Nach dem vorzeitigen Klasserhalt sorgen vor allem Personalien für Schlagzeilen über Hertha BSC. Hinter den Kulissen erschüttern Rücktritte und Umbaupläne den Berliner Traditionsclub.

Er ist immer noch ein Thema im blau-weißen Teil Berlins, steht er doch wie kein Zweiter für die vielleicht letzte große Zeit bei Hertha BSC, in der die „Alte Dame“ noch für Glamour sorgen konnte: Marcelo dos Santos, besser bekannt als Marcelinho. Der mittlerweile 49-jährige Brasilianer, der zwischen 2001 und 2006 insgesamt 193 Spiele (79 Tore, 61 Vorlagen) bestritt sowie durch wechselnde Haar- und Schuhfarben sowie die eine oder andere Eskapade abseits des Rasenvierecks für Aufmerksamkeit sorgte, gab sich rund um das Heimspiel der Berliner gegen die SpVgg Greuther Fürth vergangenes Wochenende die Ehre. Bereits am Donnerstag vor der Partie war er auf dem Trainingsgelände erschienen und wurde dort im neuen Hertha-Trikot (natürlich mit „seiner“ Nummer zehn) zum beliebten Fotomotiv.
Beinahe konnte man meinen, die Verantwortlichen von Hertha BSC hätten einen geschickten Mediencoup mit der Visite des einstigen Ballzauberers gelandet – um ein bisschen abzulenken von aktuellen Personalien, die Verein, Umfeld und Medien gerade in Atem halten und auch für gewisse Unruhe sorgen. Es begann bekanntlich am Ostersonntag, an dem Hertha BSC zunächst mit dem 3:2-Sieg in Ulm einen wichtigen Schritt in Richtung Klassenerhalt vollzogen hatte, noch am selben Abend aber der sofortige Abschied von Andreas „Zecke“ Neuendorf (Direktor Akademie und Lizenzspielerbereich) vermeldet worden war. Dem 50-Jährigen wurde einerseits die Verpflichtung des später nicht erfolgreichen Trainers Cristian Fiel sowie ein zu langes Festhalten am Spanier angekreidet. Andererseits soll seine angebliche Nähe zu bestimmten Beraterfirmen für einen “Beigeschmack“ gesorgt haben– sodass dem in blau-weißen Fankreisen äußerst beliebten Ex-Hertha-Profi wohl intern ein Rücktritt nahe gelegt wurde.
In der Woche nach Ostern erhärteten sich dann die Gerüchte über den Wechsel von Ibrahim Maza und dessen künftigen Arbeitgeber – Bayer Leverkusen erhielt den Zuschlag. Parallel kristallisierte sich heraus, dass es doch nicht zu einer Verpflichtung des Ex-HSV-Sportdirektors Jonas Boldt für die Geschäftsführung zur nächsten Saison kommen würde. Was jedoch nicht bedeutete, dass damit eine Umbesetzung auf dem Posten von CEO Thomas Herrich vom Tisch sei. Eifrige Recherchen hatten zuvor ergeben, dass (auch) der oberste Mann in der Geschäftsführung vor seiner Demission stand und Boldt dessen Nachfolger werden könnte. Zwar waren dann die Gespräche wegen unterschiedlicher Auffassungen ergebnislos beendet worden – Boldt dürfte dabei vor allem zu viel Machtfülle eingefordert haben gegenüber dem Präsidium, das spätestens seit der Ära Bobic auf flachere Hierarchien baut und obendrein Bezüge zu Hertha BSC präferiert. Dennoch gab man dann das Ende der Tätigkeit Herrichs zum Abschluss der Spielzeit bekannt – ohne bereits einen konkreten Nachfolger vorzustellen.
Fortsetzung des „Berliner Wegs“
Der 61-Jährige hatte sich dabei um die finanzielle Konsolidierung des Vereins in den Zeiten der größten Krise unbestreitbar Verdienste erworben, galt aber als Mann ohne größere sportliche Expertise – dazu wurde er auch vom Lager des 2024 verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein kritisch beäugt, da er bereits über 20 Jahre in verschiedenen Funktionen für Hertha BSC tätig und daher auch gut vernetzt zur „Opposition“ ist. „Thomas Herrich hat dem Präsidium von Hertha BSC mitgeteilt, dass er seinen laufenden Vertrag als Geschäftsführer zum Ende der Saison 2024/25 vorzeitig beenden möchte“, hieß es dazu in einer Vereinsmitteilung am Mittwoch letzter Woche. „Dieser Entscheidung gingen ausführliche und konstruktive Gespräche über die zukünftige strategische Neuausrichtung des Vereins voraus.“ Allerdings besagen Insiderinformationen, dass der Geschäftsführer wie kurz zuvor „Zecke“ Neuendorf nur den gesichtswahrenden Rückzug antreten durfte – aber nicht mehr.

Als ein möglicher Kandidat für die Nachfolge und das Fortsetzen des „Berliner Wegs“ mit blau-weißen Wurzeln wurde dabei zuletzt Jochen Sauer genannt. Der aktuelle Nachwuchsleiter beim FC Bayern München arbeitete schließlich bereits von 2001 bis 2009 für die Hauptstädter als Assistent der Geschäftsführung unter Dieter Hoeneß. Eine weitere Spur führte zu Rachid Azzouzi, der lange Zeit bei Greuther Fürth in leitender Funktion tätig war – und, gewisse Parallelen zu Herthas Wunschprofil sind unverkennbar, mit vergleichsweise schmalem Budget zwei Bundesligaaufstiege (2012, 2021) bewältigte. Beim zweiten Anlauf war dazu ein gewisser Stefan Leitl als Trainer bei den Kleeblättern verantwortlich, was die Schnittmenge positiver Aspekte in der Personalie Azzouzi für Herthas Verantwortliche möglicherweise noch etwas vergrößert hat. Unter dem Strich aber steht durch die Rückzüge von Neuendorf und Herrich innerhalb von zehn Tagen ein Neubeginn auf der Führungsebene bevor, zu dem sich die Hauptstadtmedien Vergleichen aus der Seismographie bedienten – vom einfachen „Beben“ (Tagesspiegel) über „Personal-Beben“ (rbb24.de) oder „Berliner Beben“ (Kicker) bis hin zum „Hertha-“ oder „Bosse-Beben“ (beide Bild).
Selbst Sportdirektor Benjamin Weber, drittes und letztes Gesicht des vor zwei Jahren eingeläuteten Berliner Weges, gilt dabei als mitverantwortlich für die sportlichen Enttäuschungen der letzten beiden Saisons – darf aber offenbar in der Verantwortung bleiben. Kein Wunder also, dass bei all den personellen Veränderungen bezüglich der perspektivischen Ausrichtung die sportliche Aktualität zumindest medial in den Hintergund geriet. Im Heimspiel am Sonntag gegen Greuther Fürth wollten Mannschaft und Trainer jedenfalls die Serie von sechs Partien ohne Niederlage fortsetzen – und das sollte mit dem verdienten, allerdings auch wenig glanzvollen 1:0-Sieg vor 48.000 Besuchern im Olympiastadion gelingen. Der Treffer von Fabian Reese aus der 16. Minute – sein neunter in den vergangenen acht Partien – sollte gegen bis auf die Schlussphase harmlose Gäste weitgehend ungefährdet bleiben. Bereits am Freitag wollen Leitls Schützlinge nun bei Abstiegskandidat Preußen Münster die Serie ungeschlagener Begegnungen ausbauen. Bleibt abzuwarten, welche Schlagzeilen dann das sportliche Geschehen bei Hertha BSC überlagern – vor dem Fürth-Spiel war es immerhin eine sehr positive: Denn die vorzeitige Vertragsverlängerung mit dem umworbenen Mittelfeldspieler Michael Cuisance bis 2029 konnte verkündet werden.