Die Brandenburgischen Sommerkonzerte bespielen bis Mitte September Kirchen, Herrenhäuser, Scheunen und Industriedenkmale zwischen Uckermark und Fläming.
Bereits die Eröffnung offenbart das Markenzeichen dieses Festivals, das „Klassiker auf Landpartie“ bietet: Die Brandenburgischen Sommerkonzerte starten am 25. Mai in der gotischen Nikolaikirche von Luckau in der Niederlausitz. Das Orchester der Komischen Oper Berlin spielt beliebte Stücke wie Mendelssohns „Sommernachtstraum“-Ouvertüre. Vor dem Konzert erkunden die Besucherinnen und Besucher bei Führungen die Luckauer Altstadt und das Niederlausitz-Museum. Nach dem Schlussapplaus werden gemeinsam Abendlieder auf dem Schlossberg angestimmt.
„Das Besondere und Einmalige der Brandenburgischen Sommerkonzerte war immer, nicht nur Kunst und Kultur an ausgefallenen Orten zu ermöglichen, sondern auch Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, Austausch und Verbindungen zu schaffen“, sagt Wolfram Korr, Geschäftsführer des Festivals.
Heimatbezug wird hier großgeschrieben. So bestreiten die drei Solisten, die bei der Eröffnung Beethovens Tripelkonzert spielen, ihre Weltkarrieren vom Brandenburgischen aus: die aus Cottbus stammende Wahl-Potsdamerin Antje Weithaas an der Geige sowie die Cellistin Marie-Elisabeth Hecker und der Pianist Martin Helmchen, die in der Nähe von Luckau leben.
Konzerte an ausgefallenen Orten
Die Veranstalter der Brandenburgischen Sommerkonzerte schnüren Ausflugspakete. Während der gemeinsamen Anfahrt mit dem Bus tauschen die Stammgäste den Inhalt ihrer Stullenpakete miteinander. Am Konzertort wartet eine Kaffeetafel mit selbst gebackenem Kuchen, vorbereitet von ortsansässigen Helfern. Führungen, Vorträge oder Museumsbesuche runden die Landpartie ab.
Das Ganze ist eine Win-win-Situation für Stadt und Land. „Für Kultur nicht extra nach Berlin fahren zu müssen, hat für viele Brandenburger einen großen Wert“, erklärt Wolfram Korr, der 2021 die Leitung des Festivals übernahm. „Die Berliner wiederum erleben gern die reiche Kulturlandschaft Brandenburgs.“
Kurz nach der Wende gegründet, ging es dem Festival zunächst darum, den West-Berlinern die Schönheit des märkischen Umlands ans Herz zu legen. Schon damals ermöglichte man die Anreise ohne eigenes Auto. Für die Konzerte wird von Berlin aus ein Transfer im Reisebus angeboten, den man gleich bei der Kartenbestellung reservieren kann. Die Abfahrt erfolgt vom gut erreichbaren U-Bahnhof Fehrbelliner Platz.
In diesem Jahr bringen die Brandenburgischen Sommerkonzerte zum 33. Mal renommierte Künstlerinnen und Künstler in alle Winkel Brandenburgs – an den Wochenenden zwischen Ende Mai und Mitte September. Hochkarätige Gäste sind etwa der Dresdner Kreuzchor, der Opernsänger Rolando Villazón, die Pianisten Anna Vinnitskaya und Matthias Kirschnereit. Der musikalische Nachwuchs wiederum bekommt seine Plattform am 26. Mai in Berlin-Spandau, wo die Klaviermanufaktur Carl Bechstein ihre Säle im einstigen Zentrallager von „Kaiser’s Kaffee“ eingerichtet hat.
Die Konzertorte sind bei diesem Festival genauso wichtig wie das Musikerlebnis – die Vielfalt an Schlössern, Dorfkirchen oder Scheunen im Brandenburgischen macht es möglich. „Die Verbindung von erstklassigen Künstlern und dem reichen Kulturerbe Brandenburgs, den schönen märkischen Schlössern und Kirchen, ist einfach magisch“, schwärmt Wolfram Korr. Fans alter Industriearchitektur sollten sich die Veranstaltung im ehemaligen E-Werk Luckenwalde am 18. August vormerken. In der Turbinenhalle gastiert das Brandenburger Duo Udite mit einem Programm von barocken Liedern bis E-Gitarren-Geschrammel.
Lobende Worte aus der Politik fürs Festival gehen nicht mit einer entsprechenden Förderung einher. Die Sommerkonzerte finanzieren sich durch private Spenden, Sponsoring von Stiftungen und Unternehmen sowie den Kartenverkauf. Träger ist ein gemeinnütziger Verein, dessen Vorstände ehrenamtlich arbeiten. Jederzeit willkommen sind daher Musikfreunde, die mit einer Spende oder einer Mitgliedschaft im Förderverein dem Festival unter die Arme greifen.
Es gibt beliebte und bewährte Veranstaltungsformate, auf die sich das Publikum jedes Jahr wieder freut. Dazu gehört die musikalische Gartenreise, die nun am 16. Juni in den Elbe-Elster-Kreis führt. Das „Dorfkirchenkarussell“ mit drei Konzerten an drei Orten dreht sich am 4. August in Havelland und Oberhavel. Den Süden Brandenburgs steuert am 24. August die Orgelreise an, eine Station ist die Silbermann-Orgel in der Pöppelmann-Kirche Lebusa. Die Reiseleitung übernimmt RBB-Moderator Claus Fischer.
In die Programmgestaltung lässt Wolfram Korr die Erfahrungen aus seiner Doppel-Karriere als Geiger und Kulturmanager einfließen. In Würzburg geboren, kam er zum Musikstudium nach Berlin und war dann mehrere Jahre als Konzertmeister beim Philharmonischen Orchester Cottbus engagiert. Damals musizierte er auch selbst gelegentlich bei den Brandenburgischen Sommerkonzerten. Am Cottbuser Theater lernte er seine Frau kennen. Die beiden ließen sich auf halbem Wege zwischen Berlin und Cottbus nieder: in Lübben im Spreewald, wo das Festival regelmäßig Station macht. Später entwickelte Korr Unterhaltungsprogramme für Kreuzfahrten. In einer Halle in Berlin-Treptow studierte er mit Tänzern, Sängern und Akrobaten die Shows ein. Als während der Pandemie kein Schiff mehr auslief, kam die Anfrage der Brandenburgischen Sommerkonzerte wie gerufen. „Hier kann ich meine Marketing-Fähigkeiten einbringen, die ich mir in der Kreuzfahrtbranche angeeignet habe – in Verbindung mit meiner Vergangenheit als Musiker“, sagt Wolfram Korr.
Seit seinem Amtsantritt vor knapp drei Jahren hat Korr das Spektrum des Festivals erweitert: weg von der „reinen“ Klassik. „Wir wollen die treuen Stammgäste ansprechen, aber auch neue und jüngere Gäste anlocken“, erklärt er. „Auf den Kreuzfahrten kam mir die harte Erkenntnis, dass Klassik keine Leitkultur mehr ist. Wir haben dort absolut hochwertige Klassik-Aufführungen geboten. Aber bei Musical oder Pop finden sich viel mehr Gäste ein. Wir müssen uns dieser Realität stellen. Um die sogenannte Unterhaltungsmusik sollten wir uns viel stärker bemühen, dann hätte sie auch bessere Qualität.“
Festival will weg von der „reinen“ Klassik
In dieses Konzept passt „Spark“, dessen fünf Musiker an Blockflöten, Geige, Cello und Klavier sich als „klassische Band“ bezeichnen. Sie treten am 29. Juni in einem ehemaligen Rittergut im Fläming auf. Am 7. Juli wird das Badehaus des Beelitzer Heilstätten-Sanatoriums mit den Klängen von Ludovico Einaudi beschallt. Einen Bogen zur Folklore schlägt am 11. August in Lieberose das Sorbische National-Ensemble, das tanzend, singend und musizierend die kulturelle Tradition bewahrt.
Swing im Rinderstall erklingt am 8. September. Das Original Vintage Orchestra aus Prag gastiert im Landgut Stober bei Nauen, der einstigen Sommerresidenz des Berliner Industrie-Magnaten Borsig. Das Beiprogramm bietet eine Fahrt zum Schloss Ribbeck, wo Theodor Fontanes berühmter Birnbaum steht.
Ob die Besucher am Ende zufrieden sind, erkundet Festivalleiter Wolfram Korr systematisch mit Befragungen nach den Konzerten. Die Wünsche der Gäste fließen in die Programmgestaltung ein. „Hierzulande gibt es oft die Einstellung: Was erfolgreich ist, kann nicht gut sein“, meint Korr. „Diesen Gedanken finde ich leicht pervers.“
Im Rahmen der Brandenburgischen Sommerkonzerte geht zum zweiten Mal das „Internationale Kammermusikfestival Fliessen“ über die Bühne. Geleitet wird es von der Cellistin Marie-Elisabeth Hecker und dem Pianisten Martin Helmchen. Das Künstlerpaar lebt bei Luckau auf dem Gehöft einer einstigen Mühle. Die beiden haben befreundete Musiker aus ganz Europa eingeladen. In ihrer Scheune wird geprobt. Dann stehen vom 25. bis zum 28. Juli gemeinsame Konzerte an verschiedenen Orten im Spreewald und in der Niederlausitz an.
Das monumentale Festival-Finale geht schließlich am 14. September mit Anton Bruckners gewaltiger Fünfter Sinfonie über die Bühne. Die Aufführung läuft in der riesigen Hallenkirche der Johannischen Gemeinde Blankensee, südwestlich von Berlin. Abermals ist der Konzertort ebenso beeindruckend wie die Musik.