotop für Start-ups der klima- und umweltfreundlichen Wirtschaft entwickelt. Mit ausgefallenen Ideen wollen sie die Wirtschaft nachhaltiger machen: Kreislaufwirtschaft, weniger Treibhausgase, mehr Natur- und Artenschutz.
Ein Beispiel für Kreislaufwirtschaft statt Müll, weniger Treibhausgase sowie mehr Natur- und Artenschutz ist die junge Firma „Nova Innova“. Eine junge Designerin und Wissenschaftlerin gewinnt Strom aus dem Boden. Damit bringt sie Parks zum Leuchten: Dutzende kleine Lichtpunkte leuchten abends im Rotterdamer Reyeroord-Park. Es ist hell genug, um sicher über die Holzbohlen zu gehen, die über einen Teich führen. „Es fühlt sich noch immer wie Magie an“, schwärmt Designerin Ermi van Oers. Die junge Wissenschaftlerin und Designerin hat das umweltfreundliche Beleuchtungssystem acht Jahre lang entwickelt: Mikroben setzen beim Abbau von organischem Material im feuchten Boden, im Wasser oder in organischem Abfall Elektronen frei. Eine Brennstoffzelle wandelt diesen Elektronenfluss in nutzbaren elektrischen Strom um. Tagsüber speichert ein Akku die erzeugte Energie, um abends Dutzende winziger LED-Lichter zum Leuchten zu bringen.
„Dem Wasser eine Stimme geben“
Damit nutzt die junge Wissenschaftlerin einen natürlichen Prozess, der in gesunden, feuchten Ökosystemen ohnehin stattfindet: Mikroben zersetzen ständig Biomasse, aus der wieder Neues entsteht. „Daraus Strom zu gewinnen, stört diesen Prozess nicht“, versichert Ermi van Oers. Und: „Die Mikroben schlafen nicht. Sie liefern rund um die Uhr Energie.“ Nur wenn es zu trocken oder zu kalt wird, lässt der Prozess nach. Im Winter sinkt deshalb die Stromproduktion ihrer Bio-Brennstoffzellen.
Nach dem gleichen Prinzip funktioniert van Oers System „POND“. Dazu hat sie schwimmende Halbkugeln entwickelt, die – je nach Wasserqualität – in unterschiedlichen Farben leuchten. „Rotes Licht zeigt an, dass es dem Wasser und seinen Bewohnern nicht gutgeht“, erklärt Ermi van Oers. Blaues und grünes Licht würden auf gute Bedingungen schließen lassen. Die Bio-Designerin will damit dem Wasser eine Stimme geben: „Das Wasser sagt den Menschen über die Farbe des Lichts, wie es ihm geht.“ In ihrem Labor schaut sie fasziniert in eine der leuchtenden Glas-Halbkugeln, auf der die vergrößerten Schatten winziger Wasserinsekten tanzen. „Für mich fühlt sich das an wie ein Lagerfeuer, in das ich stundenlang schauen könnte“, sagt van Oers. „Da siehst du das vielfältige Leben in einem gesunden Gewässer.“
In deutschen Seen, Bächen und Flüssen würden die Lampen meist rot leuchten. Nach Angaben der Europäischen Union sind mehr als 60 Prozent der hiesigen Oberflächengewässer in einem schlechten oder sehr schlechten Zustand. „Nur acht Prozent entsprechen den europäischen Standards für gesunde, saubere Gewässer“, beklagt die Wissenschaftlerin. In den Niederlanden sieht es nicht besser aus.
Bisher liefern van Oers Bio-Brennstoffzellen nur kleine Mengen an Energie, „eher Milliwatt als Kilowatt“, wie sie lachend einräumt. Ein Problem sieht sie darin nicht. Angesichts der Klimakrise zählt für die junge Forscherin jede Energiequelle, die die Ökosysteme nicht belastet. Nur wenn man unterschiedliche Quellen kombiniere, entstehe ein nachhaltiges, verlässliches System. „Wie viel Energie brauchen wir wirklich?“, fragt van Oers dann. Die Lichtverschmutzung schade bedrohten Insekten und trage zum Verlust der Artenvielfalt bei. Deshalb sei es doch sinnvoll, Parks möglichst spärlich zu beleuchten. Ihre LED-Lichtpunkte tauchen die Landschaft in magisches, sanftes Licht. „Es fühlt sich an, als würde man ein Meer von Glühwürmchen durchwandern.“ Die Technologie, so van Oers, stehe noch am Anfang – „wie Solarzellen vor 30 Jahren“.