Eine der Herausforderungen der Energiewende sind die notwendigen Stromspeicher. An einem interessanten Projekt forscht ein Team des Massachusetts Institute of Technology (MIT), zu dem auch der Deutsche Franz Josef Ulm gehört: Stromspeicher aus Zement, Ruß und Wasser.
Die Materialien bilden einen riesigen Kondensator, einen sogenannten „super cap“, mit dem Energie in hoher Kapazität schnell gespeichert und auch wieder kurzfristig zur Verfügung gestellt werden kann. Die Idee der Wissenschaftler vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) klingt verlockend: Die Materialien, die sie verwenden wollen, sind beinahe überall verfügbar; es müssen keine exotischen seltenen Erden aus Staaten mit zweifelhaften Regierungen importiert werden. Zudem sind die Materialien preisgünstig und können vergleichsweise einfach verarbeitet werden. Sollte dies funktionieren, wäre das ein Gamechanger, schwärmt Franz Josef Ulm: „Wir glauben, das ist wirklich eine Technologie, die relativ schnell in den täglichen Arbeitsfluss der Bauindustrie als auch der Menschen hineinkommen kann.“
Einige Fragen noch ungeklärt
Ingenieurwissenschaftler Josef Ulm arbeitet seit mehr als 20 Jahren am MIT in Cambridge. Die Zementforschung ist einer seiner Schwerpunkte, wobei es auch um die Vermeidung von CO2 bei der Herstellung von Zement geht. Tatsächlich wird das Material weltweit in Bauwerken eingesetzt – und könnte dort Gutes im Sinne der Dekarbonisierung tun. „Wenn man Ruß mit Zement mischt, bildet sich ein voluminöses Drahtsystem mit einer sehr großen spezifischen Oberfläche, in dem sich viel Energie speichern lässt“, erklärt Ulm. Ein riesiges Netz, ein Geflecht aus elektrisch hochleitfähigem Ruß, das sich bei dieser Mischung im Zement bildet, wird in einer Salzlösung als Elektrolyt getränkt. Blitzschnell könnte die elektrische Ladung aus diesem System entnommen werden, und schnell könnte der Zement-Superkondensator auch wieder aufgeladen werden. Und dies in kurzen Abständen.
Die Idee, die elektrischen Eigenschaften von Beton und Zement zu verändern, sei nicht ganz neu, sagt Pietro Lura, Professor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. An der EMPA, der Schweizerischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, leitet Lura die Abteilung Beton- und Konstruktionschemie. Er hat noch etliche Fragen an die Forschenden vom MIT. Bei der im Experiment verwendeten Mischung der Materialien gebe es zwar eine hohe elektrische Leitfähigkeit, doch wäre der Beton zu porös, nicht fest genug und er würde wohl auch nicht lange halten. In der Praxis ließe sich dies so nicht anwenden, sagt Lura.
Das Grundproblem: Je mehr Ruß und Salzlösung der Zementkondensator enthält, desto mehr elektrische Energie kann gespeichert werden. Aber die Qualität des Baustoffes leidet dann auch. Will man sie verbessern, lässt sich aber weniger Strom speichern – ein Zwiespalt. MIT-Professor Ulm sieht darin allerdings kein grundsätzliches Hindernis. „Es gibt einen sogenannten Sweet Spot zwischen der Masse von Ruß, die man hineingibt ins Material und der Festigkeit, mit der man arbeiten kann.“ Deswegen sei der Zementkondensator auch nicht für alle Bauwerke geeignet: Für Fundamente in einem Haus käme man mit ungefähr zehn Prozent Ruß bezogen auf die Zementmasse „gut hin“, um die notwendigen Festigkeiten zu erreichen. Für Brücken brauche man dagegen festeren Beton.
Franz-Josef Ulm ist optimistisch, die richtige Mischung für die jeweilige Anwendung hinzubekommen, und er hat auch schon einen Zeitplan. Derzeit experimentiere das Forschungsteam mit Zementsteinen, die mit ihren elektrischen Eigenschaften einer Zwölf-Volt-Autobatterie entsprächen. Und diese einzelnen Kondensatoren-Blocks ließen sich dann addieren. In 18 Monaten, schätzt Ulm, könnte die MIT-Forschergruppe es geschafft haben, aus diesen Blocks einen Prototypen für ein energieunabhängiges Haus zusammengestellt zu haben. Sollte dies funktionieren, könnte der gemauerte Keller dann ein stromspeichernder Superkondensator sein. Und viele Häuser könnten zu einem großen Energienetz zusammengeschlossen werden: „Energie, die über den Tag im Fundament eines Hauses gespeichert wird, kann dann in der Nacht, wenn keine Energie erzeugt wird, in das Netzwerk angegeben werden.“ Und in drei Jahren könnte, so MIT-Professor Ulm, eine andere Anwendung Wirklichkeit werden: Induktives Laden von E-Autos auf Parkplätzen, ohne Ladekabel, alleine durch ein
elektromagnetisches Feld. Auf lange Sicht, so Ulms Hoffnung, könnten entsprechend Straßen so gebaut werden, dass E-Autos laden, wenn sie darüber fahren. Das würde aber noch zehn bis 20 Jahre Entwicklungszeit bedeuten.